Sebastian Krämer am 29.04.17 im Vorderhaus

Sebastian Krämer am 29.04.17 im Vorderhaus

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david olivieira

Bitte einsteigen und Bügel schließen! Das deutsche Chanson nimmt Fahrt auf. Da wird Selbsterfahrung zur Achterbahn und die Realität zum Autoscooter.

Das Schicksal umfror uns mit fahler Noblesse … Verse von seltener Opulenz taumeln als französischer Walzer auf einem harmonischen Vulkan daher, ein Danse Macabre nebst Kreuzreim: die formvollendete Einladung zu einer Runde im Hell Express. Serviert mit Coolness und Grandezza, als wäre der Teufel hinter diesem Mann am Klavier her, und wahrscheinlich ist er das auch. Spitzbübisch, aber tiefenlastig gräbt sich Krämers Klavierspiel in die Seele, während seine Stimme nonchalant mit dem Verstand spazieren geht.

Konfrontierten uns – ganz im Geiste der Aufklärung – Krämers „Tüpfelhyänen“ noch mit den Möglichkeiten menschlichen Denkens und Handelns, führen die aktuellen Songs unter Einsatz allerhand chromatischer Finessen geradewegs in die schwadenumwobenen Abgründe einer romantischen Weltsicht. Es ist die Hingabe ans wissentlich Falsche, das Pathos des Irrens, dem Krämer sich neuerdings verschrieben hat. Zwar mit gekreuzten Fingern hinterm Rücken, aber dennoch rettungslos. Ironie ist Teil des Problems, sie zieht die arme Seele nur noch tiefer hinein ins Verderben.

Apropos Liebe: die bleibt uns hier keineswegs erspart. Ebenso unvollständig jedoch wäre das romantische Themenfeld ohne einen Hund im Güllebad, den Niedergang der DVD und ihm vorauseilende nostalgische Gefühle, ein höllisches Fahrgeschäft mit Spätfolgen, Alpo den Waldgeist und – eine verträumte Armbanduhr. Spätestens seit Krämer den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Chanson (2009) und den Deutschen Kabarettpreis (2012) in der Tasche hat, sieht er von der Beschäftigung mit aktuellen Aufregern konsequent ab. Übrigens glaubt er, daß Wahrheit im Lied nur als matt durchscheinende, nicht als vorgeführte, zu gewinnen sei. Vielleicht gibt es sogar Wahrheiten, die er gar nicht kennt: das unterscheidet ihn von einem Kabarettisten. Sich Zustimmung durch die Artikulation bedenkenlos teilbarer Richtigkeiten zu sichern, ist Krämers Sache nicht. Sein Schaffen bleibt konkurrenzlos, weil vergleichbare Projekte keinem zweiten Liedermacher zu empfehlen wären: Lieder wider besseres Wissen.