Stilllegung des AKW Mühleberg - Kein Grund zum Feiern

Stilllegung des AKW Mühleberg - Kein Grund zum Feiern

Das Schweizer AKW Mühleberg wurde heute, 20. Dezember 2019, 47 Jahre und 43 Tage nach Beginn des kommerziellen Betriebs stillgelegt. In den 1960er-Jahren wurden Atomkraftwerke dieses Typs von den Konstrukteuren für eine Betriebszeit von 20 bis 25 Jahren ausgelegt.

Der Betreiber-Konzern BKW hatte schon 2013 die Stilllegung des AKW Mühleberg beschlossen - ausschließlich aus betriebswirtschaftlichem Kalkül. Es hätten 200 Millionen Franken in den weiteren Betrieb investiert werden müssen. Suzanne Thoma, die Chefin des Betreiber-Konzerns BKW, stellte nüchtern fast, das habe sich nicht mehr gelohnt.

Das AKW Mühleberg gehört mit einer Leistung von 373 Megawatt zu den kleineren der fünf Schweizer Atom-Reaktoren und ist nur geringfügig größer als die beiden Reaktoren des AKW Beznau, die 1969 und 1971 ans Netz gingen. Weiter in Betrieb sind ebenfalls die Atomkraftwerke Gösgen (Betriebsbeginn: 1979) und Leibstadt (Betriebsbeginn: 1984) mit jeweils einem Reaktor. Selbst stillgelegt hatte sich das AKW Lucens im Jahr 1969 durch eine partielle Kernschmelze - die darauf folgende Explosion war so gewaltig, daß der Reaktor völlig zerstört wurde. Auch in der Schweiz ist dieses Kapitel in der Geschichte des sogenannten Atomzeitalters nahezu völlig vergessen. In den Mainstream-Medien wird die Katastrophe von Lucens kaum mehr erwähnt und auf der Seite "Kernenergie in der Schweiz" von Wikipedia findet sich kein Wort darüber. Wer über die Jahre hin die Entwicklung von Wikipedia kritisch beobachtet hat, wird sich hierüber nicht wundern.

Seit 1990 ist bekannt, daß der Kernmantel des AKW Mühleberg Risse aufweist. Deshalb wurden 1996 vier Zuganker eingebaut, die aber nur provisorischen Charakter haben. Zwischen 1999 und 2005 wuchsen die Risse an einer Scheißnaht von 1,4 auf 2,5 Meter Länge. Dies ist ein Viertel der gesamten Länge der Schweißnaht. Die Rißtiefe beträgt bis zu 90 Prozent der Wandstärke.

Nach dem Herunterfahren des Reaktors am 20. Dezember bleibt das AKW Mühleberg - auch offiziell - noch zehn Jahre lang eine Atomanlage. Zunächst sinkt die Temperatur im Atom-Reaktor innerhalb von rund sieben Stunden von 280 auf unter 100 Grad. Auch der Druck fällt ab. Am Folgetag ist der Prozeß abgeschlossen. Nach den Plänen der BKW beginnt der Abriß am 6. Januar 2020. Die rund 360 Brennstäbe bleiben zunächst noch drei Monate im Reaktor, damit die Strahlung teilweise abklingen kann. Ende März soll der Reaktordruckbehälter geöffnet werden, um die Brennelemente in das mit 850.000 Litern Wasser gefüllte Abklingbecken innerhalb des Reaktorgebäudes zu verlagern. Nach weiteren sechs Monaten sei die Strahlung und die Abwärme so weit gesunken, daß zur Kühlung des Abklingbeckens das betriebliche Kühlsystem vom Reaktor getrennt und aufs Becken gelegt wird. Weitere dreieinhalb Jahre - bis 2024 - kühlt der Brennstoff ab, dann wird er in CASTOR-Behältern ins sogenannte Zwischenlager Würenlingen transportiert. Damit sind 98 Prozent der Radioaktivität aus der Anlage entfernt – und der eigentliche Abriß beginnt.

Auch in der Schweiz gibt es - ebenso wie weltweit - kein sogenanntes Endlager für hochradioaktiven Müll. Die CASTOR-Behälter mit den Brennelementen des AKW Mühleberg stehen also auf unbestimmte Zeit oberirdisch in Würenlingen. Auch für den mittel- und schwachradioaktiven Atommüll gibt es bis heute keine sicheren Lagerungsmöglichkeiten.

Auch wenn es die Anti-Atom-Bewegung im Falle der Stilllegung des AKW Mühleberg keinen Grund zum Feiern gibt - gefeiert werden darf trotzdem.