Cannes Blog - Tarantino ist da

Der Meister ist in der Stadt...!

qt_gut_gelauntDie Spannung steigt, die Nervositaetskurve steigt deutlich an, das Festival schwingt, aus dem staendigen Vibrieren wird ein spuerbares Zittern, denn: Der Meister ist in der Stadt.
Sollte irgendein Uneingeweihter nicht wissen, von was ich rede, wird es hier nachgreicht:
Tarantino is in Town!
Um hier erstmals seinen neuen Film zu preasentieren, "Inglourious Basterds" (nicht Bastards, uebrigens, mehr zur Schreibweise unten).

Cannes Blog - Tarantino ist da

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Der Meister ist in der Stadt...!

Die Spannung steigt, die Nervositaetskurve steigt deutlich an, das Festival schwingt, aus dem staendigen Vibrieren wird ein spuerbares Zittern, denn: Der Meister ist in der Stadt.
Sollte irgendein Uneingeweihter nicht wissen, von was ich rede, wird es hier nachgreicht:
Tarantino is in Town!
Um hier erstmals seinen neuen Film zu preasentieren, "Inglourious Basterds" (nicht Bastards, uebrigens, mehr zur Schreibweise unten).

Nicht nur die Festivalbesucher, Fans und Presseleute
sind unter Strom, auch die Ordner, Hostessen und Securityleute sind
nervoes, man spuerte es sofort beim Betreten des Festivalpalais heute
morgen.
Auch

fotografen_alle_warten_auf_maestro
fotografen_alle_warten_auf_maestro
wenn mich der Rummel manchmal etwas nervt und ich bei weitem nicht
jeden seiner Filme fuer ein Meisterwerk halte, es ist nicht zu leugnen,
dass Tarantino es mit einer ueberschaubaren Anzahl an Filmen geschafft
hat, Namen wie Scorsese, Chabrol, Coppola oder Lynch an Popularitaet zu
ueberfluegeln. Es ist wohl diese gewisse Coolness, die man seinen
Streifen einfach nicht abstreiten kann, und diese raffinierte Mischung
aus Arthaus-Tauglichkeit und Maintream-Kompatibilitaet, die nicht viele
aufweisen koennen. Kritikerliebling und Kassenmagnet in einem, wem
gelingt das schon so gut wie unserem Kino-Nerd Quentin?

Heute jedenfalls ist Tarantino-Tag in Cannes!
Frueh morgens um 8.30 Uhr gab es eine Pressevorfuehrung fuer die
wirklich Hartgesottenen, die nach Mitternachts-Screenings, Parties,
Empfaengen und Jet-Set-Verpflichtungen (und anderen entweder
unanstaendigen oder illegalen Aktivitaeten) schon frueh bereit stehen,
um die naechste Bilderflut zu verdauen (aber natuerlich nur die, ihr
ahnt es schon, treue Leser und Leserinnen, auf der Liste standen...!).
Um 11.30 Uhr folgte die Pressekonferenz. Aufgrund des Andrangs
schafften es heute nur die grossen Blaetter, Agenturen und Fernsehleute
in die Konferenz, der ganze unwichtige Presse-Rest (normale Zeitungen,
Radios, Internet-Redakteure und aehnliches Geschmeiss) mussten heute
draussen bleiben und die Konferenz auf den grossen Bildschirmen
verfolgen.
Aber ein bisschen Winke-Winke wurde uns Fussvolk von den Stars und von
IHM dann doch spendiert (siehe Fotos).

vorqt-pk_
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Ein blendend gelaunter Tarantino, lachend und
spassend, ein schmunzelnder Brad Pitt, selbst in den Katakomben des
Palais du Festival stets mit Sonnenbrille unterwegs, eine etwas albern
kichernde Melanie Laurent, ein ironischer Eli Roth, ein strahlender
Daniel Bruehl und eine immer wieder in schallendes Gelaechter
ausbrechende Diane Kruger verbreiteten auf dem Podium froehliche
Kindergeburtstags-Athmosphaere. Das mag nicht unwesentlich am Meister selbst liegen, der trotz seiner
oft etwas zerknautscht wirkenden Mimik schon oefters dabei beobachtet
werden konnte, sich wie ein kleines Kind ueber seinen neuesten
Filmstreich freuen zu koennen. Dabei kommt er sympathischer rueber, als
ich erwartet haette.

