Locarno Blog 21

Langeweile in
vollendeter Meisterschaft, oder: Warum Gene Hackman als „most
boring man“ so grossartig ist

Aus Locarno: Alexander Sancho-Rauschel

William Friedkin ist
da – und unterhält die versammelte Schar von Cineasten und
Journalisten mit einem gekonnten Mix aus Entertainment und witzigen
Anekdoten. Die us-amerikanische
Regielegende, die 1962 mit einem politisch engagierten Dokumentarfilm
über einen Afroamerikaner in der Todeszelle ihren ersten Film
gedreht hatte, wurde vor allem durch zwei Filme aus den Siebzigern
berühmt:

„The French
Connection“ (1971)

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Langeweile in
vollendeter Meisterschaft, oder: Warum Gene Hackman als „most
boring man“ so grossartig ist

Aus Locarno: Alexander Sancho-Rauschel

William Friedkin ist
da – und unterhält die versammelte Schar von Cineasten und
Journalisten mit einem gekonnten Mix aus Entertainment und witzigen
Anekdoten. Die us-amerikanische
Regielegende, die 1962 mit einem politisch engagierten Dokumentarfilm
über einen Afroamerikaner in der Todeszelle ihren ersten Film
gedreht hatte, wurde vor allem durch zwei Filme aus den Siebzigern
berühmt:

„The French
Connection“ (1971)

erfand das Genre des Polizeithrillers neu und
führte es durch seinen harten, realistischen Stil und geniale
Kamerafahrten zu neuer Blüte, während das unheimliche Meisterwerk
„The Exorcist“ (1973) sich dem Genre
des Horrorfilms mit einem fast dokumentarischen, beobachtenden Stil
näherte – und durch diese raffiniert eingesetzte Illusion der
nüchternen Beobachtung den Schrecken nur noch steigerte.

William Friedkin,
der sich ganz im Geiste amerikanischer Karrierelegenden vom
Postsortierer bei einem Fernsehsender bis zum gefeierten Regisseur
hochgearbeitet hatte, bekam dieses Jahr in Locarno den Ehrenleoparden
für sein Lebenswerk.

Beim vorangegangenen
Gespräch im kleineren Kreis erzählte der Regisseur von seinem Leben
und Werk und bewies dabei erstaunliche Qualitäten als Unterhalter –
seine freundliche, selbstironische Art, aber auch seine respektlosen
Seitenhiebe auf einige Schauspieler, mit denen er zusammengaerbeitet
hatte, brachte die versammelte Schar hartgesottener
Festivalveteranen, routinierter Filmexperten und abgebrühter
Pressevertreter mehrmals zu schallendem Gelächter... der Mann ist so
witzig, dass ich mich gefragt habe, warum er lieber Horrorfilme und
harte Thriller dreht statt Komödien im Stile Billy Wilders.

(Bild: William Friedkin in Locarno mit 35MM-Redakteur Alex Sancho-Rauschel)

Mehrere Schauspieler
waren abgesprungen bei den Vorbereitungen zu „The French
Connection“ (auf deutsch: „Brennpunkt Brooklyn“), und
schliesslich traf er sich mit Gene Hackman zum Abendessen. Das erste
Geschäftsessen seiner Karriere, bei dem er tatsächlich
eingeschlafen war – denn Gene Hackman, so versichert er, sei
wirklich der „most boring man I`ve ever met“ gewesen – aber
mangels Ersatz geb er ihm dennoch den Job, d.h. die Hauptrolle
„Popeye“ Dolan. Und der schweigsame Hackman erwies sich im
Nachhinein als die Traumbesetzung, der Film wurde zu einem
Meilenstein der Kinogeschichte, der harte, zynische Cop zur Ikone des
modernen Polizeifilms, der den naiven Saubermännern des klassichen
Hollywoods ein Ende bereitete.

Am Abend auf der Piazza
erhielt William Friedkin dann seinen Ehrenleoparden und bedankte sich
sogleich mit ein paar weiteren Anekdoten aus seiner langen Karriere.
Im Anschluss an die Verleihungszeremonie wurde eines der späteren
Werke des Regisseurs gezeigt: „To live and die in L.A.“, ein
nicht ganz einfach zu entwirrender Thriller mit einem hervorragenden
Willem Dafoe als fieser Schurke (denn nichts kann er besser!) und dem
jungen John Turturro, dem späteren Lieblingsschauspieler der
Coen-Brüder, in einer lässigen Nebenrolle.