Ende der rechten Münsterplatz-Demos

Ende der rechten Münsterplatz-Demos

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Münsterplatz am 13. 06. 2020
Münsterplatz am 13. 06. 2020
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Corona Solidarität Freiburg

Wir dokumentieren den Bericht von Corona Solidarität Freiburg zu den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen am 13. Juni 2020.

Erneut versammelten sich in der Freiburger Innenstadt insgesamt maximal 100 Menschen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Während bei einer Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge noch Forderungen eines Untersuchungsausschusses gestellt wurden, versammelten sich die "Freunde der Freiheit" auf dem Münsterplatz vorerst das letzte Mal. Doch nicht ohne nochmal antisemitische Inhalte zu verbreiten und weiterhin unter Beteiligung von Rechtsextremen.
 

Ein bisschen Skandinavien auf dem Platz der Alten Synagoge

Maximal etwa 50 Menschen versammelten sich bei gutem Wetter auf dem Platz der Alten Synagoge. Die Veranstaltung wurde von einer Band, die sich "Die Schweden" nennt, musikalisch eröffnet und begleitet. Dass Schweden jüngst einen explosionsartigen Anstieg an Infektionszahlen zu vermelden hat (1), scheint die Schweden-Fans nicht zu stören. Sie beharren darauf, durch Herdenimmunität die Pandemie überwinden zu können. Selbst wenn die Fakten gegen ein solches Modell sprechen und der "Schwedische Sonderweg" in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft auf breite Kritik stößt.

Alternative Fakten und andere Widersprüchlichkeiten

In der Rede von Dr. Thomas Külk. wurde beispielsweise die Existenz der Pandemie abermals angezweifelt und eine Diktatur-Regierung herbeiphantasiert. In einer anderen Rede nochmals ein Untersuchungsausschuss gefordert. Dieser solle die Lockdown-Maßnahmen durch die Bundesregierung prüfen, wie es in Dänemark der Fall sei. Dass die Maßnahmen aktuellen Studien zu Folge Millionen von Leben gerettet haben sollen, lassen die Redner*innen unbeachtet (2).

Auch das widersprüchliche Verhältnis zu freiheitlich-demokratischen Grundrechten wurde einmal mehr deutlich. So kam es am Rande der Kundgebung zu einer Konfrontation, als ein Demonstrant mit Grundgesetz um den Hals gebunden versuchte, die Pressefreiheit einzuschränken, in dem er einen Fotojournalisten bedrängte. Nach Personalienfeststellung des Fotografen durch die Polizei konnte dieser seiner Arbeit allerdings weiter nachgehen.

Die Münsterplatz-Mahnwache & die Sache mit den Rechten

Zu einer vorerst letzten Kundgebung hatten die "Freunde der Freiheit" auf den Münsterplatz aufgerufen. Ca. 40 "Corona-Rebellen" folgten dem Aufruf, darunter erneut der rechte Youtuber Matt, der rechtsextreme AfD-Lokalpolitiker Robert Hagerm. und die Faschistin Ayesha G.
Eine vermeintliche Distanzierung von der rechten Szene eines Redners zu Beginn der Veranstaltung erscheint bei dieser Präsenz unglaubwürdig. Dieser meinte, sie [die Demontrant*innen, Anm. der Redaktion] seien von Rechtsradikalen "überschwemmt" worden, "mit Plakaten in Reichsfarben". Dies hätte die erhöhte Polizeipräsenz in den letzten Wochen nötig gemacht. Das große Reichsfarben-Transparent der letzten Kungebungen ist zwar verschwunden, die Menschen, die es hielten, besuchten die Versammlung jedoch weiterhin ungestört - wie auch die oben erwähnten Rechtsextremen. Dieser vorgegebenen Distanzierung schloss sich eine Freundin von Ayesha G. an. So ergriff sie das Mikro und sagte in Bezugnahme auf G.: "Das ist meine Freundin und ich weiß tausendprozentig (sic), dass dieses Mädel in keinster Weise rechtsradikal ist." Im späteren Verlauf der Mahnwache beschimpfte Ayesha G. aus dem Nichts einen anwesenden Pressefotografen und filmte Gegendemonstrant*innen ab. Der augenscheinliche Hass auf Journalist*innen und Linke lässt im Hinblick auf die Geschehnisse 2011 die Distanzierung ihrer Freundin als eine Farce erscheinen.

Zur Erinnerung: Ayesha G. war 2011 mit dem Neonazi Florian S. an einem Übergriff auf Antifaschist*innen beteiligt, in dessen Verlauf ein Antifaschist schwer verletzt wurde. Ayesha G. wurde aus gesundheitlichen Gründen damals nicht zur Tat vernommen. Sie wurde von ihrem damaligen Freund im Laufe des Prozesses gegen Florian S. jedoch als Beteteiligte benannt. Bewaffnet sei sie mit einer Eisenstange gewesen.

"Corona-Rebellen" vs. Pressefreiheit

Auch auf dem Münsterplatz wurde erneut deutlich, dass die Demontrant*innen der "Mahnwache für den Erhalt der deutschen Grundrechte und unserer Freiheit" nicht nicht die Freiheit der Presse einschließen. So versuchte zu Beginn der Versammlung ein Mitorganisator einen anwesenden Pressevertreter vergeblich des Platzes zu verweisen. Auch dem "Corona-Rebellen" Robert Hagerm. scheint Art. 5 des Grundgesetzes bedeutungslos zu sein. So fiel er mehrfach dadurch auf, dass er Pressearbeit behinderte. Als er von anwesenden kritischen Beobachter*innen darauf angesprochen wurde, meldete sich ein Demonstrant zu Wort, der vor drei Wochen gemeinsam mit einem weiteren "Rebellen" Gegendemonstrant*innen aggressiv anging und bedrohte. Die kurze Diskussion um die Behinderung der Pressearbeit quittierte er diesmal mit der Aussage: "Die Pressefreiheit ist mir sch***egal!"

