Locarno Blog 2

Locarno Tag 1

Aus Locarno: Alexander Sancho Rauschel

Erster Tag in Locarno, erstes Mal in Locarno...

es ist immer ein verwirrendes Chaos, das auf einen einstuerzt, wenn man zum allerersten mal auf einem der grossen Festivals landet... ein Plante fuer sich, sozusagen... Wo sind die Presseraeume, wo die Kinos, wo sind Computer mit Netzanschluss, gibt es Shuttle-Busse, und wenn ja wohin, wo ist der Kaffee am billigsten oder besser noch umsonst, wo sind Klos und wo ist ein Empfang mit finanziell ueppig gestellten Sponsoren?

Locarno Blog 2

Locarno Tag 1

Aus Locarno: Alexander Sancho Rauschel

Erster Tag in Locarno, erstes Mal in Locarno...

es ist immer ein verwirrendes Chaos, das auf einen einstuerzt, wenn man zum allerersten mal auf einem der grossen Festivals landet... ein Plante fuer sich, sozusagen... Wo sind die Presseraeume, wo die Kinos, wo sind Computer mit Netzanschluss, gibt es Shuttle-Busse, und wenn ja wohin, wo ist der Kaffee am billigsten oder besser noch umsonst, wo sind Klos und wo ist ein Empfang mit finanziell ueppig gestellten Sponsoren?

Sowas wie in Cannes dieses Jahr ist mir jedenfalls hier leider noch
nicht begegnet: (kostenlosen) Champagner schluerfen neben Juliette
Binoche, das fehlt noch.

Aber ich kann nicht klagen, Locarno empfaengt uns (sprich: die
Radioredakteure eines freien Radios in Germania) freundlich, die Orte
und die Altstadt sind wunderschoen, die Sonne strahlt und der Lago
glitzert tiefblau, was will man mehr...!

Die entscheidende Lokalitaet hier, sozusagen der "Place to be", ist
die allabendliche Doppelvorfuehrung auf "der Piazza", dem zentralen,
riesigen Platz mitten in der Altstadt von Locarno. Hier werden jeden
Abend ab halb zehn zwei Filme Open Air gezeigt, auf einer wahrhaftig
gigantisch grossen Open-Air-Leinwand. Sicher der Groessten, die ich
jemals gesehen habe.

Am allerersten Abend, nach der Anfahrt aus Freiburg und dem
Zeltaufbauen auf dem Campingplatz, schaffen wir es gerade noch zur
ersten Piazza-Vorfuehrung. Marco Solari, der charismatische Praesident
des Filmfestivals von Locarno, haelt eine flammende Eroeffnungsrede und
betont dabei mit einigen Seitenhieben auf das nahe Nachbarfestival von
Venedig, dass letzteres zwar das erste Filmfestival der Welt gewesen
sei, aber eben mit seinem Gruendungsjahr 1932 eine Erfindung des
faschistischzen Italien jener Mussolini-Jahre, ein Kind des
Totalitarismus folglich, waehrend Locarno als Kind der ersten
Nachkrigesjahre im Geiste der Freiheit und Demokratie ins Leben gerufen
worden sei. Und sich diesem Geist bis heute verpflichtet fuehle.

Ehrlich gesagt halte ich die anderen grossen Filmfestivals der
Gegenwart (Cannes, Berlin, Rom und eben Venedig) mittlerweile fuer
nicht weniger "dem Geiste von Freiheit und Demokratie" verpflichtet,
aber dennoch: Eine schoene Rede eines engagierten Cineasten und ein
wuerdiger Start fuer die 62. Filmfestspiele von Locarno.

Am meisten beeindruckt hat mich allerdings, dass der aeltere
Herr als guter Schweizer sich nicht mit langen Uebersetzungen
aufgehalten hat, sondern seine Rede uebergangslos in Italienisch
begann, auf Franzoesisch fortsetzte und auf Deutsch endete, nicht ohne
angesichts der Manga/Anime-Retrospektive dieses Jahr eine flotte
Begruessung auf Japanisch dranzuhaengen. Nicht schlecht, oder?

Los gings dann mit dem offiziellen Eroeffnungsfilm "500 Days of
Summer", einer netten, etwas harmlosen, aber einigermassen originell
erzaehlten Hollywood-Liebeskomoedie des Regisseurs Marc Webb. Gute
Unterhaltung ohne Kunstanspruch, aber auch ohne Langweile.

Man klatschte brav und konnte zufrieden nach Hause gehen. 5100
Zuschauer hatten sich auf der Piazza eingefunden, das laesst sich aber
noch steigern, angeblich passen im Hoechstfall 8.000 Zuschauer hierher.