Klimaschutz und Tempolimit oder Recht auf den Geschwindigkeitsrausch?

Klimaschutz und Tempolimit oder Recht auf den Geschwindigkeitsrausch?

In 31 europäischen Staaten existieren generelle Tempolimits auf den Autobahnen mit 130 Kilometer pro Stunde oder weniger. Nur in Deutschland gilt bislang "Freie Fahrt für den Geschwindigkeitsrausch". Entgegen den häufig gestreuten Gerüchten gibt es auf 70 Prozent des deutschen Autobahn-Netzes kein Tempolimit. Doch rationale Gründe gegen ein Tempolimit sind auch in Deutschland Mangelware. Nun hat das Umweltbundesamt eine Untersuchung vorgelegt, die aufzeigt, welche Klimaschutz-Wirkung ein Tempolimit hätte.

Laut den Berechnungen des Umweltbundesamtes können mit einem Tempolimit von 130 auf deutschen Autobahnen 1,9 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent pro Jahr eingesparte werden. Der Gesamt-Ausstoß Deutschlands liegt seit Jahren bei rund 900 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent pro Jahr. Mit Tempo 120 könnte dieser Ausstoß um 2,6 Millionen Tonnen pro Jahr und mit Tempo 100 sogar 5,4 Millionen Tonnen reduziert werden.

Von der Berliner Parteien-Politik ist jedoch nichts zu erwarten. Verkehrsminister Andreas Scheuer sagt ganz offen, daß ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen "gegen jeden Menschenverstand" sei. Und Atom-Ministerin Svenja Schulze - offiziell: Umwelt-Ministerin - spielt als Gegenpart zu Scheuer die Rolle der Klimaschützerin, handelt dem jedoch diametral entgegen (Siehe hierzu auch unseren Artikel v. 28.07.19). So redete sie beispielsweise davon, den Flugverkehr um jährlich rund eine Milliarde Euro teurer machen zu wollen - Fakt ist jedoch, daß der Flugverkehr in Deutschland mit 11 Milliarden Euro pro Jahr subventioniert wird.

Dirk Messner, Präsident des UBA, betonte bei der Vorstellung der Untersuchung, daß ein Tempolimit - im Gegensatz zu manch anderen Klimaschutz-Vorhaben - die Emissionen sofort senkt und dies "praktisch ohne Mehrkosten". Bei der mit medialer Unterstützung jedoch in die völlig falsche Richtung gelenkten öffentlichen Diskussion und dem gebetsmühlenartig wiederholten Lamento um mögliche gigantische Kosten des Klimaschutzes, sollte jedoch nicht vergessen werden: Durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen und durch die Förderung von Energie-Effizienz sowie einen ungebremsten Ausbau der erneuerbaren Energien könnte Klimaschutz gesamtgesellschaftlich schon heute finanziell positiv zu Buche schlagen.

Im Vergleich zu anderen Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr ist ein Tempolimit besonders effizient: Die auch nach Meinung des UBA sinnvolle Stärkung des Schienengüterverkehrs und die Modernisierung der Binnenschiffe würde laut Minister Scheuer eine Minderung von um zwei Millionen Tonnen bringen – das allerdings erst im Jahr 2030 in voller Höhe und mit Kosten von mehreren Milliarden Euro.

Umweltschutz-Verbände begrüßten die vom Umweltbundesamt vorgelegte Untersuchung. Greenpeace erklärte: "Jetzt hat es die Bundesregierung schriftlich: Weniger Rasen schützt das Klima." Und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) forderte eine Abkehr von der "Raser-Ideologie". Kürzlich gab sogar der Lobby-Verband ADAC seine strikte - aber nie rational begründete - Ablehnung eines Tempolimits auf.