Rechte Quellen und antisemitische Verschwörungsmythen

Die Redebeiträge zeugten ebenfalls von rückwärtsgewandten, rechten und antisemitsichen Weltbildern, die unvereinbar mit freiheitlichen und demokratischen Grundsätzen sind. So zitierte beispielsweise der Redner, kurz nachdem er die angebliche "Überschwemmung" von Rechten beklagte, die neurechte Wochenzeitschrift "Junge Freiheit" (3) und ergänzte später: "Wird Zeit, dass mal wieder aufgeräumt wird da oben." Eine Rhetorik, die bei rechtspopulistischen Agitator*innen gerne gepflegt wird. Eine andere Rednerin hielt eine religiöse Ansprache, in der sie sich als Lebensschützerin und Abtreibungsgegnerin präsentierte. Sie fordere eine Abkehr von der "Abtreibungslobby" zurück zu einer "Unterordnung vor Gott".

Die vorletzte Rede war von allen, die dort gehalten wurden wohl eine der problematischsten: Eine ältere Dame bot eine 26 Minuten lange verschwörungstheoretische Ausführung über Eugenik dar, u.a. mit der Aussage, Josef Mengele wäre von der Rockefeller Stiftung beauftragt gewesen "Studien zur Eugenik und zur Rassenreinigung zu erbringen". Diese Aussage ist nicht nur falsch, sondern zu tiefst antisemitisch, weil sie impliziert Jüdinnen und Juden seien selbst Schuld an der Shoah gewesen. Weitere in der Rede abgearbeitete Punkte: vermeintliche Chip-Implantierung zur Geburtenkontrolle, mehr Kontrolle durch SpaceX-Satelliten, geplante Schweinegrippe als Testlauf für die ebenfalls geplante Corona-Pandemie, durch Bilderberger unter Führung von George Soros, als die fädenziehende Macht im Hintergrund usw. usf. Was wie eine Satire klingt, war von dieser Rednerin jedoch ernst gemeint. Der Applaus des Publikums zwischen den Redepausen zeigt eine breite Zustimmung für diese kruden Thesen.

Vorläufiges Ende für die "Freunde der Freiheit"

Bundesweit verlieren "Hygienedemos" stetig an Relevanz und Beteiligung. Auch medial wird der Strömung, die so gerne eine soziale Massenbewegung wäre, kaum Aufmerksamkeit mehr geschenkt.

Vor dem Hintergrund scheint es wenig verwunderlich, dass die Organisator*innen der Mahnwache auf dem Münsterplatz bekannt gaben, in nächster Zeit pausieren zu wollen. Als Gründe für diese Entscheidung gaben sie angebliche Bedrohungen gegenüber ihnen an, jedoch ohne das zu konkretisieren. Zudem gaben sie an, dass der Organisationsaufwand und die Eindrücke der Proteste überwältigend gewesen seien. Es kann vermutet werden, dass auch die kontinuierliche Anwesenheit von Gegendemonstrant*innen, aufklärende Berichte sowie die schwindenden Teilnehmer*innenzahlen ihren Teil zu dem Entschluss beitrugen.

Neustart wider den Entwicklungen

Der Entwicklung zum Trotze kündigte die Gruppierung "Bewegung2020" (ehem. "Widerstand2020") den Versuch an, eine weitere Kundgebung mit offenem Mikrofon zu veranstalten. Obwohl sich "Bewegung2020" mehrmals von rechts (sowie selbstverständlich von links) distanzierte, scheinen auch sie keinerlei Probleme mit rechten, sozialdarwinistischen und antisemitischen Inhalten  zu haben. Wenn auch in den dazugehörigen Telegram-Gruppen keine offen rechtsextremen und volksverhetzenden Inhalte geteilt werden, posten führende Köpfe regelmäßig verschwörungsideologische und neurechte Inhalte. Mindestens eine Person ist ebenfalls in der Telegram-Gruppe der "Corona Rebellen" aktiv, wo ein rechter bis rechtsradikaler Grundkonsens zu herrschen scheint. (4) Zudem wird sich in den "Bewegung2020"-Gruppen für eine Zusammenlegung der einzelnen Kundgebungen ausgesprochen, da Ziele und Wege zwar different seien, aber alle dasselbe Problem ausgemacht hätten. Dies würde jede Distanzierung obsolet machen und einem stillschweigenden Schulterschluss mit Rechts gleichen.

Inwiefern ein Wechsel des Organisationsteams und dem dazugehörigen, möglicherweise verbrauchten Label "Freunde der Freiheit" neuen Schwung auf den Münsterplatz bringen können, wird sich zeigen. Es darf aber zumindest angezweifelt werden. Fest steht jedoch, dass eine Neuauflage durch "Bewegung2020" nahtlos an die bisherigen Mahnwachen anknüpfen möchte und so weiter ein Podium für Verschwörungstheorien sowie für antisemitische und neurechte Inhalte bietet.


 

(1) https://www.tagesspiegel.de/politik/behoerden-melden-rekord-infektionszahlen-verliert-schweden-die-kontrolle-ueber-die-corona-pandemie/25910212.html

(2) https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.analyse-von-elf-europaeischen-laendern-studie-lockdown-verhinderte-ueber-drei-millionen-tote.dc5e61c4-ac9a-459b-aac2-4bf443a0473f.html

(3) https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/230020/die-junge-freiheit-sprachrohr-einer-radikal-nationalistischen-opposition

(4) https://rdl.de/beitrag/f-r-viele-ist-es-wie-der-einstieg-eine-sekte-hohes-gewaltpotenzial