Spahn dafür, dass sich alle Erwachsenen Geimpften sofort boostern lassen

Spahn dafür, dass sich alle Erwachsenen Geimpften sofort boostern lassen

In einem Brief an alle Vertragsärzte fordern der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, Andreas Gassen die Ärztinnen und Ärzte auf, alle über 18 Jahren, die das wünschen, sofort ein drittes Mal zu impfen. Spahn und Gassen stellten sich damit gegen die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Die Stiko hat Auffrischungsimpfungen bisher nur für Personen ab 70 Jahren und einige Risiko-Gruppen, sowie Menschen die in Heimen wohnen, Pflegekräfte und medizinisches Personal empfohlen. Spahn und Gassen fordern die Ärztinnen und Ärzte auch dazu auf, sich nicht an den von der Stiko empfohlenen Abstand von 6 Monaten zwischen der Zweit- und Drittimpfung zu halten.

 

Fachleute stehen einer Massenboosterung durchaus positiv gegenüber. Dadurch ließe sich auch die Übertragungsrate in der Bevölkerung wesentlich senken, meinte der Intensivmediziner Christian Karagiannidis. Allerdings empfahl er auch, wie die Stiko, zuerst mit den über 70-jährigen anzufangen, dann aber auch die gesamte erwachsene Bevölkerung zu boostern. Das war bisher nicht der Stand der Stiko. Allerdings ist die Stiko mittlerweile auf dem Weg des Nachgebens. Der Vorsitzende der Stiko, Thomas Mertens hat am Dienstag in einer Talk Show so nebenbei bekanntgegeben, dass die Stiko demnächst das Boostern ab 18 empfehlen werde. Geht also doch. Vielleicht sollte man die Stiko und andere störrische Behördenchefs häufiger zu Talk Shows einladen.

 

Das Problem an dem Vorschlag von Spahn und Gassen ist indessen, dass es derzeit gar nicht die Kapazität für eine Massenimpfung gibt. Selbst die wesentlich mehr gefährdeten und schon vor längerer Zeit geimpften über 70-jährigen bekommen kaum genug Termine. Das liegt hauptsächlich daran, dass Bund und Länder die Impfinfrastruktur heruntergefahren haben und nun nur zögerlich wieder aufbauen. Ein Aufruf an alle, sich impfen zu lassen, dürfte daher nur zu einer erneuten Überlastung des Meldesystems führen, wobei wahrscheinlich diejenigen, die eine dritte Impfung persönlich am meisten brauchen, nämlich Ältere und Kranke, auf der Strecke bleiben.

 

Etwas überraschend ist auch die persönliche Kehrtwende der beiden Briefschreiber. Gesundheitsminister Spahn hatte noch Anfang November darauf beharrt, die Feststellung einer epidemischen Notlage von nationaler Tragweite am 25. November auslaufen zu lassen. Anders als die Ampelparteien schlug Spahn dabei keine Gesetzesänderung als Ersatz vor. Andreas Gassen schlug Mitte September vor, den 30. Oktober nach britischem Vorbild zum „Freedom Day“ zu erklären, an dem alle Schutzmaßnahmen auslaufen. Nach Karagiannidis haben solche Vorschläge dazu beigetragen, dass sich Menschen in falscher Sicherheit gewähnt und leichtsinnig verhalten haben.