AFF/RDL zur Mediengesetznovelle 1994/5

AFF/RDL zur Mediengesetznovelle 1994/5

 

 

An das
Staatsministerium
Herrn Staatsskretär Dr. Menz
Richard-Wagner-Str. 15

D-70184 Stuttgart

Freiburg, 15.3.94

Sehr geehrter Dr. Menz,
für ihr Schreiben vom 28.2.94 bedanken wir uns.

Wir begrüßen es, dass der
Unsere Vorschläge finden Sie in der Anlage
Mit freundlichen Grüssen

K.- Michael Menzel
(i.A. SprecherInnenrat)


A. Allgemeines


1. Ausgangssituation

Das baden-württembergische Landesmediengesetz (LMedienG) nennt seit seiner ersten Verabschiedung im Unterschied und Gegensatz zu einer Vielzahl der Mediengesetze der Länder im Katalog der als öffentliche Aufgabe zu gewährleistenden Meinnungs- und Kulturvielfaltsdimensionen, das
Recht von Personen wie von gesellschaftlichen Kräften sich in eigenen Sendungen oder Programmbeiträgen im privaten Rundfunk zu Wort zu melden
wie auch die Gewährleistung der kulturellen Vielfalt (§ 15 Abs 2, Nr.2 und 4 LMedienG).

Im Gegensatz zu diesen gesetzlichen Programmnormen hat in der gesellschaftlichen Realit„t des privatrechtlichen Rundfunks im Lande diese Dimension der Meinungs- und Kulturvielfalt jedoch aus verschiedenen Gründen kaum eine Rolle gespielt (vgl. auch Bericht der LfK an die Landeregierung 1989 und Bericht der Landesregierung zum Privaten Hörfunk 1990, Drs. 11/3191 - Antwort zu Frage 1, S.4, 3.Abs.).

Während in anderen Bundesländern trotz einer fehlenden Aufnahme in die Gewährleistungsdimension der Meinungs- und Kulturvielfalt ansatzweise die gesellschaftlichen Kräfte im privaten Hörfunk mit eigenen Sendungen und Programmen mittlerweile zunehmend zu Wort kommen - z.B. Nordrhein-Westfalen: 15%-Gruppensendungen, offene Hörfunkkanäle z.B. in Hamburg, Kiel usw. - ist in Baden-Württemberg auch 2 Jahre nach Inkraftreten des novellierten LMedienG die Situation mehr als defizitär:

- Neben Radio Dreyeckland in Freiburg, das als nicht-kommerzieller Veranstalter von seinen Programmgrundsätzen und seiner Satzung her, einen offenen Zugang für regionale gesellschaftliche Kräfte eröffnet - eine Möglichkeit, die von über 150 Gruppen und Organisationen, sowie in zahlreichen fremdsprachlichen Sendungen auch wahrgenommen wurde;

- sind im Wege vergangener Lizensierung incl. Auflage nur
- - die katholische und evangelische Kirche, sowie Mediavision und die die Gemeinschaft der Siebenten Tags Adventisten mit ihren religi”sen Auffassun§gen im privat rechtlichen Rundfunk vertreten
- - und aus dem Kreis der gesellschaftlichen Kräfte gerade ein Gewerbeverein und ein Veranstalter eines griechischen Programmes zum Zuge gekommen (vgl. auch Drs.11/3191 a.a.O.);

- die gesetzlich vorgesehene Abschaffung des Frequenzsplittings hat zu dem auch den Kreis der Spartenanbieter reduziert;

- das regionale Musik- und Kulturszenen eine nennswerte Ausdrucksm”glichkeit �ber eigengestaltete Sendungen und Programme haben, ist nicht erkennbar.



2. Neuordnung und Programmveranstaltungen nach § 27 Abs.2.

2.1.

Die aus ökonomischen Gründen gesetzlich angeordnete Konzentration der Programmveranstaltungen beim werbefinanzierten Hörfunk auf (jetzt) 3 Bereichs- und 15 Lokalveranstalter führt nicht nur durch Reduktion der Anbieterzahl zu einer Einschränkung von quantitativer Meinungs- und Kulturvielfalt.

