AKW Neckarwestheim | Noch nie war es so gefährlich wie heute

AKW Neckarwestheim | Noch nie war es so gefährlich wie heute

Während in den Mainstream-Medien und von der Parteien-Politik eine Gespenster-Debatte um die Verlängerung der Laufzeit der letzten drei deutschen Atomkraftwerke geführt wird, bleibt das gigantische Risiko eines Super-GAU in Baden-Württemberg nahezu unbeachtet. Im sechsten Jahr in Folge wurden neue Risse im AKW Neckarwestheim entdeckt.

Bereits in den Jahren 2017, 2018 und 2019 wurden gefährliche Risse in den Dampf­erzeugern des baden-württem­bergischen AKW Neckarwestheim entdeckt. Im Jahr 2020 waren es sieben neue Risse, 2021 kamen weitere 17 neue Risse hinzu. Und bei der zur Zeit laufenden Revision kamen nach offiziellen Angaben 36 neue Risse zutage. Es ist also offensichtlich, daß sich die gefährliche Korrosion im AKW Neckarwestheim weiter beschleunigt. Damit sind alle Sicherheits-Behauptungen der vergangenen Jahre widerlegt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die pseudo-grüne "Umwelt"-Ministerin Thekla Walker agieren skrupellos, wenn sie das marode Atomkraftwerk wieder ans Netz gehen lassen.

In den von Korrosion betroffenen Dampferzeugern des AKW Neckarwestheim sind bei der aktuellen Jahresrevision 36 neue Risse entdeckt worden. Hierzu erklären Armin Simon von der Anti-Atom-Organisation '.ausgestrahlt' und Franz Wagner vom Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN):

"In der aktuellen Revision des Atomkraftwerks Neckarwestheim sind 36 neue Risse an den Außenseiten der Dampferzeuger-Heizrohre aufgefallen. Seit 2017 sind schon mehr als 300 solcher Risse, die es in der Theorie nie hätte geben dürfen, gefunden worden. Zum Glück ist es bisher nicht zum Auf- oder Abreißen eines Rohres gekommen, aber die Sicherheitsreserven dieser extrem belasteten Rohre des Primärkreislaufs existieren schlicht nicht mehr, wodurch der AKW-Betrieb mindestens seit 2018 gegen geltendes Recht verstößt."

Obwohl der Strom-Konzern und AKW-Betreiber EnBW seit 2018 nach offiziellen Aussagen alles unter Kontrolle hat und sich von den ergriffenen Maßnahmen überzeugt gibt (Flicken, Verstopfen von Rohren und geänderte Wassersteuerung), waren auch 2020 sieben neue Risse entdeckt worden. Noch mehr zusätzliche Risse waren 2021 gefunden worden, nämlich 17 weitere, das sogenannte Umweltministerium - zu dieser Zeit unter dem pseudo-grünen Minister Franz Untersteller - hatte dies auf geradezu peinliche Art als "nur 0,6 Promille Zuwachs" schönzurechnen versucht.

Weiter heißt es in der Stellungnahme der Atomkraft-GegnerInnen: Auch die Darstellung des EnBW-Konzerns, es gäbe kein Problem, weil ja bisher noch alle Rohre dicht geblieben seien, ist nur eine dreiste Nebelkerze. Damit lenkt EnBW nur von der eigentlichen Frage ab, ob die Reststabilität der Rohrwände noch störfallfest ist. Denn genau dieses kann die EnBW bisher nicht belegen. Ein Nachweis ist auch angesichts der Schwere der Schäden gar nicht mehr möglich.

"Leider haben das Umweltministerium in Stuttgart und die EnBW in gleicher Dreistigkeit dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim vorgespielt, die Situation durch ihre Behelfs­maßnahmen im Griff zu haben. Auf dieser falschen Grundlage hatte das Gericht kürzlich die Eilbedürftigkeit der von AnwohnerInnen des AKW eingereichten Stilllegungsklage verneint (bei weiterhin offenem Hauptsache­verfahren)."

Spätestens jetzt, mit den 36 neuen Riss-Befunden, sollte klar sein: EnBW hat die Rohr-Korrosion nicht im Griff und das Gericht ist seiner Aufgabe, im Rahmen der Gewaltenteilung eine Kontrollfunktion auszuüben, nicht nachgekommen.

'.ausgestrahlt' und der BBMN fordern daher "Umwelt"-Ministerin Thekla Walker dazu auf: "Das AKW Neckarwestheim darf keinesfalls, wie intern der EnBW schon zugesichert, am 24. Juni wieder hochgefahren werden. Dieses Höchstrisiko-AKW ist irreparabel gealtert und muß sofort und endgültig stillgelegt werden."

Hintergrund:

Im Reaktorblock 2 des AKW Neckarwestheim wird seit 2017 jedes Jahr fortschreitende Korrosion in den Dampferzeugern des Reaktors nachgewiesen, darunter bisher mehr als 300 zum Teil lange und gefährlich tiefe Risse. Die über 16.000 Rohre müssen mehrere 100° C und eine Druckdifferenz von gut 60 bar aushalten, beim bisher tiefsten bekannten Riss wurde an der tiefsten Stelle nur noch eine restliche Wandstärke von 0,1 mm gemessen (angesichts der großen Messungenauigkeit möglicherweise noch weniger). Ursache der Risse ist die gefährliche Spannungsrisskorrosion. Alle Bedingungen für das Auftreten von Spannungsrisskorrosion sind im AKW Neckarwestheim weiterhin gegeben. Ebensolche Risse sind auch im AKW Lingen vorhanden.

Mit Unterstützung von '.ausgestrahlt' und dem BBMN haben zwei AnwohnerInnen des AKW Ende 2020 beim VGH Mannheim Klage gegen dessen Weiterbetrieb eingereicht (Az. 10 S 4004/20). Darüber hinaus haben sie den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt (Eilantrag, Az. 10 S 1870/21), um den weiteren Betrieb des AKW Neckarwestheim 2 vorläufig zu untersagen. Diesen Antrag hat der VGH im April 2022 unter Verweis auf den "exekutiven Funktionsvorbehalt" der Atomaufsicht (in Gestalt des baden-württembergischen "Umwelt"-Ministeriums) abgelehnt. Eine eigene Prüfung haben die Richter nicht vorgenommen. Über die Klage in der Hauptsache hat der VGH noch nicht entschieden. Durch die unvertretbar lange Verfahrensdauer des Eilverfahrens von fast 10 Monaten und damit mehr als der Hälfte der restlichen Betriebszeit des AKW Neckarwestheim hat das Gericht jedoch aus Sicht der Atomkraft-GegnerInnen in unzulässiger Weise die Hauptsache des laufenden Gerichtsverfahrens vorweggenommen, ohne in der hierfür notwendigen Tiefe zu prüfen.

Von der baden-württembergischen "grün-schwarzen" Landesregierung unter dem pseudo-grünen Winfried Kretschmann ist keine Hilfe zu erwarten. Schon kurz nach der Landtagswahl im März 2011 hatte der bis 2021 amtierende "Umwelt"-Minister Franz Untersteller (Tempo-177-Minister) öffentlich bekundet, die baden-württembergischen Atomkraftwerke seien sicher. Zugleich versuchten Kretschmann und Untersteller immer wieder den Anschein zu erwecken, sie seien Atomkraft-Gegner. Doch immer deutlicher zeigt sich, wessen Interessen die baden-württembergische Landesregierung vertritt. Kaltblütig nimmt sie das Risiko eines Super-GAU in Baden-Württemberg in Kauf.

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