Endlich, das erste richtige Highlight!

Endlich, das erste richtige Highlight!

Es ist endlich soweit, ich habe meinen Festivalfavoriten. Habe ich bisher zwar durchaus gute Filme gesehen, war eigentlich kein Film dabei, der mich so richtig begeistert hat. Das hat sich heute Morgen geändert. Gerade komme ich aus der Vorführung von "The Lunchbox, einem indischen Film, der hier in der unabhängigen Reihe "Semaine de la critique" (Kritikerwoche) läuft und offenbar auch beim Festivalpublikum gut ankommt. Denn laut Aussage des netten Menschen des Vertriebs (The Match Factory) waren bisher alle Vorstellungen voll. Und zwar nicht nur die, welche im offiziellen Programm liefen sondern auch die in der Filmmesse, die eigentlich in erster Linie dazu da sind, den Film an ausländische Filmverleiher zu verkaufen. In diese Vorführungen gehen insbesondere die Einkäufer der Verleihfirmen um die Filme zu sichten, die im nächsten Jahr dann in den jeweiligen Ländern in die Kinos kommen sollen. Diese Leute schauen sich die Filme häufig gar nicht ganz an sondern sehen sie nur ausschnittsweise und entscheiden dann auf Basis dessen, was sie gesehen haben, ob es sich lohnt, den Film zu kaufen. Kommt ein Film gut an, schauen ihn aber auch verstärkt die Messebesucher rein aus persönlichem Interesse und nicht, weil sie den Film kaufen möchten. Wenn ein Film auch die Messevorführungen durchweg füllen kann, ist das ein gutes Zeichen, aber schlecht für mich, da ich mit meiner reinen Festivalakkredtierung eigentlich gar keinen Zugang zu diesen Vorführungen habe. In diesem Fall hatte ich Glück und konnte einen Platz ergattern, ein Freund von mir mußte allerdings draußenbleiben.

The Lunchbox erzählt die Geschichte einer irregeleiteten Lunchbox in Bombay. Dort gibt es ein erstaunlich gut funktionierendes System von Lunchboxverteilern, welche in der Mittagszeit die liebevoll gekochten Mittagessen der Ehefrauen bzw. die in den Restaurants bestellen Mahlzeiten in den sogenannten Lunchboxes an die Arbeitsplätze der Männer transportieren. Im Vorspann wird gezeigt, wie das ganze funktioniert, und isbesondere als Europäer fragt man sich hier bereits, wie auch nur eine einzige dieser Boxen es schafft, beim richtigen Empfänger anzukommen. Auf Fahrrädern, in der U-Bahn und auf großen Transportbrettern kommen die Boxen aus der ganzen Stadt zusammen und werden verteilt. Schneller als jeder Brief sind sie beim Empfänger. Und wie gesagt, das System funktioniert erstaunlich gut. Dennoch kommt es im Falle Ilas zu einem Fehler. Ihr Mittagessen landet bei einem falschen Empfänger. Umso tragischer, da sie doch mit dieser Mahlzeit eigentlich ihren Mann dazu bringen wollte, ihr wieder ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Denn dieser hat nur seine Arbeit im Kopf. Kommt er nach Hause nimmt er kaum Notiz von seiner bildhübschen Ehefrau sondern wendet sich gleich wieder seinem Handy und seiner Arbeit zu. Zärtlichkeiten gibt es zwischen dem Paar keine mehr. Umso enttäuschter ist Ila, als sie erahnt, daß ihr Mann ihre Lunchbox gar nicht erhalten hat. Ihre Tante, die im Appartment über ihr wohnt, und mit der sie immer lautstark zum Fenster hinaus kommuniziert, rät ihr, dem fremden Empfänger einen Brief zu schreiben und diesen in die Lunchbox zu legen, was Ila dann auch macht. Es entspinnt sich eine Art Brieffreundschaft zwischen den beiden und vielleicht sogar mehr. Doch so richtig trauen sich beide nicht aus der Reserve, fangen aber insgeheim an, von einem anderen Leben zu träumen.

The Lunchbox ist ein großartiger Film darüber, daß auch ein falscher Zug einen zur richtigen Station bringen kann. Da der Film von Arte koproduziert ist, ist davon auszugehen, daß er auch in den deutschen Kinos starten wird. Merkt ihn euch vor, es lohnt!

AP