Kurt Dahlke von den Fehlfarben im Interview

Kurt Dahlke von den Fehlfarben im Interview

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Die Fehlfarben spielen am Freitag (4.12.15) live im Waldsee!!

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"Keine Atempause, Geschichte wird gemacht - es geht voran". Der Song "Ein Jahr (Es geht voran)" hat tatsächlich Geschichte gemacht, ist in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und auch in puncto Verkaufszahlen bis heute der größte Erfolg der Fehlfarben. Zugleich war es einer der größten Hits der Neuen Deutschen Welle. Allerdings zum Leidwesen der Band, wurde das Stück doch 1982 gegen ihren Willen und zu einem Zeitpunkt als Single veröffentlicht als sich die NDW auf ihrem kommerziellen Höhepunkt befand und nur noch der Reibach im Vordergrund stand. Ursprünglich war "Ein Jahr" Bestandteil des schon zwei Jahre zuvor erschienenen Debütalbums "Monarchie und Alltag", das in der damaligen deutschsprachigen Rockszene einen immensen Stellenwert erreichte. Rund 20 Jahre nach Veröffentlichung wurden die Fehlfarben dann für 250.000 verkaufte Exemplare und zum Stolz ihres ehemaligen Labels EMI sogar mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet.
Das von einem funkigen, von der US-Formation Chic adaptierten Riff angetriebene Lied ist für die 1979 gegründete Band aus Düsseldorf indes eher untypisch. Vielmehr waren die Fehlfarben mit ihren zum Teil sozialkritischen Texten von der britischen Punkwelle beeinflusst, die ab 1977 nach und nach auch nach Deutschland herüber schwappte. Sänger Peter Hein quittierte seinen Dienst zwar bereits nach dem Erstling, dennoch gelang auch den beiden darauffolgenden Scheiben "33 Tage in Ketten" und "Glut und Asche" der Sprung in die deutschen Charts. Letzteres war zugleich das erste deutschsprachige Werk, das vom Musikexpress zur Platte des Monats gekürt wurde. Der Auflösung im Jahr 1984 folgte zu Beginn der 1990er-Jahre eine erste Wiederbelebung in Originalbesetzung (inklusive Peter Hein), ehe es erneut ruhig um die Band wurde. Erst im Jahr 2002 erschien mit "Knietief im Dispo" ein neues Lebenszeichen der Fehlfarben, welches mit einem kleinen NDW-Revival zusammenfiel, das durch den erfolgreichen Dokuroman "Verschwende Deine Jugend" ausgelöst wurde. Dadurch wurde das Interesse für die ehemaligen deutschsprachigen Punk- und New-Wave-Anfänge wieder größer und die Deutschpunk-Vorreiter gefragter denn je. Seither haben die Fehlfarben vier weitere Alben fabriziert, die sich allesamt in den Top 100 der nationalen Charts platzieren konnten.
Spätestens seit den beiden Longplayern "Glücksmaschinen" (2010) und "Xenophonie" (2012) präsentiert sich die Band wieder in absoluter Bestform. In seiner typisch sarkastischen Art stellt Peter Hein dem Zustand der Welt allgemein - und dem der Deutschen speziell - ein vernichtendes Zeugnis aus. Frische Texte und musikalisch abgezockter Waverock at its Best. Hein: "Ich bin schon dafür, dass jeder auf seine Art vor die Schnauze kriegt." Und die Fehlfarben haben noch nicht genug. Mit "Über... Menschen" erscheint im September das neue Album mit 13 unaufgeregten, aus der Zeit gefallenen und immer noch fast penibel unpathetischen Songs. Neben vertrauten Klängen gibt es aber auch  musikalische Veränderungen bzw. Erweiterungen festzustellen: "Untergang" und "Sturmwarnung" sind knarzig-dubby, teilweise schon fast rätselhaft. "Urban" tendiert zum Reggae, geht aber wegen des umso wütenderen Heins obendrauf erst recht klar. "Rein Raus" ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Fehlfarben musikalisch ticken: Disco-no-Disco, Slowfox-Pogo mit einem Schwerpunkt auf Platzangst. Und schließlich"Komitee", eine angebratene No-Wave-Funk-Nummer, die perfekt zu den Krawallen der Expo-Eröffnung in Mailand oder der Einweihung des EZB-Neubaus in Frankfurt gepasst hätte. Als Support ist das Duo Die Wilde Jagd mit einer Mixtur aus Synthiepop, Krautrock und New Wave mit von der Partie.