vor_qt-pk_alle_scherzend
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Der neue Film ist schwer einzuordnen, irgendwas mit
Nazis im besetzten Frankreich, Resistance, Juden, einem Kino, aber
trotz des Themas mit viel Trash, Pulp und Tarantino-Absurditaeten. Ein
Maerchen, ein realistischer Ansatz oder eine Fabel? Tarantinos erster
Historienschinken? Ein klassischer Betroffenheitsfilm mit moralischer
Botschaft? Oder eine geballte Ladung Nazi-Trash fuer die "From Dusk
till Dawn"-Fraktion?
Keiner kann sich vor der Sichtung des Films so recht einen Reim darauf
machen, und so gehen die ersten Fragen der (wichtigen, weil
reingelassenen) Vertreter der Presse auch gleich in diese Richtung.
Aber natuerlich waere Tarantino nicht Tarantino, wenn er Fragen einfach
beantworten wuerde, und so verkuendet uns der Meister amuesiert:
"Meine Figuren veraendern den Ausgang des Weltkrieges. Das ist
moeglich, weil es sie nie gegeben hat."

Und eine unschuldige Seele im Saal fragt den Maestro,
wieso der Titel des Films falsch geschrieben wird, also "Basterds"
statt "Bastards".
Jetzt muss er laecheln, um schliesslich genuesslich zu verkuenden:
"Don't ask that. I'm never going to tell!"
Und ergaenzt noch cool: "That would mean to take the piss out of it!"
Die Wissenden in und vor dem Saal schmunzeln. Niemand, der dem Meister
in den letzten Jahren auf seinen verschlungenen Wegen gefolgt war,
hatte ernsthaft erwartet, dass uns auf diese Frage eine Antwort gegeben
werden wuerde.
Wer Erkenntnis sucht, moege sie im Film selbst suchen. Nicht aus dem
Munde des Meisters, sondern in seinen gesegneten Lichtbildern
schlummert die Erleuchtung. Wussten wir doch, die versammelte
Juengerschar schmunzelt zufrieden, bestaetigt in ihren Ahnungen. Jaja,
so ist er, der Meister, wohlwollend, aber unberechenbar, er spendet
Licht, aber nur dem Suchenden, nicht dem, der nur auf den Lichtschalter
drueckt.

Dann duerfen Diane Kruger und Kollegen bestaetigen,
was fuer eine bewegende Erfahrung der Dreh doch war, Daniel Bruehl
laechelt die ganze Zeit und wirkt etwas entrueckt, wie ein
Rucksacktourist in Indien nach der ersten Woche im Ashram. Er hat den
naechsten Schritt getan, vom Suchenden zum Adepten, es ist nicht zu
uebersehen.
Weisheit und alberne Froehlichkeit wechseln sich ab auf dem Podium,
unwillkuerlich denke ich an die Bilder wuerdiger Buddhas, die auf
Statuen auch mal schallend lachen.
Auch der Dalai Lama kann schallend lachen. Hab ich schon gesehen. Und
irgendwie merke ich, dass es da eine Verbindung gibt. Die zwei haben
etwas gemeinsam. Aber es ist nicht so einfach zu fassen. Ein Geheimnis.
Nicht einfach zu knacken. Aber wir sollten dran bleiben. Wenn jemand
Neues weiss, bitte Bescheid geben. Das waere uns eine
35-Millimeter-Sondersendung wert. Dalai und Quentin - die
unveroeffentlichten Akten. Oder so.
Wollte, faellt mir grade ein, eigentlich noch jemand was ueber den Film
selbst wissen?

Wie er es mag, verweist Tarantino auch bei seinem
neuesten Werk wieder auf die Filmgeschichte. 1978 hatte der Regisseur
Enzo Castellari den Streifen "Inglorious Bastards" (jetzt mit "a")
gedreht. Natuerlich drehte Tarantino kein Remake, aber er liess sich
inspirieren - und spendierte dem stolzen Regisseur von damals einen
kleinen Cameo-Auftritt.
Der Produzent Lawrence Bender berichtet, dass Tarantino schon vor zehn
Jahren in sein Buero gekommen sei, um ihm erste Szenen aus dem Script
vorzulesen. Und die haetten ihn damals schon "umgehauen", versichert
er.
Eli Roth wurde ueberzeugt, als Tarantino ihm seinen selbst
geschriebenen "Hitler-Monolog" vorgelesen hat. Mehr darueber verraet er
leider nicht. Auf jeden Fall wird deutlich, was fuer ein
Langzeitprojekt die Produktion dieses Films war. Fuer das letzte Werk,
"Death Proof", war die Arbeit unterbrochen worden, danach ging es
weiter mit den "Basterds".
Daniel Bruehl beschreibt seinen Charakter wie folgt: "He's sweet and
he's handsome, and he's a cinema lover." Passt doch, gut gecastet,
denke ich mir.
Melanie Laurent, eine der beiden weiblichen Hauptrollen, ist nicht nur
Schaupielerin, sie hatte sogar letztes Jahr als Regisseurin hier in
Cannes die Goldene Palme fuer den besten Kurzfilm gewonnen.
Die in Deutschland geborene Diane Kruger spielt die andere Hauptrolle,
mit dem blumigen Rollennamen "Bridget Von Hammersmark". Ob ein gewisser
Herr von Donnersmarck hier Namenspate gewesen sein koennte?
Und dann spielt noch Til Schweiger mit. Aber der war heute nicht da.
Schade. Wenn mir vor paar Monaten jemand erzaehlt haette, dass Daniel
Bruehl und unser Keinohrhase im naechsten Tarantino mitspielen sollen,
ich haette ihn fuer alles moegliche gehalten, aber nicht fuer einen
guten Informanten. Aber nun doch. Alles ist moeglich. Wir leben in
einem Universum der Wunder...!

