Locarno Blog 11

Märchen
meets Weltverschwörung

Oder: Warum die Brüder
Grimm heute Mangas machen würden

Aus Locarno: Alexander Sancho-Rauschel

Im Rahmen der grossen
Manga- bzw. Anime-Retrosprektive gab es heute Raritäten zu sehen:
Frühe Kurzfilme von Osamu Tezuka, der heute als der „Disney
Japans“ oder als „der Vater der Mangas“ genannt wird, aus den
Jahren 1962-1988.

Locarno Blog 11

Märchen
meets Weltverschwörung

Oder: Warum die Brüder
Grimm heute Mangas machen würden

Aus Locarno: Alexander Sancho-Rauschel

Im Rahmen der grossen
Manga- bzw. Anime-Retrosprektive gab es heute Raritäten zu sehen:
Frühe Kurzfilme von Osamu Tezuka, der heute als der „Disney
Japans“ oder als „der Vater der Mangas“ genannt wird, aus den
Jahren 1962-1988.

Der Erfinder und
Entwickler von Figuren wie „Astro Boy“ oder „Kimba der weisse
Löwe“ hatte auch einzelne, oft sehr künstlerisch innovative oder
politische Filme gemacht, wie beispielsweise eine poetische
Reflektion über die Freundschaft eines Jungen zu einer Meerjungfrau,
welches Ablehnung und sogar Aggressionen in seiner ignoranten
Umgebung hervorruft („Mermaid“, Japan 1964, 9 min.). Aber auch in
Filmen wie „Story of a street corner“ (Japan 1962, 38 min.) oder
“Pictures at an exhibition” (angelehnt an die musikalische
Vorlage, Japan 1966, 50 min.) zeigte sich Tezuma als engagierter und
kritischer Geist, der sich deutlich gegen Faschismus, Militarismus
und die auch nach dem 2. Weltkrieg nicht völlig verschwundene
Konformität des Lebens und der Gedanken in seinem Heimatland
wendete.

Inspiration aus der Welt
des (deutschen) Märchens zog auch ein anderer Anime-Film der
Retrospektive, der Klassiker „Jin-Roh – The Wolf Brigade“,
einem harten Action-Thriller mit düsteren Gewaltorgien und
verwickelten Weltverschwörungen, in dem aber immer wieder und mit
unerwarteter Poesie auf das Märchen von Rotkäppchen verwiesen
wurde. Der Korb mit den Geschenken, der Jäger und der Wolf mit den
zu grossen Zähnen, alles wurde metaphorisch eingebaut in die
hochtechnisierte Zukunftswelt – und netterweise fuhren die Agenten
und Verschwörer mit ihren High-Tech-Superwaffen gemütlich in lauter
alten VW-Käfern in der Gegend herum. Erinnerte mich an die kodierten
Bezüge zu Deutschland und dem rundlichen Autoklassiker in „The Big
Lebowski“.

Warum die Brüder
Grimm heute Mangas machen würden aus ihren Märchen? Keine Ahnung,
aber ich habe so ein Gefühl... denn die aktuellen Animationsfilme
zeigen, wie universell die alten Stoffe und Geschichten sind und vor
allem, wie gut sie sich in ein phantasievolles, phantastisches Medium
wie die Zeichenwelt der Mangas und Animes übertragen lassen