Am heutigen Donnerstag, den 1. Dezember, besucht die neue Ministerin der Energie-Transition Agnès Pannier-Runacher das Atommüll-Endlagerprojekt CIGEO in Bure. Wenig überraschend wurde ein Teil der Anfragen auf Akkreditierung, unter anderem die von Radio Dreyeckland, kurzfristig abgelehnt. Der Standort war seit dem Morgengrauen von unzähligen Gendarmerie-Einheiten abgesichert worden, inklusive teilweise Straßensperren und Hubschraubereinsatz.
Die erst seit sechs Monaten im Amt befindliche LREM-Politikerin ist Tochter des ehemaligen Perenco-Geschäftsführes Jean-Michel Runacher, der ebenfalls Vizepräsident der Paris Bertrand Sturdza-Bank war. In ihrer Ausbildung zur französischen Politikelite lernte sie zahlreiche Persönlichkeiten kennen, wie etwa Alexis Kohler, dem Vorteilsnahmen im Zusammenhang mit der Reederei MSC vorgeworfen werden. Dieses Milieu scheint auch ihre politische Praxis inspiriert zu haben. Bereits Anfang November veröffentlichte die Investigativ-Plattform disclose.ngo, dass die Ministerin über die Firma Arjunem über eine Million Euro in Steuerparadiesen parkte. Die Firma gehört zwar ihrem Vater und ihren minderjährigen Kindern. Laut dem Antikorruptions-Verein Anticor hätte sie diese Implikation jedoch aus Transparenzgründe und wegen des Gesetzes zum Vertrauen im öffentlichen Leben offenlegen müssen.
Durch einen Artikel des Online-Portals mediapart.fr vom 30. November wurden weitere Unstimmigkeiten deutlich. Wohl auch um nicht den Eindruck zu erwecken, es gäbe so etwas wie eine Oligarchie in Frankreich, trennte sie sich im Mai offiziell von ihrem Mann und Finanzinspektor Marc Pannier, der Vorsitzender der Energiegruppe Engie Global Markets ist. Ihr neuer Partner Nicolas Bays, dem verschiedene sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden, soll trotz eindeutiger Gesetzgebung unangebrachten Einfluss auf das Geschehen im Ministerium seiner Frau nehmen. Bays ist seit kurzem bei der Rüstungsfirma Défense conseil international beschäftigt, die ebenfalls mit der Ölgruppe Perenco und der Energie-Beratungsgruppe EP2C zusammenhängt. Außerdem weist seine Biografie eine große politische Nähe zur Botschaft Katars und dem ehemaligen Personenschützer des Präsidenten Alexandre Benalla auf. Mediapart legte ebenfalls offen, dass die gemeinsame Residenz der beiden, eigentlich der Familie der Rüstungsfirma Dassault gehört, was Pannier-Runacher „nicht gewusst“ haben will.
Für die Ministerin, die das CIGEO-Labor zuvor noch nie besucht hat, handelt es sich laut Darstellung im gestrigen Interview mit der Zeitung JDHM um eine zukunftsweisendes Projekt, das „bis 2070“ eine „rückholbare Lösung“ für das Kernstück der französischen Energiepolitik bereithalten wird. Zwar entspricht diese Darstellung nicht den offiziellen Verkündungen der Regierung, weder was den Zeitplan noch was die Rückholbarkeit betrifft, doch die Ministerin ist ja noch nicht besonders lange mit der „zivilen“ Atomproblematik befasst. Das Endlager soll offiziell nach hundert Jahren und der Befüllung mit knapp 90.000 m³ mittel- und hoch radioaktiver Abfälle für alle Ewigkeit verschlossen werden. Auch wie die Frage der Übermittlung des Endagers gelöst werden soll, ist unklar. Seit über zwanzig Jahren weisen Umweltschutzorganisationen auf die Gefährlichkeit von CIGEO hin. Außerdem sind technische, ökologische und auch ökonomische Kriterien vollkommen ungeklärt. Vielleicht hat ja die neue Energie-Ministerin Antworten auf diese brennenden Fragen. An Kreativität und Mitteln dürfte es Pannier-Runacher angesichts der Finanzmontagen und gewachsenen Verbindungen mit der Öl- und Rüstungsindustrie jedenfalls nicht fehlen. Wie schade, dass die öffentliche Befragung durch die Presse am heutigen Tage kurzfristig abgesagt wurde.
(LS)