Berlinale: Howl

Dichtkunst
von Allen Ginsberg als Graphic Novel, Poesie als Film von Rob Epstein:

„Howl“

Aus Berlin: Martin Koch

„I
saw the best men of my generation destroyed by madness, starving
hysterically naked.“
Mit diesen Worten beginnt ein Gedicht von
Allen Ginsberg, das so mancher amerikanische Schüler aus der
Highschool kennt, ohne jemals recht schlau daraus geworden zu sein.
So ging es unter anderem auch dem Regisseur Rob Epstein. Doch nun
haben Epstein und sein Co-Regisseur Jeffrey Friedman, die sich als
Dokumentarfilmer und Chronisten der amerikanischen Schwulenszene
einen Namen gemacht haben, in ihrem ersten Spielfilm an die
Interpretation eben dieses Gedichts gemacht: „Howl“.

Berlinale: Howl

Dichtkunst
von Allen Ginsberg als Graphic Novel, Poesie als Film von Rob Epstein:

„Howl“

Aus Berlin: Martin Koch

„I
saw the best men of my generation destroyed by madness, starving
hysterically naked.“
Mit diesen Worten beginnt ein Gedicht von
Allen Ginsberg, das so mancher amerikanische Schüler aus der
Highschool kennt, ohne jemals recht schlau daraus geworden zu sein.
So ging es unter anderem auch dem Regisseur Rob Epstein. Doch nun
haben Epstein und sein Co-Regisseur Jeffrey Friedman, die sich als
Dokumentarfilmer und Chronisten der amerikanischen Schwulenszene
einen Namen gemacht haben, in ihrem ersten Spielfilm an die
Interpretation eben dieses Gedichts gemacht: „Howl“.

Oberflächlich
gesehen könnte man diesen Film als den nächsten Beitrag zum etwas
ausgelutschten Genre der Künstlerbiographie mißverstehen, diesmal
geht es dann eben um die Legende der in den 50er Jahre bekannt
gewordene Beatlegende Allen Ginsberg. Unter dieser Oberfläche
brodelt allerdings der ehrgeizige Versuch, die Faszination der
Dichtkunst in Trickfilm-Bilder zu fassen. Und – als ob das nicht
genug wäre, stellen die Regisseure dann auch noch die seinerzeit als
übersexualisiert und vulgär empfundene Poetik Ginsbergs vor Gericht
– indem sie die Handlung um einen von konservativen Kräften
herbeigeführten Prozess gegen Ginsbergs Verleger kreisen lassen

Die
Gerichtsverhandlung fällt dabei etwas zu einseitig aus, um spannend
zu sein. Denn obwohl die vom brillanten Charaktermimen David
Strathairn übernommene Anklage mehrere Universitätsprofessoren als
Zeugen gegen Ginsbergs Kunst auffährt, wirkt nicht nur deren
Argumentation alles andere als hieb- und stichfest , auch die
Schauspielerleistungen von Mary-Louise Parker und Jeff Daniels zielen
hier etwas zu stark auf die Denuntiation ihrer Charaktere ab. Und
wenn der ebenfalls sehr selbstironisch spielende Strathairn
irgendwann einwendet, man wisse nicht, ob Ginsberg die im Gedicht
sprechende Figur persönlich gekannt habe, sind die schon zuvor für
veritable Lacher sorgenden Ginsberg-Gegner vollends ad absurdum
geführt.

Hauptthema des
Films ist nicht die Frage nach dem Sinn von Ginsbergs Kunst, sondern
die nach der Wahrnehmung von Dichtkunst und hier gehen Epstein
/Friedman mit den Trickfilmszenen, welche die aus dem Off
vorgelesenen Ginsberg-Gedichte begleiten, einen gewagten Weg.
Optisch sind sie einem von Ginsberg und dem Illustrator Eric Drooker
herausgegebenen Band nachempfunden, zugleich erinnern sie auch stark
an den israelischen Hit „Waltz with Bashir“ Im Stile eines
Graphic Novel mit deutlichen Gothic-Elementen schweben hier einsame
Seelen schwerelos durch eine bedrohliche Welt. Es ist eine
hypnotische Mischung zwischen den verkrüppelt wirkenden Menschen und
der Schwerelosigkeit ihrer Fortbewegung, die die Verbindung zwischen
Ginsbergs Versen und ihrer tricktechnischen Umsetzung bildet. An der
kritischen Frage, ob eine Übersetzung von Poetik in Bilder möglich
ist, – im Prozess wird zudem nach ihrer Umsetzbarkeit in Prosa
gefragt - kommt man in diesem Zusammenhang zwar kaum vorbei, jedoch
überzeugt die Interpretation der Poetik durch die Trickszenen
durchaus und zeigt dem noch nicht so verbreiteten Genre der
Poesie-Filme eine interessante neue Möglichkeit auf.

Die dritte und
„klassischste“ Ebene der Handlung bildet Ginsbergs
Lebensgeschichte, in der James Franco brillieren darf. Nicht nur vom
Aussehen her sondern auch in der Mimik und Gestik und der Imitation
kleinerer Ticks empfindet er das Auftreten des schrägen
Intellektuellen präzise nach. Inhaltlich geht es vor allem um
Ginsbergs Hinwendung zur Homosexualität und seine Freundschaft zur
anderen Legende der Beat-Poesie, Jack Kerouac. Aufgrund der beiden
übrigen Ebenen bleibt für diese Lebensgeschichte vergleichsweise
wenig Platz, andererseits verzichtet sie auch auf die im Zuge der
Biopic-Flut der letzten Jahre zur leidigen Mode gewordene Abspulung
von Lebensabschnitten. Das Ginsberg homosexuell ist, spielt dabei
eine Rolle, wird allerdings nicht zum zentralen Thema des Films
hochstilisiert, sondern eher beiläufig abgehandelt.

Man könnte Howl
aufgrund dieser Dreiteilung als unentschieden oder überladen
kritisieren, ebenso wie die Trickfilm-Untermalung des Gedichtes sich
noch mit einiger Kritik wird auseinandersetzen müssen. Dennoch
bleibt nach dem Kinobesuch der Eindruck, eine besondere Verarbeitung
von Literatur gesehen zu haben. „Howl“ verarbeitet Ginsbergs
Poetik intelligent, virtuos und unterhaltsam zu einer Mischung aus
Verarbeitung eigener Erlebnisse, Diskurs und Ausdruck
unkontrollierbarer Gefühle. Und ist könnte somit für die
Gedichtfans unter den Cineasten das werden, was Alessandro Bariccos
„Lezione 21“ für die Freunde klassischer Musik unter ihnen ist:
ein echter Geheimtipp.