- Die Ausdehnung der Verbreitungsgebiete auch im sog. Lokalbereich - richtiger subregionale Versorgungsbereiche - macht für privat-kommerzielle Veranstalter den Einbezug insbesondere lokal orientierter Kräfte zusätzlich unaktraktiver;

- die dennoch geringe, gesetzlich vorgeschriebene Eigen-Produktionsquote von 20 % - zum Vergleich: in NRW besteht ein Zugangsrecht bei Lokalveranstalt-ungen allein für die örtlich nicht-lizensierten gesellschaftlichen Kräfte in Höhe von 15 % - wird kaum dazu anregen, den Trend zur šbernahme von Mantelpro-grammen zu brechen. Dies heißt u.a. aber auch gerade den Ausschluß des Zugangs von regionalen gesellschaftlichen Kräften in eigenen Sendungen und Programmen;

- dies alles ohnehin vor dem Hintergrund der medienwissenschaftlich wie -praktisch erh„rteten Tatsache, daá das Prinzip der Werbefinanzierung mit ins§besondere dieser Gewährleistungsdimension der Meinungs- und Kulturvielfalt hochgradig konfliktorisch ist (vgl. auch Bericht der LfK an die Landesregierung, 1989)



2.2. Programmveranstaltung nach § 27 Abs.2.

Im Zuge der Novellierung 1991 wurde zusätzlich die Möglichkeit der Institutionalisierung nicht-erwerbswirtschaftlichen Hörfunks (NKH) auf eigenen Frequenzen eröffnet - § 27 Abs.2 LMedienG.

Das jedoch selbst 2 1/4 Jahre nach Inkraftreten des novellierten LMedienG nicht absehbar ist (vgl. Beantwortung Antrag 11/2928, zu Frage 1, S.2 und 11/3191 zu Frage 2, S.6), wie und wann diese Konkretisierung der Gew„hrleistungszielsetzung aus § 15 Abs.2 Nr.2 und 4 LMedienG in die gesellschaftliche Realität des privaten Hörfunks umgesetzt wird, hat u.E. zumindest drei Ursachen:

- unklare gesetzliche Strukturierung

- Planungs- und Vollzugsdefizite auf Seiten der LfK bei Umsetzung des gesetzlichen Auftrages

- mangelnde gesetzliche Ermächtigung für Fördermaßnahmen durch die LfK


2.2.1. a)
- Die Ermessensgestaltung in § 27 Abs.2 in Verbindung mit der Nachrangigkeit der Frequenzzuweisung für nicht-kommerziellen Programmveranstaltungen nach § 7 Abs.2 Nr.5 hat insbesondere im Gesetzesvollzug dazugeführt, daß bei den Planungen nach § 20 Abs.2 die Zuordnung von Übertragungseinrichtungen zu den kommerziellen Verbreitungsgebieten teilweise nach dem Prinzip mit "Kanonen auf Spatzen schießen" erfolgte (z.B. Ortenau).

- Die Stuttgarter Entscheidung - Ausschreibung einer dritten kommerziellen Ebene, trotz Vorrangigkeit einer nicht-kommerziellen Veranstaltung - führt gleichfalls zu einer künstlichen Frequenzverknappung.

- Andererseits wurden von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten absehbar ungenutze Frequenzen nicht zurückgeordnet (z.B. Tübingen/Albstadt: SWF). Eine Abwägung zwischen der Frequenzzuordnung für nicht Grundversorgungsprogramme der öffentlich-rechtlichen und nicht-kommerziellen Veranstalter - § 7 Abs.2 Nr 4 und 5 - ist nicht erkennbar.

- Verschärft wird die Frequenzzuordnungsproblematik durch die kaum rechtsstaatlichen Kriterien entsprechende Vorgehensweise der LfK, Ausschreibungen auf Grundlage einer nicht geänderten Novellierung der Nutzungsplanverordnung vorzunehmen, die u.a. auch eine Anpassung des NPL an die geä„nderten gesetzlichen Kriterien umfassen müßte.


b) Die Programmveranstaltungen nach § 27 Abs.2 sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die öffentliche Aufgabe aus § 15 Abs.2 Nr.2 und 4 dadurch wahrnehmen, dass sie rechtlich dafür Gewähr übernehmen - insbesondere durch Einräumung von Sendezeit -, daß die gesellschaflichen Kräfte durch eigene Sendungen und Programme zu Wort kommen.

D.h. mit anderen Worten aber auch, daá gerade der Veranstaltertypus, derweil gerade nicht-erwerbswirtschaftlich orientiert, zudem behindert durch einen verspäteten Marktzutritt, in organisatorischer wie vor allem finanzieller Hinsicht am schwächsten ausgestattet sein wird, mit einem zusätzlichen Kriterium bei der Zulassung "behindert" ist.

