AFF zu LMediengesetznovelle 2002

AFF zu LMediengesetznovelle 2002

 

Sehr geehrter Herr Dr. Palmer,

hiermit nehmen wir, der Landesverband der Freien Radios (AFF), Stellung zur vorgesehenen Änderung des Landesmediengesetzes. Wir beschränken uns dabei auf die für nichtkommerzielle Veranstalter wesentlichen Teile.

 

1.) Zu Artikel 1 Nr. 3 und Nr. 4 c): Einfügung von ”Lernradios”:

In diesem Zusammenhang erneuern wir unseren Vorschlag, den wir bereits zur Novellierung des Landesmedienesetzes 1999 zu § 20 Abs. 1 Satz 2 gemacht haben.

Dieser Abschnitt sollte folgende Fassung erhalten:

"Die Landesanstalt weist auch hinreichend Übertragungskapazitäten für Programmveranstalter aus, die keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bezwecken  und rechtlich dafür Gewähr bieten, dass sie unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräften insbesondere durch Einräumung von Sendezeiten für selbstgestaltete Progammbeiträge Einfluß auf die Programmgestaltung gewähren, zumindest im Umfang der bisherigen Nutzungen; darüber hinaus kann die Landesanstalt weitere Übertragungskapazitäten zur Durchführung von Projekten nach § 16 (Pilotprojekte, Betriebsversuche)und zur Ermöglichung des Marktzuganges für neue, insbesondere lokale und regionale private Veranstalter und Anbieter ausweisen."

 

Begründung:

Bisher sind die nichtkommerziellen Rundfunkanbieter im Landesmediengesetz nicht hinreichend berücksichtigt.

Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Meinungsvielfalt im Rundfunk, durch abwechslungsreiches Programm, das von vielen Einzelpersonen und gesellschaftlichen Gruppen meist ehrenamtlich gestaltet wird. Die demokratische Struktur der meisten nichtkommerziellen Anbieter bietet vielen Menschen und Gruppen die Möglichkeit, am Rundfunk zu partizipieren und damit das ihnen vom Grundgesetz garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung im Rundfunk zu praktizieren.

Neben diesem wichtigen publizistischen Beitrag der Freien Radios in der baden-württembergischen Rundfunklandschaft wird hier auch Medienkompetenz an viele BürgerInnen vermittelt.

Daher müssen nichtkommerzielle Veranstalter vor Projekten nach § 16 und vor der Ermöglichung des Marktzuganges für neue kommerzieller Veranstalter und Anbieter genannt werden.

Um sicher zu stellen, dass dieser wichtige Beitrag zur Meinungsvielfalt nicht durch eine Verringerung der Übertragungkapazität bei nichtkommerziellen Veranstaltern gefährdet wird, muß der Teilsatz "zumindest im Umfang der bisherigen Nutzungen" eingefügt werden.

 

Die Einführung von ”Verbreitung von Rundfunk und Mediendiensten zur Förderung der Medienkompetenz einschließlich entsprechender Aus- und Fortbildung im Medienbereich” lehnen wir ab; dem entsprechend auch die Einfügung eines weiteren Satzes in § 21 Abs. 5.

Dies steht im Zusammenhang mit Nummer 5 in Abs. 1 des § 13, die in der Novellierung 1999 einführt wurde. Hier wurde Hochschulen die Lizenzfähigkeit zuerkannt. Diesen Gesetzesteil lehnen wir ebenfalls ab.

 

Nach der Begründung zur Gesetzesänderung geht es um die Absicherung der Lernradios. Lernradios sollen primär der Aus- und Fortbildung dienen, was auch aus der Begründung ersichtlich wird. Die Aufgabe des Rundfunks ist aber, nach Art. 5 Abs. 1 GG die Meinungsfreiheit zu sichern, daher legte das Bundesverfassungsgericht fest, dass jede Indienstnahme des Rundfunks für außerpublizistische Zwecke unterbleiben muß. (E 87, 181 S. 201) Die Zulassung eines Veranstalters, dessen primäres Ziel es ist, Aus- und Fortbildung zu machen, ist also nicht zulässig.

 

Der einzige Veranstalter, der sich in Baden-Württemberg nach Eigenwerbung als Lernradio versteht, ist die AG Lernradio am Standort Karlsruhe. Sie ist formal ein Veranstalter. Faktisch handelt es sich aber um zwei Veranstalter mit jeweils eigener Verwaltungsstruktur und eigenem Studio. Auch in den "Hörfunk-Listen" der Landesanstalt für Kommunikation werden Radio aus Bruchsal und das Lernradio der Musikhochschule einzeln aufgeführt.

Hinzu kommt das Uniradio in Tübingen, das sich aber nach Eigenwerbung nicht explizit als Lernradio sehen.

Es sind also zwei Hochschulen als Lizenznehmer anzusehen.

