Neben dem Filmfestival findet ja hier in Cannes parallel auch noch der weltgrößte Filmmarkt statt, auf einer riesigen Messe im Untergeschoss und einem Nebengebäude des Filmpalais, hier werden Filmrechte gehandelt, Unmengen von Produzenten und Studios verkaufen ihre Filme an Rechteverwerter wie Filmverleiher, Kinobetreiber, Fernsehsender oder DVD-Produktionsfirmen, und die Boulevardpresse aus aller Welt ist sowieso präsent, selbst wenn sie sich nicht im geringsten für Filme interessiert – die Dichte an Prominenten, SchauspielerInnen, Models und anderen “Wichtigseienden” und “Wichtigtuenden” ist einfach zu hoch, als das die Klatschblätter und Fernsehsender den ganzen Cannes-Rummel ignorieren könnten.
Dazu gehört natürlich auch jede Menge Klatsch und Tratsch. Wer gerade mit wem wie lange und warum ins Bett geht oder welche Abendgarderobe man und frau dieses Jahr so trägt, finde ich ja ehrlich gesagt nicht so wahnsinnig spannend – ich fürchte auch, meine Boulevard-Presse-Kompetenzen in diesem Bereich reichen einfach nicht aus, um über so elementar wichtigen Bereiche qualifiziert berichten zu können.
Aber im Filmbereich selbst brodelt die Gerüchteküche nicht weniger heftig, und oft kann man hier bereits erfahren, was in den kommenden ein oder zwei Jahren gedreht und in den Kinos landen wird.
Also kommt hier für Euch, exklusiv und ganz Frisch, der neueste Cineasten-Tratsch aus der Filmhauptstadt:
- Der spanische Altmeister Carlos Saura, der sich ja neben der Produktion von zahlreichen Klassikern des spanischen Kinos auch immer wieder engagiert an der Franco-Diktatur abgearbeitet hat, plant einen neuen Film: "Guernica 33 Days - Picasso's Masterpiece Creation" ist der internationale Arbeitstitel des Spielfilms, der im Herbst 2013 fertig sein soll. Bekanntlich hatte Picasso das Werk nach den Eindrücken der Bombardierung des baskischen Ortes durch die deutsche "Legion Condor" geschaffen, eine Anklage menschlicher Gewalt und Zerstörungswut im Krieg. Angeblich sind die Hauptrollen mit Antonio Banderas und Gwyneth Paltrow besetzt... Na, dann hoffen wir mal, dass das gutgeht... aber Saura hat ja einen gewissen Vertrauensvorsprung, ich will also vorerst mal dran glauben.
- Peter Greenaway (der britische Regisseur von Filmen wie Der Dieb, der Koch und ihr Liebhaber; Prosperos Bücher, Der Bauch des Architekten und einem weiteren guten Dutzend meiner Lieblingsfilme) plant endlich mal wieder einen eigenen neuen Film – und nach über zwei Jahrzehnten will erstmals wieder in Großbritannien drehen. Es soll eine modern Variation von Thomas Manns “Tod in Venedig” werden, eine Art Fortsetzung, in der es um das weitere Schicksal des seinerzeit von Gustav von Aschenbach vergötterten Knaben Tadzio gehen soll.
Greenaway ist allerdings auch dieses Jahr in Cannes present – er ist beteiligt an dem Film “3x3D”, an dem auch Jean-Luc Godard mitgewirkt hat, und der dieses Jahr die Programmsektion “Semaine de la Critique” als Abschlussfilm beenden wird. - Gute Nachrichten für alle Fans der ätherischen “Arthouse”-Schönheit (und großartigen Schauspielerin) Cate Blanchett. Sie soll eine führende Rolle in dem gaplanten Film “Blackbird” bekommen, den Regisseur David Mamet aktuell plant. Ein “Nailbiter” (also ein Film, so spannend, dass man als Zuschauer seine Nägel abknabbert) sol les werde, der, so munkelt man hier in den Korridoren, eine neue Interpretation für die Hintergründe von Kennedys Ermordung liefern soll. Ist das neu? Ist das originell? Haben wir das schon tausenmal gesehen? Nein, nein und nein! Aber wollen wir sehen, wie Cate mit scharfem Verstand und unergründlichen Augen den wahren Mörder findet? Ja, ja, ja und ja!!!
- Luc Besson, der französische Großproduzent und Regisseur für die ganz fetten Budgets (zumindest nach europäischen Maßstäben) plant einen Film mit dem Arbeitstitel “Sea at War”, zusammen mit Christophe Lambert. Angeblich sol les um Meerjungfrauen gehen, und Besson schreibt das Drehbuch selbst – es steht also zu befürchten, dass wir demnächst Milla Jovovich mit blauer Fischflosse zu sehen bekommen!
- Beim kommenden 66. Filmfestival Locarno (7.-17. August 2013) soll Werner Herzog den Ehrenleopard für sein Lebenswerk bekommen, heißt es in einer aktuellen Pressemeldung. Besonders wird hervorgehoben, dass Herzog Kunst und Kommerz zu verbinden versteht, dass er große wie kleine wie gar keine Budgets meistert, um seine Filme zu produzieren, dabei aber stets seine eigene Handschrift zeigt.
Im Rahmen des schweizer Festivals soll es auch eine kleine Retrospektive seiner Werke geben.
Herzog arbeitet angeblich zur Zeit an einem Film über die Entdeckerin, Schriftstellerin und Archäologin Gertrude Bell, gerüchteweise mit Naomi Watts in der Hauptrolle. - Autobahnen? Sind das nicht diese angeblich von Hitler persönlich irgendwann mal gebauten Schnellstraßen? Ganz falsch: “Autobahn” wird der nächste “car-chase-thriller” des Regisseurs Eran Creevy, mit Zac Efron und Amber Heard in den Hauptrollen. Story? Ja, ist auch vorgesehen (!).
Ein amerikanischer Rucksacktourist tingelt durch Europa, wird fahrer für ein europäisches Drogenkartell. Ich zitiere die Pressemeldung:
Er bekommt Ärger mit einer rivalisierenden Drogengang, und “(…) he is forced to flee at breakneck speed down Germany’s autobahns – highspeed freeways (…).”
Klingt toll, oder?
Ich wollte schon immer mal wissen, wie sich amerikanische Filmproduzenten den “Kleine-Jungs-Traum” von “freeways” ohne Geschwindigkeitsbegrenzung vorstellen. Ob Kraftwerk dazu den Soundtrack liefern darf?
Alexander Sancho-Rauschel