50 Jahre Mondlandung: Unter irrem Zwang, „not because it is easy“

50 Jahre Mondlandung: Unter irrem Zwang, „not because it is easy“

Ein kurzweiliger Hör-Essay
mit Originaltönen, 50 handverlesenen mondsüchtigen Musikstücken sowie einem Auszug aus "Das allerletzte Gefecht" (Wolfgang Pohrt, 2013

Der Mond blendet nicht wie die Sonne. Sein kaltes, fahles Antlitz läßt sich genau beobachten, er übt eine eigenartige Faszination aus, der einzige Himmelskörper, dessen Oberfläche deutlich zu sehen ist. Er strahlt eine eigentümliche Melancholie aus, vielleicht sogar den Tod. Manche Menschen werden sprichtwörtlich mondsüchtig.
Ist die Sonne Symbol des Erfolgs, des Diesseitigen und Offensichtlichen, des Drastischen und positiver Strahlkraft, so der Mond Sinnbild des Subtilen, der Romantik und Sehnsucht, des Geheimnisvollen und Hintergründigen, bis hin zu gefährlich-schwindeligem Wahn und irrer Verstiegenheit. Dem Mondlicht wird eine kirre machende Wirkung nachgesagt. Hunde und Wölfe heulen den Mond an. Kaum ein Horrorfilm kommt ohne die beklemmend ausgeleuchtete Atmosphäre aschfahlen Mondlichts aus.

Für nicht wenige Menschen war 1969 die live im Fernsehen zu verfolgende Landung von Menschen auf dem Mond ein Schlüsselereignis, womöglich der kulturelle Höhepunkt des Jahrhunderts, jedenfalls einer der ersten Momente live hergestellter medialer Weltöffentlichkeit überhaupt. Ein Augenblick der Zäsur, wie 9/11 oder die Detonation in Hiroshima – freilich einer der seltenen Fälle ohne traumatische Komponente.

Das space race bzw. космическая гонка, der Wettlauf ins All, war schon in den fünfziger Jahren angelaufen, verschärfte sich aber in den sechziger Jahren dramatisch, bis hin zum spektakulären Höhepunkt. Ein Akt androzentrischen „Machbarkeitswahns“: Die Expedition zum Erdtrabanten war wenig mehr als Symbolpolitik, gewissermaßen eine humanistische Ersatzhandlung.

Höchst symbolträchtig die dem Menschen völlig ungewohnte Schwerelosigkeit im Weltall. Sie gibt – wenn auch unbewußt – eine fantastische Metapher und reichlich utopisches Traumpotential ab für den Fluchtpunkt aller menschlichen Emanzipation, eines Tages nicht mehr der Gravitation ökonomischer und gesellschaftlicher Zwänge zu unterliegen, sondern vielleicht einmal unbeschwert von alledem in universeller Freiheit leben zu können. Dementsprechend scharf war der Wettstreit, wessen Protagonisten diesen hochsymbolischen Akt zuerst ins Werk setzen würden: die des Liberalismus oder die des Kommunismus. Immerhin hatten sich beide die Befreiung der Menschheit auf ihre Fahnen geschrieben.
Vor dem Hintergrund einer noch in Not und Elend lebenden Welt, die sich erst seit wenigen Jahren aus kolonialer Bevormundung und Umklammerung befreit hatte, erscheint das megalomane Mondlandungs-Projekt freilich in einem anderen Licht.


Produziert von Dr. Indoktrinator, Querfunk Karlsruhe