Hochschulen sind juristische Personen des öffentlichen Rechts. Nach Meinung des Bundesverfassungsgerichtes sind juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich von der Zulassung ausgeschlossen: “... so ist auch dies eine Konsequenz der Staatsfreiheit des Rundfunks, gegen die nichts zu erinnern ist. Etwas anderes könnten nur für öffentlich-rechtliche Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften gelten, die selbst frei von staatlichem Einfluß sind und denen Rechte gegenüber dem Staat zustehen(...); ob eine Ausnahme auch zugunsten ähnlicher Einrichtungen geboten sein könnte, muß einer Prüfung im konkreten Einzelfall vorbehalten bleiben” (Bundesverfassungsgericht E73, 118 I, Seite 191).

Der Unterschied zwischen Hochschulen und Religionsgemeinschaften zeigt sich besonders bei der Finanzierung. Religionsgemeinschaften erhalten ihre Einnahmen aus einer besonderen Steuer, die ihnen direkt zufließt. Hochschulen werden aus dem allgemeinen Steueretat bezahlt, über den der Gesetzgeber bestimmt. Hochschulen sind damit mittelbar vom Staat beeinflußt, auch wenn sie bestimmte Selbstverwaltungsrechte haben. Das Bundesverfassungsgericht betonte schon mehrmals, daß unmittelbarer und mittelbarer staatlicher Einfluß auf den Rundfunk auszuschließen ist. (vgl. BverfG E 73, 118 I; E 88, 25; E 90, 60 I)

Im Fall der staatlichen Hochschule für Musik Karlsruhe ist die Einflußnahmemöglichkeit aber noch gravierender. Hier ist die Erstellung des Rundfunkprogramms an den Aufbaustudiengang "MusikredakteurIn" gekoppelt. Nach § 27 Abs. 3 Satz 2 Kunsthochschulgesetz Baden-Württemberg werden die Voraussetzungen für die Zulassung und den Abschluß bei solchen Studiengängen durch Rechtsverordnung des Wissenschaftsministeriums geregelt. Dies geht über die gesetzliche Regelung für Studiengänge hinaus, denn bei der Einrichtung, Änderung oder Aufhebung von “normalen” Studiengängen bedarf es lediglich der Zustimmung des Wissenschafts­ministerium (§ 22 Abs. 1 Satz 1), was bereits als Einflußnahme­möglichkeit gesehen werden kann.

Das Selbstverwaltungsrecht ist bei Aufbaustudiengängen wie MusikredakteurIn also stark eingeschränkt.

 

Im Fall der Beibehaltung des § 13 Abs. 5. Nr. 5 und der Einführung der Lernradios in §§ 20 und 21 wird ein Gang zum Bundesverfassungsgericht unumgänglich.

 

2.) Zu Artikel 1 Nr. 4 a): Splitting

Splitting von nichtkommerziellen Frequenzen kann den Veranstaltern unter Umständen Vorteile bringen. Es kann aber finanziell auch sehr ungünstig sein. Wie die Vergangenheit gezeigt hat (besonders am Standort Karlsruhe), kann bei Splitting von sehr unterschiedlichen Veranstaltern keiner sein Sendekonzept nach außen hin hinreichend vermitteln, weil die HörInnen nicht zwischen den einzelnen Veranstaltern auf einer Frequenz differenzieren können. Die Vermittlung des Programmkonzeptes ist aber für einen mitgliederfinanzierten Geschäftsbetrieb notwendig, damit eine wirtschaftlich tragfähige Veranstaltung möglich ist.

Ein Splitting kann also besonders diejenigen nichtkommerziellen Veranstalter treffen, die ihre Finanzierung aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden beziehen, wie dies bei der Einführung von NKL vorgesehen war. (Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 10/5420 S. 60 f.)

Daher sollte ein Splitting bei nichtkommerziellen Frequenzen nur in Einverständnis der potentiellen Veranstalter erfolgen.

Es sollte also in § 21 Abs. 2 der Satz angefügt werden:

"Splitting von Frequenzen für nichtkommerzielle Veranstaltung ist nur im Einvernehmen der potentiellen Veranstalter möglich."

 

 

Abschließend bleibt festzustellen, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für Freie Radios in Baden-Württemberg seit der Einführung von nichtkommerziellen Veranstaltern in das Landesmediengesetz kontinuierlich verschlechtert haben.

Die Freien Radios leisten aber durch sehr viel unbezahlten Engagement einen wichtigen Beitrag zur Meinungsvielfalt in der Rundfunklandschaft.

Die Verschlechterung der Rahmenbedingungen für diese ehrenamtliche Tätigkeit steht im krassen Gegensatz zur Förderung des Ehrenamtes, das PolitikerInnen aller Parteien propagieren.

 

 

Dieses Schreiben wird auch an die Landesanstalt für Kommunikation geschickt mit Bitte um Weiterleitung an den Vorstand und den Medienrat. Zudem erhalten dieses Schreiben auch die medienpolitischen SprecherInnen der Landtags-Fraktionen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

 

 

                                   Timo Stadler