Hören ohne Grenzen

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Die Antenne kam aufs AKW

Vermutlich wird es um das Atomkraftwerk in der elsässischen Gemeinde Fessenheim gegangen sein. Atomkraftgegner hatten aus Protest gegen das im März 1977 ans Netz gegangene AKW einen Strommast besetzt. An dem befestigten sie symbolträchtig die Antenne.

Radio Dreyeckland (RDL), wie sich der Sender seit 1981 nennt, war das erste freie Radio in Deutschland. "Bei unseren 30 Mitgliedern ist es das große Vorbild", sagt Steffen Käthner, Sprecher des Bundesverbandes der Freien Radios. Freie Radios finanzieren sich ohne Werbung, sie sind regional verwurzelt, jeder kann man mitmachen und keiner hat das Sagen.

RDL, seit 1988 staatlich lizenziert, ist unter den 30 das einzige Radio, das als Piratensender begonnen hat. Heute kaum noch vorstellbar, aber wahr: Damals wollte der Staat um keinen Preis, dass jemand unerlaubt elektronische Medien benutzt, schon gar nicht als grenzüberschreitendes Sprachrohr der Anti-AKW-Bewegung am Oberrhein. Die Obrigkeit schickte Peilwagen und Hubschrauber los, um die Äther-Piraten dingfest zu machen. In Stuttgart regierte noch Hans Filbinger. 1977 war es zwei Jahre her, dass Ministerpräsident in Wyhl nachgeben musste: Am Kaiserstuhl wurde kein AKW gebaut.

Nun sollte Radio Verte die Kunde bis nach Paris tragen: Wir wollen auch kein AKW in Fessenheim, auf der anderen Seite des Rheins. Dort blieb die Botschaft nicht ganz unerhört. 1981 legalisierte der damalige Staatspräsident François Mitterrand die freien Sender in Frankreich. Die Deutschen nutzten die Chance und bezogen ein festes Studio in Colmar.

Inzwischen, 30 Jahre nach dem Debüt und mit einer festen Adresse in Freiburg, feiert RDL und wähnt sich den Ursprüngen "treu geblieben", als Medium "ohne Quotendruck und Hierarchien" .

Die Einnahmen aus den Rundfunkgebühren und den Beiträgen eines Unterstützervereins reichen aus, um zwölf Redakteure zu bezahlen. Die rund 150 freien Mitarbeiter arbeiten gratis. Es gibt 80 Redaktionen. Gesendet wird in 14 Sprachen. Nur mit der Hörbarkeit hapert es. Auf 102,3 MHz sendet RDL mehr denn je schlecht als recht. Störungsfrei bekommt man es nirgendwo zu hören. Die Frequenz wird von zwei starken Sendern gestört: einem französischen, der in den Vogesen steht, und einem Schweizer, der aus dem Jura funkt.

Es ist die Ironie der Mediengeschichte. Heute ist der einstige Piratensender Opfer dessen geworden, wofür er vor 30 Jahren als Radio Grünes Fessenheim die Staatsmacht herausgefordert hat: dass auf Ultrakurzwelle größere Vielfalt herrscht.

www.rdl.de