Bleibt es bei den gegenwärtigen Rahmenbedingungen, wird diesen Veranstaltern nichts anderes übrigbleiben, als entweder im Rahmen ihrer Satzungen und ihrer Programmgrundsätze oder durch Ausweisungen von freien Sendeplätzen im Rahmen des Programmschemas der "rechtlichen Gewähr" genüge zu tun.

Damit ist aber noch keine Sendesekunde geschweige denn Programme der lokalen und regionalen gesellschaftlichen und kulturellen Kräfte real gesichert.

Alle Erfahrung beweist, daß ohne organisatorische, personelle und finanzielle Anstrengungen - und d.h. insbesondere auch ein Zugehen auf die gesellschaftlichen Kr„fte -, die Gewährleistungsdimension aus § 15 Abs.2 Nr.2 und 4 erneut Gefahr läuft in der gesellschaftlichen Realität leerzulaufen.



2.2.2. Vollzugsdefizite auf Seiten der LfK

Als hemmender Faktor bei der Institutionalisierung nicht-kommerzieller Hörfunkveranstaltungen nach § 27 Abs.2 erweist sich auch die Landesanstalt für Kommunikation.

Obschon seit dem Inkrafttreten vor 2 1/4 Jahren mehrfach seitens sowohl des existenten NKH-Veranstalters Radio Dreyeckland als auch durch die AFF e.V. mündlich wie schriftlich auf die Problemlagen wie die Handlungsmöglichkeiten der LfK hingewiesen wurde, spielt die in Frage stehende Dimension der Meinungs- und Kulturvielfalt spätestens seit Sommer 1992 in den Überlegungungen der LfK eine absolut nachrrangige Rolle:

- trotz vielfältig konkreter Vorschläge zur Frequenzplanung fanden diese keinen Eingang in die Überlegungen der LfK - in Ermangelung schriftlicher Eingangsbestätigungen ist nicht einmal erkennnbar, ob diese Vorschläge den Gremien der LfK im Rahmen ihrer Ermessensentscheidungen überhaupt bekannt gemacht wurden

- selbst Anträge auf freie Frequenzen, die nicht für die anderen Ebenen der Programmveranstaltungen benötigt werden und im Rahmen der Übergangsbestimmungen zugeordnet werden könnten, erhielten weder Eingangsbestätigungen geschweige denn Entscheidungen: trauriger Höhepunkt in dieser Hinsicht ist ein 3 Jahre alter Antrag von RDL auf eine Frequenz in der Ortenau (Lahr)

- stattdessen wurde nicht nur der Zugang zu planungsrelevanten Daten unverhältnismäßig verkürzt, gravierender ist die Ermangelung eines den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Anhörungsverfahrens zur Anpassung des Nutzungsplanes

-insgesamt führen diese Planungs-Praktiken der LfK zu einer erheblichen Planungsunsicherheit - insbesondere in Stuttgart, Mannheim-Heidelberg und Lörrach - wie zu einem Leerlaufen des rechtlichen Schutzes der nicht-kommerziellen Veranstalter

- sämtliche Vorschl„ge auf sachangemessene Maánahmen im Rahmen der Planungs- und Zulassungsaufgaben der LfK - z.B. auf Durchführung eines Multiplikatorenprogrammes für potentiell an nicht-kommerziellen Hörfunk interessierte gesellschaftliche Kräfte und Veranstalter wurden schlicht ignoriert bzw. mündlich abschlägig beschieden

- der Rückgriff auf gemachte Erfahrungen in diesem Sektor der Programmveranstaltungen wurde - garniert mit beleidigenden Äußerungen - verweigert

- Resultat dieser Ignoranz ist, daß gerade einmal 2 Monate (!) vor Ablauf der Ausschreibefrist, die LfK sich zu dürftigen Informationsveranstaltungen in den ausgeschriebenen Verbreitungsgebieten bequemte und die Auschreibung um 2 Monate verlängert werden mußte.



2.2.3. Rechtliche Ermächtigung für Fördermaßnahmen

Ein nicht unwichtiger Faktor, der die Einführung nicht-kommerziellen Hörfunks in Baden-Württemberg behindert, ist in der mangelnden ausdrücklichen rechtlichen Ermächtigung der LfK zur auch finanziellen Förderung von Einzelmaßnahmen bei den gesellschaftlichen Kräften nach § 15 Abs.2 Nr.2 wie auch im Rahmen von § 27 Abs.2 zu sehen.

