Initiative Pro Nachtleben - Widerstand regt sich. Bunter und autonomer gehts aber schon!

Initiative Pro Nachtleben - Widerstand regt sich. Bunter und autonomer gehts aber schon!

Gestern, dem 30.10.2013, versammelte sich erstmals die von Daniel Schmitt, Joe Evers und Stefan Kron ins Leben gerufene Bürgerinitiative "Pro Nachtleben" im Artik. Gerufen wurden all jene, die sich dem Anliegen des Lokalverein Innenstadt Freiburg entgegenstellen wollen. Dieser fordert eine Verkürzungen der Sperrzeiten und eine Aufstockung der polizeilichen Kräfte bis hin zur Einführung eines "neuen" kommunalen Ordnungsdienstes.  Dagegen wird es Zeit aktiv zu werden, denn die Zeit drängt.. Darin waren und sind sich alle die ca. 40 Beteiligten Personen einig gewesen. Offen war die Frage nach den zu vertretenen Inhalten und zu antizipierenden politischen Strategien. So traf man sich nach der spontanen Gründung von "Pro Nachtleben" Anfang September auf Facebook vornehmlich, um über diese Punkte zu diskutieren und einen Aktionsplan zu erarbeiten.

Übergreifender Konsens aller Teilnehmenden war, dass man die derzeitige Sperrzeitenregelung beibehalten wolle. Die aktuelle Gesetzeslage sieht derzeit Sperrzeiten von drei Uhr nachts unter der Woche und fünf Uhr in der Früh am Wochenende vor. Auch wurde angeregt darüber nachzudenken, ob eine generelle Abschaffung der Sperrzeiten nicht auch ein prinzipieller Lösungsansatz wäre, der die Lärmproblematik entschärfen könnte. So


seien es gerade die Menschentrauben, die gegen 5 Uhr in der Früh von der Kneipe auf die Straße gekehrt würden, die die Hauptursache des Konflikts darstellen. Es gehe darum aufzuzeigen, dass das Lärmproblem nicht die Schuld der Gewerbeschaffenden sei und das Phänomen "Nachtlärm" ein komplexes Problem sei, dass viele Verursache habe. Die Problemdarstellung des Lokalvereins Freiburg Innenstadt sahen alle Beteiligten als zu einfach gestrickt an. Gleiches gilt für deren Lösungsansätze, die nicht wirklich dafür garantieren könnten, dass sich das Problem dadurch lösen lasse. Vielmehr bestünde die Gefahr einer lediglichen zeitlichen Verlagerung des Phänomens.Deutlich wurde hierbei, dass man gerade die Konsumenten des nächtlichen Treibens in einer besonderen Verwantworung sieht. Dem Thema Lärm müsse auch von Pro Nachtleben lösungsorientiert begenet werden.

 

Abschließende Beschlüsse waren strategischer Natur. Man plant nun den politischen Weg einzuschlagen und an die Stadt Freiburg heranzutreten. Außerdem wurden über generelle Aktionen beratschlagt, die die breite Öffentlichkeit mobilisieren können. Auch die Sensibilisierung und Politisierung der Bar-und Clubgänger durch diverse Aktionen war Thema der Beteiligten, was angesichts der oben ausgeführten Debatte nur logisch und notwendig erscheint.

Abschließend fand sich ein neunköpfiger Ausschuss zusammen, der aus spontan zum Engagement bereiten Menschen zusammensetzt, die in den nächsten Tagen möglichst rasch ein einheitliches Positionspapier der Initaive Pro Nachtleben präsentieren wollen. Weiterführend gedenkt man die noch sehr groben Vorstellungen zu konkretisieren und die nötigen Schritte zu erarbeiten, die für eine erfolgreiche Umsetzung der Aktionen notwenig sind. Insbesondere die Bildung einer Delegation muss geschaffen werden, um die Interessen und Anliegen von Pro Nachtleben in den Stadtrat einzubringen.

Abschließend bleibt zu erwähnen, dass die "Gewerbeschaffenden der Nacht" einen hohen Anteil der an dem Treffen teilhabenden einnahmen. Aktive Partygänger, politische Aktivisten für einen freien öffentlichen Raum und gegen staatliche Repression oder sonstige Anhänger sozialer Bewegungen waren in einem nur sehr sehr geringen Anteil vor Ort. Dies zeigt auch, dass es im Kontext von Pro Nachtleben um harte wirtschaftliche Interessen geht und weniger um grundlegend zu befürwortende Anliegen wie ein Recht auf Stadt, die wesentlich mehr umfassen als eine profitorientierte Unternehmerschaft. Die kulturelle und bürgerrechtpolitische Dimension der Problematik klang zwar immer wieder an, führte letztlich aber doch meist wieder zu den Themen Arbeitsplätze und den privaten Existenzen der Betreiber. Dies sind legitime Gründe, verengen die Debatte aber letztlich auf einen ökonomischen Standpunkt, der das Recht auf Toleranz, autonome Lebensführung und die Wünschbarkeit nicht restriktiv regulierter öffentlicher Räume jedoch zu kurz fasst und rein ökonomisch statt unter politisch-emanzipativen Gesichtspunkten betrachtet. Nachdenklich sollte einen in diesem Kontext auch stimmen, dass einige Wenige der Anwesenden sogar die Meinung kundtaten, es bräuche ein "Mehr" an Polizei, Ordnung und gesetzeskonformen Verhalten. Hiergegen wurden nur vereinzelt, dafür aber bestimmt, Gegenstimmen und Gelächter laut. Inwiefern eine solche Logik letztlich nicht genau der des eigentlich zu kritisierenden Lokalvereins Innenstadt Freiburg darstellt, bleibt dem kritischen Leser überlassen. Den Autor erinnerte die Empörung über die Radikalisierung der saufenden sich unsittlich benehmenden Jugend und der Wünschbarkeit einer effizienten Ordnungsmacht doch an gesellschaftliche Kräfte, die er nun nicht unbedingt an diesem Ort unter diesem Anliegen erwartet hätte.

Bleibt festzuhalten, dass sich das Schicksal des Anliegen in den nächsten Tagen und Wochen entscheiden wird. Maßgeblich wird es sein, die breite Öffentlichkeit zu politisieren, zu repräsentieren und der doch sehr schlichten Argumentationsweise des Lokalvereins zu begegenen, der scheinbar mit einer sich wandelnden Stadt seine ganz eigenen Probleme zu haben scheint. Wollen wir hoffen, dass die Zeiten, in denen mit Argumenten wie einer "gesunden Anwohnerstruktur" doch der Vergangenheit angehören mag und es der Initiative Pro Nachtleben gelingt für mehr einzutreten, als den ökonomischen Wert des Partystandorts Freiburg und der neoliberalen Argumentation nach Sicherung der Arbeitsplätze. Gefragt ist vielmehr das Projekt nach einer offenen, toleranten und sich respektierenden Gemeinschaft, die die Vielfalt fördert und Freiräume für ein autonomes Leben zu schaffen mag. Davon ist die Ökonomie nur ein Teil von vielen. Und das gilt nicht nur fürs Nachtleben.
(SP)