Der Eröffnungsfilm des Festivals
Aus Locarno: Martin Koch
Der Titel klingt
nach einem Dokumentarfilm über eine
überdimensional lange Dürreperiode, der Inhalt entpuppt sich als
das Gegenteil: eine Komödie über den kompletten Zeitraum einer
Liebesbeziehung. Doch eine wichtige Einschränkung gibt Mark Webbs
„500 Days of Summer“ gleich zu Beginn vor: this is not a love
story!
Ähnlich
eigenwillig geht der Film dann auch mit weiteren Konventionen des
Rom-Com-Genres um. Anstatt einen Mann zu zeigen, der einen
Reifeprozess durchmacht, um schliesslich die Frau seiner Träume in
den Armen zu halten, sehen wir hier eine von Verwirrung geprägte
Reise durch die Erinnerungen des Glückwunschkarten-Designers Tom
Hansen (Joseph Gordon-Levitt). Dabei ist die eigentliche Geschichte
recht simpel: an Tag 1 verliebt er sich in Summer (Zooey Deschanel),
die neue Assistentin seines Chefs und man verrät nicht zuviel, wenn
man bekanntgibt, dass Tag 500 vergleichbar entscheidenden Einfluss
auf ihre Beziehung haben wird.
Denn
hier geht es nicht um die Liebesgeschichte selbst, sondern um die
erwähnte Verletzung von Regeln. Männer, die ihre Frauen gegen allzu
hartnäckige Nebenbuhler verteidigen, beste Freunde, die immer Rat
wissen oder auch die wahre Liebe, die sich nach und nach entwickelt –
alles das kommt in diesem Film zwar vor, aber ganz anders, als man es
gewohnt ist. Toms beste Freunde haben zwar Ratschläge für Tom, sind
aber selbst nicht in Beziehungssituationen, die diese Tipps besonders
glaubwürdig machen – der eine ist seit der vierten Klasse liiert,
der andere ein karaokegröhlender Dauersingle. So wird Toms
elfjährige Schwester zur Chefberaterin, was zu amüsanten
Situationen führt, nur getoppt von Toms Faustattacke auf einen
angetrunkenen Einfaltspinsel, der es wagt, Summer in Anwesenheit
ihres Begleiters anzubaggern. Während Tom selbstzufrieden grinsend
zu seinem Platz zurückschreitet, folgt der Gegenangriff auf dem
Fusse, worauf Summer ihn zwar nach Hause fährt, von seinem
¨versuchten heldenhaften Einsatz aber alles andere als beeindruckt
ist.
Man könnte „500
Days of Summer“ die Einseitigkeit seines Blickwinkels vorwerfen,
denn die einzige Möglichkeit, aus Toms Sicht herauszukommen bieten
die Fettnäpfchen, die er wie ein zuverlässiger Komödiencharge
abklappert. Doch mit Joseph Gordon-Levitt, der bereits in „Brick“
und „Die Regeln der Gewalt“ eine Mischung aus Präsenz und
eingeschränkter Wahrnehmung ausstrahlte, hat Regisseur Webb den
optimalen Hauptdarsteller für seine Anti-Lovestory
gefunden. Und so begleitet man Toms Odyssee durch die Höhe- und
Tiefpunkte der gescheiterten Beziehung weniger, um den genauen
chronologischen Ablauf dieser Beziehung herauszufinden. Es geht eher
darum, das Chaos dieser Beziehung aufzuzeigen und in dieser
augenzwinkernd erzählten Rekapitulation einen Blick darauf zu
gewinnen, wie unsere eigenen Erinnerungen funktionieren.
Von Toms
angebeteten Summer erfährt man – wie Tom – die meiste Zeit lang
eher wenig. Die geheimnisvolle Aura, die sie dadurch umgibt erinnert
an Zooey Deschanels frühere Rolle Trillian aus „Per Anhalter durch
die Galaxis“. Souverän und charmant führt sie Tom an der Nase
herum und dass scheinbar ohne zu wissen was sie will – auf
leidenschaftliche Küsse vor dem Firmenkopierer folgt die Aussage,
sie brauche keinen Freund. Wer sich nach diesem Film über die
unglaubwürdige amouröse Spannung zwischen den beiden Hauptfiguren
beschwert, muss das ohne Zweifel Summer in die Schuhe schieben.
Immer dran denken: this is not a love
story! Obwohl es aus Toms Sicht trotzdem eine ist.
Was dann wiederum die Komik und Einzigartigkeit dieser Geschichte
ausmacht. Mark Webb hat es mit „500 Days of Summer“ geschafft,
die Konventionen der romantischen Komödie zu umgehen, ohne sich
dabei allzu weit von den Konventionen des amerikanischen
Unterhaltungskinos zu entfernen. Es wird nicht die Liebe an sich wie
etwa in „Liebe mich, wenn du nicht traust“ aufs Glatteis geführt,
sondern nur das, was sich der etwas weltfremde Hauptdarsteller unter
Liebe vorstellt. Oder auch dass, was sich die Stammzuschauer von
romantischen Komödien unter Liebesgeschichten vorstellen. Als
Veralberung dieser klassischen Rom-Coms hat „500 Days of Summer“
ganz klar seinen Platz.