Dies ist - im Interesse der Meinungs- und Kulturvielfalt - umso unverständlicher als in § 3 des Zustimmungsgesetzes mit bis zu 70% für die technische Infrastrukturförderung ausgegeben werden sollen. Mittel die sachwidrig von der Telekom zur Subventionierung ihrer Aufgaben und zudem - in der konkreten Verwendung durch die LfK - die reichenweitenstärksten privaten Veranstalter überproportional begünstigt haben.



B. Förderungsnotwendigkeit

Sämtliche Erfahrungen seit Einführung des privaten Hörfunks nicht nur in Baden-Württemberg belegen nachhaltig, daß die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe -Gewährleistung der Meinungs- und Kulturvielfalt in der Dimension eigengestalteter Sendungen und Programme der gesellschaftlichen Kräfte und Berücksichtigung der kulturellen Vielfalt - ohne finanzielle und organisatorische Förderung nicht erreichbar ist.

In Baden-Württemberg heißt das aber auch, dass neben Fördermaßnahmen deren direkte Adressaten die gesellschaftlichen Kräfte sind (Ansätze dazu liefert das medienpraktisch Programm der LfK), die Programmveranstaltungen nach § 27 Abs.2 insbesondere bei Erfüllung ihrer gesetzlich vorgesehenen Aufgabe, die Wahrnehmung freier Sendezeiten durch die gesellschaftlichen Kräfte zu realisieren, finanziell unterstützt werden.

Die finanziellen Resourcen in Form der ungenutzen Anteile am 2%-Gebührenaufkommen aus dem Rundfunkstaatsvertrag sind auch in hinreichendem Umfang vorhanden.


1. Technische Infrastrukturförderung

1.1.
In den vergangenen Jahren wurden die Sender- und Leitungsgebühren der DBP Telekom aller privaten Hörfunkveranstalter durch die LfK als technische Infrastrukturförderung i.S. §29 RFStV in zehnfacher Millionen-DM-Höhe übernommen. Zusätzlich wurde für die Umrüstung von Senderstandorten - z.B Heidelberg und Bad Mer§gentheim - Rückstellungen in Millionenhöhe im Haushalt der LfK vorgenommen.

Bei Verabschiedung des Haushalt 1994 haben die Gremien der LfK beschlossen, diese Subvention der monopolpreisartigen Gebühren der Telekom und insbesondere der leistungsstärksten privaten Rundfunkveranstalter zum 30.9.94 auslaufen zu lassen.

Die Möglichkeit zur technischen Infrastrukturförderung nach dem Rundfunkstaatsvertrag läuft überdies am 31.12.95 aus.


1.2.

Zwar halten wir das Auslaufen der auch wettbewerbsverzerrenden pauschalen Gebührenübernahme im Grundsatz für richtig.

Andererseits soll gerade der nicht-kommerzielle Hörfunk (NKH) die öffentliche Aufgabe aus § 15 Abs.2 Nr.2 erfüllen in dem er rechtlich die Gewähr für die gesellschaftlichen Kräfte auf eigene Sendungen und Programme erfüllt. Die Übernahme der Post- und Leitungsgebühren hätte also gerade beim NKH einen sinnvollen Anknüpfungsgrund.

Durch die gegenw„rtig Beschluálage der Gremien der LfK entsteht nun allerdings die aberwitzige Situation, daá just in dem Augenblick wo die Neu-Einfführung des nicht-erwerbswirtschaftlichen Hörfunks ansteht, dieser gegenüber etablierten Veranstaltern ohnehin in der Finanzaustattung schwächere Veranstaltertypus in seiner Finanzplanung - und damit auch als hartes Lizenzierungskriterium "finanzielle Voraussetzungen" die gerade von der Telekom um 20% erhöhten Gebühren übernehmen soll. Dies kommt einer Strangulierung und damit einer Einführungsverhinderung des NKH gleich.


