AFF-Stellungnahme 1999 Novelle

AFF-Stellungnahme 1999 Novelle

Sehr geehrter Herr Dr. Palmer,aus Sicht der AFF e.V. muß der vorliegende Entwurf zumindest in den §§ 18, 20 und 47 wesentliche Veränderungen erfahren, damit die nichtkommerziellen Rundfunkveranstalter angemessen berücksichtigt werden.

Diese Stellungnahme beschränkt sich hierbei auf das Wesentliche.

 

1)

a) § 18 Abs.2 Nr.4:

Es wird folgender Halbsatz nach Nr.4 ergänzt:

";dabei berücksichtigt die Landesanstalt auch die Nutzung von Übertragungseinrichtungen für Programmveranstaltungen nach § 20 Abs.1 Satz 2, 1. Halbsatz."

 

b) § 20 Abs.1 Satz 2:

Neu: "Die Landesanstalt weist auch hinreichend Übertragungskapazitäten für Programmveranstalter aus, die keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bezwecken  und rechtlich dafür Gewähr bieten, dass sie unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräften insbesondere durch Einräumung von Sendezeiten für selbstgestaltete Progammbeiträge Einfluß auf die Programmgestaltung gewähren, zumindest im Umfang der bisherigen Nutzungen; darüber hinaus kann die Landesanstalt weitere Übertragungskapazitäten zur Durchführung von Projekten nach § 16 (Pilotprojekte, Betriebsversuche)und zur Ermöglichung des Marktzuganges für neue, insbesondere lokale und regionale private Veranstalter und Anbieter ausweisen."

 

c) § 20 Abs. 1 Satz 3:

Neu: "Vor Ausweisungen von Übertragungskapazitäten und deren Veränderungen gibt die Landesanstalt allen gesetzlich bestimmten bzw. zugelassenen Veranstaltern und deren Verbänden die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme (Anhörungsverfahren)."

 

Begründung zu a) und b):

Im vorliegenden Referentenentwurf vom 08.02.99 sind die nichtkommerziellen Rundfunkanbieter nicht hinreichend berücksichtigt.

Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Meinungsvielfalt im Rundfunk, durch abwechslungsreiches Programm, das von vielen Einzelpersonen und gesellschaftlichen Gruppen meist ehrenamtlich gestaltet wird. Die demokratische Struktur der meisten nichtkommerziellen Anbieter bietet vielen Menschen und Gruppen die Möglichkeit, am Rundfunk zu partizipieren.

Dieser Beitrag zur Meinungsvielfalt und zur Partizipation am Rundfunk der hier lebenden Menschen wird um so wichtiger, je geringer die Anforderungen zur Meinungsvielfalt für die privat kommerziellen Anbieter werden.

Angesichts der zunehmenden Fülle von Programmen und Spartenprogrammen ist die durch Mitwirkung erworbene Medienkompetenzen von wachsender Bedeutung.

Daher müssen nichtkommerzielle Veranstalter vor Projekten nach § 16 und vor der Ermöglichung des Marktzuganges für neue kommerzieller Veranstalter und Anbieter genannt werden.

 

Der Referentenentwurf läßt eine Erhöhung der Anzahl der privatkommerziellen Standorte zu und sieht die Einführung eines privaten landesweiten Jugendsenders vor. Dafür müßten weitere Übertragungskapazitäten bereitgestellt werden. Um sicher zu stellen, daß diese Ausweitung nicht auf Kosten der bisher ausgewiesenen nichtkommerziellen Standorte geht, muß der Teilsatz "zumindest im Umfang der bisherigen Nutzungen" eingefügt werden.

 

Wir weisen darauf hin, daß die Einführung eines Jugendsenders, der ein Zielgruppen-Sender ist, nur dann verfassungskonform realisierbar ist, wenn zugleich der Bestandsschutz und die Entwicklungsfähigkeit der nichtkommerziellen Veranstalter gewährleistet wird. Dies ist durch das Einräumen eines ungebundenen Ermessens der Landesanstalt für Kommunikation nicht gegeben.

 

Begründung zu c):

Der Referentenentwurf schafft die im demokratischen Rechtsstaat gebotene und nach alter Rechtslage gegebene Informations- und Beteiligungspflicht der Beteiligten bei der Nutzungsplanung unbegründet ab. Im Mindestumfang soll eine schriftliche Informationspflicht und ein schriftliches Anhörungsverfahren beibehalten werden.

