O-Ton Playback – Aufzeichnungen von Lesungen und Vorträgen

O-Ton Playback – Aufzeichnungen von Lesungen und Vorträgen

Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 04.02.2008:

Die zum 1. Januar 2008 in Deutschland eingeführte flächendeckende
Speicherung von Kommunikations- und Standortdaten behindert in weiten Bereichen
der Gesellschaft die Nutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet als freie
Kommunikationsmittel, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung.

Bürger, die keine E-Mails mehr versenden, Journalisten, die den Kontakt zu
Informanten verlieren, Unternehmer, die Unterlagen wieder per Post verschicken
müssen - die von CDU, CSU und SPD eingeführte Vorratsdatenspeicherung führt in
weiten Bereichen der Gesellschaft zurück in die Zeit, als es weder Telefon noch
Internet gab. Dies ist das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage des
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung unter 8.000 Personen Ende Januar 2008, die
nach beobachteten Auswirkungen des Gesetzes fragte.

Ein Journalist berichtete etwa, ein Informant aus einer Sicherheitsbehörde
habe ihm bereits in der Neujahrsnacht mitgeteilt, er möchte "ab heute nie
mehr unter dieser Nummer" angerufen werden. Auch SMS mit
"Sitzungsergebnissen" erhalte der Journalist seit Jahresbeginn nicht
mehr. Ein Steuerberater teilt mit, seine Mandanten würden seit Jahresanfang telefonische
Rückfragen bei ihm scheuen. Er befürchte, "dass sich die Mandanten mangels
Beratung strafbar machen" könnten. Ein Unternehmer aus Süddeutschland
klagt, seine Kunden würden "sicherheitsrelevante Beschreibungen" nur
noch persönlich übergeben wollen, was dem Unternehmen große Schwierigkeiten
bereite. Seine Firma habe dadurch vor wenigen Tagen "einen Großkunden
verloren", was den Verlust von 2-3 Arbeitsplätzen nach sich ziehen werde.
Drogenberater und Psychotherapeuten beklagen, dass Anrufe ausbleiben oder
inhaltslos verlaufen. Ein Rettungsassistent berichtet gar von einem Patienten,
der nicht wollte, dass sein Zustand telefonisch an die Klinik durchgegeben
wird, in die er eingeliefert werden sollte.

"Politisch aktive Menschen, Firmenkunden und Hilfsbedürftige, die der
Telekommunikation nicht mehr vertrauen - solche erschreckenden Zustände würde
man in einer Diktatur erwarten, aber nicht in einem freiheitlich verfassten
Staat", kommentiert Patrick Breyer vom Arbeitskreis
Vorratsdatenspeicherung die Ergebnisse der Umfrage. "Wir haben seit langem
vor den Folgen einer Protokollierung des Telekommunikations- und
Bewegungsverhaltens der gesamten Bevölkerung gewarnt; ihre nun bekannt
gewordenen tatsächlichen Auswirkungen übertreffen meine schlimmsten Befürchtungen
noch."

"Aus diesen Berichten heraus wird deutlich, dass die neuere
Überwachungsgesetzgebung von den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur als große
Einschränkung ihrer Freiheit, sondern auch ihrer persönlichen Sicherheit
empfunden wird," ergänzt Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis. "Damit
erreicht der Gesetzgeber das Gegenteil dessen, was er als Argument für die
Beschneidung der Bürgerrechte anführt. Es ist höchste Zeit für eine
Kurskorrektur."

Insgesamt ist eine dreistellige Zahl von Antworten eingegangen. Berichte
über nachteilige Auswirkungen kamen neben Privatpersonen und den bereits
angesprochenen Berufsgruppen auch von Anwälten, Forschern, betrieblichen
Vertrauenspersonen, Ärzten, Seelsorgern und Geistlichen. Etliche Schilderungen
Betroffener sind für einen Schriftsatz an das Bundesverfassungsgericht
zusammengestellt worden, um den dort vorliegenden Eilantrag auf Aussetzung der
Vorratsdatenspeicherung weiter zu untermauern. Der Schriftsatz steht im
Internet in einer anonymisierten Version zum Download bereit. [1]

[1] Anonymisierter Schriftsatz mit ausgewählten
Einzelberichten von Betroffenen:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/schriftsatz_2008-01-31_anon.pdf