U.E. bieten sich zwei Lösungsmöglichkeiten an:

a) Gesetzlich: Wie in anderen Bundesländern - hinsichtlich der offenen Kanäle -wird im LMedienG die DBP Telekom gesetzlich verpflichtet Sender und Leitungsgebühren für Programmveranstaltungen nach § 27 Abs.2 kostenlos zur Verfügung zu stellen.

b) Bei Überprüfung ihres Beschlußes, verwendet die LfK die Resthaushaltstitel aus der technischen Infrastrukturförderung des Jahre 1994 (ca. 1/4) und teilweise aus 1995 um eine Sendebetriebsgesellschaft für die nicht-kommerziellen Frequenzen zu gründen. Entweder alleine oder in Zusammenarbeit mit den NKH-Veranstaltern werden dann die Sender und Leitungen für die § 27 Abs.2 Programmveranstaltungen durch die LfK betrieben.

Dieses Modell wäre u.E. auf lange Sicht auch wirtschaftlicher als eine Rückstellung für Gebühren für DBP Telekom für NKH-Programmveranstaltungen. Nach dem FAG (§2) wäre das BAPT angesichts der Monopolpreisbildung bei der DBP Telekom auch gehalten, den Eigensendebetrieb durch die LfK zu genehmigen. (In diesem Zusammenhang verweisen wir auch auf das Urteil des BVerfG aus dem Jahre 1961 und dem dort statuierten Grundsatz der dienenden Rolle der Telekom im Verhältnis zur Rundfunkveranstaltung.)

Sender könnten u.a. kostengünstig von den abziehenden Gaststreitkräften zum einen und zum anderen auf dem europäischen Markt - seit Änderung der Zulassungsanerkennung 1992 - erworben werden.


2. Erschliessung eines qualifizierten Medienzuganges (§ 15 Abs.2 Nr.2 und 4 i.V.m. § 27 Abs.2)

Wie oben unter A.2.2.1. b) schon ausgeführt, erfordert die Umsetzung der Mei§nungs- und Kulturvielfaltsdimension aus § 15 Abs.2 Nr.2 und 4 wie auch ihre Institutionalisierung in den Formen von § 27 Abs.2 einer auch finanziellen Förderung aus dem Rundfunkgebührenaufkommen - dem sog. 2%-Anteil.

a) Erste Ansätze liefert das medienpraktisch Programm der LfK, das die gesellschaftlichen Kräfte als unmittelbare Adressaten hat (vgl. auch Kutteroff/ Dieterle 1993 in: DLM Jahrbuch, S.123ff).

Sowohl was den gesellschaftlichen Bedarf angeht, als auch was die Systematik, die Adressaten, die gegenständliche Vielfalt wie aber auch hinsichtlich der fi§nanziellen Voraussetzungen sollte diese Zugangsermöglichung i.S. von § 15 Abs.2 Nr.2 und 4 auch auf rechtlich gesichertere Beine gestellt werden.

Diese Förder-Programmebene ist insbesondere geeignet, dort Zugangsmöglichkeiten im privat-kommerziellen Hörfunk zu erschließen, wo Programmveranstaltungen nach § 27 Abs.2 nicht geplant und möglich sind.


b) Zugleich müßten zusätzlich die rechtlichen Voraussetzungen für Fördermaßnahmen zur Absicherung eines qualifizierten Medienzuganges im Rahmen der Programmveranstaltungen nach
§ 27 Abs.2 geschaffen werden.

Bei bisher sechs (6) ausgeschriebenen Verbreitungsgebieten und weiteren drei (3) zu erwartenden (Stuttgart, Mannheim-Heidelberg, Lörrach) wäre hier am systematischsten und beinah bevölkerungs- und flächendeckend ein im Interesse der Meinungs- und Kulturvielfalt zu fördernder qualifizierter Medienzugang i.S. von § 15 Abs.2 Nr.2 und 4 zu erwarten.

Die Ermöglichung eines qualifizierten Medienzuganges für die gesellschaftlichen Kräfte durch eigene Sendungen und Programme ist nach aller Erfahrung auch perssonalintensiv. Sowohl die Ansprache nicht hochgradig verbandsmäßig organsierter gesellschaftlicher Kräfte, die Beratung, die Qualifizierung wie die Hilfestellung bei der Umsetzung eigener Sendevorstellungen erfordert die zur Verfügungstellung qualifizierten Personals.

Sie erfordert zudem die Zurverfügungstellung hinreichender Studiokapazitäten, die Bereitstellung von Ausleihgeräten und die technischen Möglichkeiten zur Realisierung adäquater Aufzeichnungs- und Übertragungsmöglichkeiten von Veranstaltungen (insbesondere kultureller und musikalischer Veranstaltungen).