 

 

2)

§ 47 Abs.1 Satz 3

Neu: "Dabei soll zur Förderung der nichtkommerziellen Veranstaltung von lokalem und regionalem Rundfunk zusätzlich zur Förderung der Sende-und Leitungskosten mindestens 15 von Hundert der der Landesanstalt nach Satz 1 zustehenden Mittel verwendet werden."

 

Begründung:

Der Referentenentwurf übernimmt die Förderregelung der Änderung zum Zustimmungsgesetz zum Rundfunkstaatsvertrag vom 01.01.96. Diese Regelung kritisieren wir seit ihres Bestehens. Sie gibt keine Gewähr für eine verläßliche Grundförderung, und der Etat ist begrenzt. In den Bundesländern Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind die nichtkommerziellen Veranstalter weit besser gestellt. Die Bezuschussung reicht bis zu 640.000 DM pro Jahr und Standort (Niedersachsen). In Nordrhein-Westfalen erhält der Bürgerfunk 15 % der Mittel, die der dortigen Medienanstalt zur Verfügung stehen.

Eine Angleichung an die Förderung der anderen Bundesländer ist geboten. In der Präambel des Rundfunkstaatsvertrags wird dies von den Landesmedienanstalten auch verlangt: "Den Landesmedienanstalten obliegt es, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung privater Veranstalter (...) verstärkt zusammenzuarbeiten." Es muß in diesem Fall auf das höhere Niveau angeglichen werden. Bisher standen in Baden-Württemberg maximal 92.500,- DM pro Jahr und nichtkommerziellen Standort zur Verfügung, obwohl die Landesanstalt für Kommunikation schon 1995 von einem Bedarf von 135.000,- DM je Standort (ohne zusätzliche Investitionskostenförderung und ohne Sende- und Leitungskosten) ausgegangen ist (vgl. schriftliche Stellungnahme des Präsidenten der LfK an den Ständigen Ausschuß des Landtages vom 07.07.95, S.6).

Die Deckelung in § 3 Abs. 1 Satz 3 Zustimmungsgesetz zum Rundfunkstaatsvertrag und im Referentenentwurf auf 10% der Mittel, die der Landesanstalt zur Verfügung stehen, und die Nichtverpflichtung diesen Betrag auszuschöpfen, führen zu erheblichen Unsicherheiten bei den nichtkommerziellen Veranstaltern, besonders wenn neue nichtkommerzielle Veranstalter hinzukommen.

Die Aufhebung des ungebundenen Ermessens der Landesanstalt für Kommunikation schafft die Voraussetzung, daß auch nichtkommerzielle Veranstalter in einen fairen publizitischen Wettbewerb eintreten können. Die Erhöhung auf mindestens 15 % und die Aufhebung der Deckelung ist nötig, damit erstens die Kosten für die fachlich angemessene Betreuung eigengestalteter Sendungen gesellschaftlicher Gruppen gewährleistet werden kann und zweitens weitere nichtkommerzielle Programmveranstalter, die im Interesse der Meinungsvielfalt nötig sind, zugelassen werden können, besonders im Rhein-Neckar-Raum.

Der Teilsatz "zusätzlich zur Förderung der Sende- und Leitungskosten" muß eingefügt werden, damit klargestellt wird, daß mit den Geldern nur die Veranstaltung selber und nicht auch die Übertragung gefördert wird. Ersatzweise kann auch in das Landesmediengesetz eingefügt werden, daß die Telekom die Sender und Leitungen für nichtkommerzielle Anbieter kostenfrei zur Verfügung stellt. Dies wurde schon in der Denkschrift des Landesrechnungshofs Baden-Württemberg 1995 (S. 28, Ziffer 3.4 ff) angeregt.

 

 

3) Im vierten Abschnitt "Meinungsvielfalt" werden als vielfaltsichernde Maßnahmen die Einräumung von Sendezeit für unabhängige Dritte oder die Einrichtung eines Programmbeirates vorgeschlagen.

Wir regen, an bei Einrichtung von Fensterprogrammen nichtkommerzielle Veranstalter vorrangig zu berücksichtigen.

Wenn Veranstalter hingegen Programmbeiräte einrichten, sollte den Programmbeiräten die Möglichkeit gegeben sein, vom Veranstalter zu verlangen, Sendezeit für eigengestaltete Beiträge dritter zur Verfügung zu stellen.

 

 

 

Dieses Schreiben wird auch an die Landesanstalt für Kommunikation geschickt mit Bitte um Weiterleitung an den Vorstand und den Medienrat. Zudem erhalten dieses Schreiben auch die medienpolitischen SprecherInnen der Landtags-Fraktionen von CDU, FDP, SPD und Grüne.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

                                   Timo Stadler