Forderung der Anti-Atom-Bewegung nach Stilllegung der Brennelemente-Fabrik Lingen

Forderung der Anti-Atom-Bewegung nach Stilllegung der Brennelemente-Fabrik Lingen

Deutsche, russische und französische Anti-Atom-Initiativen fordern gemeinsam von der Bundesregierung und der niedersächsischen Landesregierung die Stilllegung der Brennelemente-Fabrik Lingen sowie ein Aus für die geplante französisch-russische Atom-Kooperation in Lingen. Am Samstag, 22.01., demonstrierten in Lingen zahlreiche Menschen gegen den Einstieg des russischen Atomkonzerns Rosatom bei der Brennelemente-Fabrik in der emsländischen Stadt. Infolge einer Lücke im deutschen Atomgesetz verfügen die UAA Gronau und die Brennelemente-Fabrik Lingen auch über 2022 hinaus über unbefristete Betriebsgenehmigungen. Sie garantieren den Nachschub an Brennelementen für weltweit rund 100 Atom-Reaktoren.

Der Einstieg des russischen Atom-Konzerns Rosatom mittels seiner Tochterfirma TVEL in die Brennelemente-Fabrik Lingen, die bislang allein dem französischen Atom-Konzern Framatome gehört, untergrabe den auf Dezember 2022 terminierten Atom-Ausstieg Deutschlands, sagte Alexander Vent vom Bündnis AgiEL. Es seien auch viele TeilnehmerInnen etwa aus dem Ruhrgebiet oder aus Kiel zu der Demo nach Lingen angereist. "Offenbar ist das ein wichtiges Thema auch für Menschen, die von weiter weg kommen. Der Atom-Ausstieg ist in Deutschland erst vollendet, wenn auch die Brennelemente-Fertigung in Lingen und die Uran-Anreicherung in Gronau beendet werden", sagte Vent.

In einer Pressekonferenz forderten die beteiligten deutschen, russischen und französischen Anti-Atom-Initiativen auch die Stilllegung der bundesweit einzigen Uran-Anreicherungs-Anlage (UAA) in Gronau sowie eine klare Ablehnung der von EU-Kommissions-Präsidenten Ursula von der Leyen verkündeten Einstufung von Atomenergie und Erdgas als "nachhaltig". (Siehe hierzu auch unseren <a href="akwtax220101.html" target=_blank>Artikel v. 1.01.22</a>.)

Die Brennelemente-Fabrik Lingen wird von Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF) betrieben, einer Tochtergesellschaft der Framatome GmbH, (vormals Areva NP, jetzt Orano). Framatome möchte mit dem russischen Atomkonzern Rosatom ein Joint Venture eingehen, um die Zukunft der betriebswirtschaftlich maroden Uranfabrik in Lingen zu sichern. Das Bundeskartellamt hat dem bereits zugestimmt. Nach Ansicht der deutschen, russischen und französischen Anti-Atom-Initiativen würde ein solches Joint Venture nicht nur den für Ende 2022 in Deutschland anvisierten Atom-Ausstieg untergraben, sondern wäre zugleich ein gefährlicher Türöffner für die russische Atom-Industrie.

Der Träger des Alternativen Nobelpreises 2021, Vladimir Slivyak, von der russischen Umweltorganisation Ecodefense, erklärte dazu in Lingen: "Wir lehnen die Beteiligung der russischen Atom-Industrie an der Brennelemente-Produktion in Deutschland strikt ab. Wir benötigen international ein Zeichen für den Ausbau erneuerbarer Energien – weg von Atom, Kohle und Gas. Das Beharren auf der Atomkraft ist ein gefährlicher Irrweg." Slivyak ist der Ansicht, daß es Rosatom vor allem darum gehe, mehr Einfluß auf den europäischen Energiemarkt zu gewinnen. Das geplante Joint Venture zwischen Framatome und TVEL kritisiert er außerdem, weil die Gefahr bestehe, daß das nukleare Material für militärische Zwecke genutzt werde. Bezeichnender Weise haben weder der Betreiber der Lingener Brennelemente-Fabrik noch der russische Konzern TVEL auf eine entsprechende Frage des NDR geantwortet.

Lingen beliefert derzeit international etwa die durch gefährliche Risse bekannt gewordenen belgischen AKW Tihange und Doel sowie das AKW Cattenom in Frankreich, das AKW Leibstadt in der Schweiz und das niederländische AKW Borssele.

Kritik am Weiterbetrieb der Brennelemente-Fabrik sowie der französischen Atompolitik kommt von Cécile Lecomte vom französischen Netzwerk Réseau Sortir du nucléaire: "Präsident Macron kündigte im Herbst 2021 den Bau von neuen Atom-Reaktoren an. Zugleich wird vom französischen Netzbetreiber RTE vor einem möglichen Blackout in der Stromversorgung des Landes bei der nächsten Kältewelle gewarnt, weil die Atomkraftwerke Strom nicht zuverlässig liefern. Es wird aber suggeriert, der Bau von neuen Reaktoren könne sowohl das Versorgungs- als auch das Klima-Problem lösen. Dem ist nicht so. Das Geld fließt in eine Technologie, die das Klima-Problem nicht lösen kann und zugleich den Ausbau der erneuerbaren Energien blockiert. Mit den Brennelemente-Exporten nach Frankreich unterstützt der Standort Lingen diese verkehrte Politik."

Dr. Angelika Claußen, Europa-Vorsitzende der Friedensnobelpreisträger-Organisation IPPNW äußerte scharfe Kritik an der angestrebten Förderung von Atomkraft im Rahmen der neuen EU-Taxonomie: "Bei der EU-Taxonomie geht es um milliardenschwere Fördertöpfe. Präsident Macron will der Atomenergie ein grünes Label verschaffen. Doch in Wirklichkeit geht es um die Modernisierung von Frankreichs Atomwaffen. Das zeigt ein Zitat aus Macrons Rede bei seinem Besuch 2020 in der Atomschmiede le Creusot: »Ohne zivile Atomenergie gibt es keine militärische Nutzung und ohne militärische Nutzung gibt es keine zivile Atomenergie.« Im Klartext: Ohne eine Atom-Wirtschaft auf dem neuesten technischen Stand kann Frankreich sein Atomwaffen-Arsenal nicht weiter ausbauen und modernisieren. Und Framatome hier in Lingen ist Bestandteil dieser Politik."

Die Initiativen und Verbände lehnen zudem die aktuellen Neubaupläne für Atom-Reaktoren in den benachbarten Niederlanden ab und fordern die sofortige Stilllegung der verbliebenen drei Atomkraftwerke in Deutschland - darunter auch das AKW Emsland in Lingen.