Selbst bei Unterstellung, daá es den leistungsfähigeren NKH-Veranstaltern möglich sein wird, in den Verbreitungsgebieten 1-2 % der HörerInnen auch zur finanziellen Unterstützung ihres Programmes zu gewinnen (Erfahrungen von Radio Dreyeckland), bleiben die finanziellen Resourcen derart beschränkt, daß sie zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Realisierung eines systematischen wie qualifizierten Medienzuganges nicht hinreichen werden. In ländlich geprägten Verbreitungsgebieten ist dies erst recht illusorisch.

Da zudem die NKH-Veranstalter mit der Übernahme der rechtlichen Gewähr eines Medienzuganges für die gesellschaftlichen Kräfte eine öffentliche Aufgabe übernehmen, ist es auch sachangemessen die Erfüllung dieser Aufgabe durch finanzielle Mittel aus dem 2%-Anteil der Rundfunkgebühr zu gewährleisten.



C. Förderungsmöglichkeiten

Um die Förderung der eines qualifizierten Medienzuganges zu ermöglichen, wäre es sinnvoll die LfK rechtlich zu ermächtigen, die Mittel aus dem 2%-Anteil an der Rundfunkgebühr für diese Zwecke einzusetzen. Dies setzt eine Änderung von § 3 des Zustimmungsgesetzes zum Rundfunkstaatsvertrages voraus.

Nach § 29 Abs.1 Nr. 2 RF-StV 1991 ist die Förderung sog. Offener Kanäle aus der Rundfunkgebühr möglich. Eine Inhaltsbestimmung des Offenen Kanals nimmt der Rundfunkstaatsvertrag selbst nicht vor. In der Begründung wird auf die landesgesetzliche Gesetzgebungs- und Ausgestaltungskompetenz verwiesen.

Obwohl in Baden-Württemberg mit § 15 Abs.2 und 4 und § 27 Abs.2 das Recht der gesellschaftlichen Kräfte und von Einzelpersonen auf eigene Sendungen und Programme gesetzlich normiert ist, hat es der Gesetzgeber bei der Novellierung 1991 verabsäumt von seiner Ausgestaltungsfreiheit im Rahmen z.B. von § 3 des Zustimmungsgesetzes zum RF-StV 1991 Gebrauch zu machen.

Von der landesgesetzlichen Ausgestaltungsfreiheit hat demgegenüber der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen in der Gestalt Gebrauch gemacht, daß er den sog. 15%-Bürgerfunk mit dem "klassischen" OK gleichgestellt hat.

Von dieser Möglichkeit sollte der Landesgesetzgeber im Lande Baden-Württemberg im Interese der Realisierung dieser Dimension der Meinungs- und Kulturvielfalt auch Gebrauch machen. Erforderlich wäre eine Neufassung von § 3 Abs.1 des Zustimmungsgesetzes zum RF-StV 1991.

Ein Vorschlag der AFF e.V. wird unter E. unterbreitet.



D. Kostenkalkulation

1. Einzelmaßnahmen analog dem medienpraktisch Programm der LfK

Die Einzelmaánahmen der LfK im medienpraktisch Programm der LfK (Pilotphase), die seit 1992/3 begonnen wurden, sahen ein Fördervolumen je Einzelmaßnahme zwischen 15- 50.000 DM vor. Angesichts des sich abzeichnenden gesellschaftlichen Bedarfs, insbesondere bei einem größerem Bekanntheitsgrad des Programmes wird u.E. eine Aufstockung auf mindestens eine Million DM erforderlich machen. Adressat der Förderung sollten unmittelbar die gesellschaftlichen Kräfte sein.



2. Fördermaßnahmen in Verbindung mit § 27 Abs.2.

a) Sendetechnik und Leitungskosten
Für alle potentiell 9 NKH-Gebiete sollten die Sender- und Leitungskosten für den gesamten Lizensierungszeitraum übernommen werden. Nach § 29 Abs.1 Nr.2 RF-StV ist dies auch rechtlich möglich. Adressat dieser Fördermaánahme sind die § 27 Abs.2 Veranstalter.