Sylvester Groth spielt den Goebbels. Das hat er schon
in Dani Levys "Mein Fuehrer" mit Charme, oder besser gesagt mit
Hingabe, getan.
(Und wer ihn nicht gesehen hat, der kann ihn sich angucken, am 10. Juni
laeuft der Film nochmal, im aka-filmclub, Uni Freiburg. Mittwoch,
10.6., 20.00 Uhr. Sollte man gesehen haben. Wichtige Vorbereitung fuer
den neuen Tarantino. Und auf Goebbels achten. Sowieso. Immer. Haette
man vor '33 schon tun sollen. Egal, zu spaet, und auf mich hoert
sowieso keiner.)

Gedreht wurden die "Basterds" uebrigens zum Teil in
Deutschland. In einer Kleinstadt namens Bad Schandau. Nahe der
tschechischen Grenze. Und in Potsdam. Babelsberg, die ehemaligen
UfA-Studios. Passt, schliesslich produzierte hier auch Goebbels
Filmmaschinerie damals ihre Filme. Einige der Aussenaufnahmen
entstanden in der ehemaligen Festung Fort Hahneberg. 1888 gebaut, nach
dem 2. Weltkrieg militaerisch eingemottet, heute dicht bewaldet. Ein
historisches Setting jedenfalls.

Und worum gehts?
Sehen konnte ich den Film noch nicht, aber Informationen ueber die
Handlung sind bereits verfuegbar, obwohl die offizielle Premiere erst
heute abend stattfinden wird.
2. Weltkrieg. Im ersten Jahr nach der Besetzung Frankreichs durch die
deutschen Truppen muss Shosanna (Melanie Laurent) erleben, wie Soldaten
unter dem Kommandanten Hans Landa (Christoph Waltz) ihre Familie
ermorden. Sie flieht nach Paris und nimmt dort eine neue Identitaet an
als Betreiberin eines kleinen Kinos.
Zugleich stellt Lieutnant Raine (Brad Pitt) eine Truppe
juedisch-amerikanischer Soldaten zusammen, um dem Feind in
Guerilla-Taktik kurze, aber heftige Stiche zu versetzen, sogenannte
"shocking acts of retribution". Diese vom deutschen Gegner bald als
"Besterds" beschimpften Kaempfer erhalten unerwartet Unterstuetzung von
der Agentin Bridget von Hammersmark (wie gesagt, toller Name - gespielt
von Diane Kruger), die auf die Fuehrer des 3. Reichs angesetzt wurde.
Die Schicksale fliessen zusammen, als Shosanna unter dem Dach des Kinos
ihren Racheplan schmiedet...
Mehr weiss ich auch noch nicht.
Ich erwarte das Schlimmste. Ich bin voll guter Hoffnung. Ich bin
genervt von dem Rummel ueber diesen Film. Ich bin enorm gespannt
darauf. Ich erwarte alles. Und nichts. Ich kann nichts mehr drueber
hoeren und lechze nach Neuigkeiten. Und kann es nicht erwarten, ihn
endlich zu sehen.

Alles das hat der Meister natuerlich vorausgesehen.
Er stellt uns vor eine Pruefung. Alles Reden ist Schall und Rauch. Was zaehlt, ist der Film. Nur der Film. Sein Film.
Verehrung. Liebe. Hingabe. All das sind wir ihm schuldig.
Wer koennte es ihm entziehen? Schliesslich flimmert die Luft, und das nicht nur vor Hitze, hier im sonnigen Cannes.
Nein, seine leibhaftige Praesenz bringt alles zum Leuchten.
Denn der Meister ist in der Stadt!

(Alle Fotos: Alexander Sancho-Rauschel)