Wie unter B.1. vorgeschlagen, wäre es auf längere Sicht wirtschaftlicher, wenn die LfK in Verbindung mit den Veranstaltern zu diesem Zweck eine Sendereigenbetriebsgesellschaft gründen würde. (Eine grobe Kostenkalkulation ergibt je Ver§breitungsgebiet eine Kostenschätzung von DM 400.000 = 3,6 Million DM für den gesamten Zulassungszeitraum)


b) Medienzugang der gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Kräfte im Rahmen der Programmveranstaltungen nach § 27 Abs.2

Abhängig von der Zulassungspraxis - Splitting oder Auswahl mit Auflagen - der
LfK wird es vor Ort jeweils ein oder mehrere Veranstalter nach § 27 Abs.2 geben.
Dies kann Rückwirkung auf die Gestaltung der Fördermaßnahmen haben. Entweder wird ein zugelassener Veranstalter Adressat der Fördermaánahme und ist der LfK rechenschaftspflichtig oder die lizensierten Veranstalter bilden eine zusätzlche gemeinsame rechtfähige Organisation, die den qualifizierten Medienzugang der gesellschaftlichen Kräfte praktisch gewährleistet.

In jedem Fall sollte - auch im Interesse eines wirtschaftlichen Mitteleinsatzes - in jedem NKH-Verbreitungsgebiet an einem Ort die sachlichen, räumlichen und personellen Vorausetzungen geschaffen werden, in denen die örtlichen und regionalen gesellschaftlichen Kräfte die Möglichkeiten vorfinden, ihre eigenen Sendungen und Programme unter qualifizierter Anleitung selbst zu gestalten.

Nach vorliegenden Erfahrungen braucht es - neben der rechtlich zu gewährleistenden Sendezeit - ca. 5 Personalstellen (Musik/Kultur, Ausl„nderInnen, Jugendliche, Einzelpersonen und soziale Gruppen sowie Aus- und Weiterbildung incl. organisatorischer u.verwaltungsmäßiger Dienstleistungen. Hinzu kommen Raumkosten für ca. zwei Studios plus Büroräume, die Studio und Büro-Einrichtung , die Bereistellung von Ausleihgeräten und von ca. zwei Veranstaltungsübertragungseinrichtungen sowie Sach- und Kommunikationskosten.

Grob geschätzt sind das je NKH- Verbreitungsgebiet Jahreskosten von DM 500.000 (X 9 = 4,5 Millionen DM).

Da die Verbreitungsgebiete bevölkerungsseitig unterschiedlich strukturiert sind - mit Schwäbisch-Hall, Freudenstadt und Lörrach sind ländlich geprägte Gebiete zu versorgen - sollten zusätzlich insbesondere auch zum Ausgleich von unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten im Verhältnis zu städtisch geprägten Veranstaltungen pauschale Ausgleichssockelbeträge durch die LfK zur Verfügung gestellt werden.




E.Vorschlag zur Änderung des Zustimmungsgesetzes


Konkrete Änderungsvorschläge zur Novellierung des LMedienG liegen seit 1993 als Vorschlag von Radio Dreyeckland vor.

Um die LfK rechtlich zu ermächtigen, die Erfüllung der Gewährleistungsdimension der Meinungs- und Kulturvielfalt aus § 15 Abs.2 Nr.2 und 4 i.V.m. § 27 Abs.2 LMedienG auch auf gesicherter Basis finanziell zu fördern, würde auch die Änderung von § 3 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 19.11.1991 hinreichen.

Dessen Abs.1 könnte nach "§ 29 Abs.1 Nr. 1" in Satz 1 wie folgt ergänzt werden:

"und Nr.2 des Rundfunkstaatsvertrages zu. Bis zu 40 von Hundert kann die Landesanstalt für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben verwenden, wobei 10 von hundert für Aus- und Weiterbildungsmaánahmen im privaten Rundfunk zu reservieren sind. Bis zu 35 von Hundert kann die Landesanstalt für Zwecke nach § 15 Abs.2 Nr. 2 und 4 LMedienG verwenden, bis zu 25 von Hundert sollen dabei für Maßnahmen i.V. m. Programmveranstaltungen nach § 27 Abs.2 LMedienG verwendet werden. Fördermaßnahmen nach § 15 Abs.2 Nr.2 und 4, sowie nach § 27 Abs.2 sind im Lande Baden-Württemberg Ausgaben i.S. von § 29 Abs.1 Nr.2 RF-StV 1991.
Die Gremien der Landesanstalt erlassen nach Beratung mit den Verbänden der Veranstalter hierfür gleichermaáen wie für die Aus- und Weiterbildungsmaánahmen die notwendigen Ausführungsrichtlinien und kontrollieren ihre Umsetzung."

In § 3 Abs.1,Satz 2 wird "mindestens 70 von" durch "maximal 25 von" ersetzt.