Nachrichten aus Focus Europa am 16 Dezember 2011

Nachrichten aus Focus Europa am 16 Dezember 2011

Focus Europa News, 16.12.2011

# EX- Staatspräsident Jacques Chirac verurteilt

Der ehemalige französische Staatspräsident Jacques Chirac wurde heute, Freitag 16. Dezember 2011 wegen Korruption zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Chirac in seiner Zeit als Pariser Bürgermeister 1977 bis 95 fiktive städtische Stellen geschaffen zu haben, um damit politische Verbündete zu bezahlen. Das Urteil überrascht insofern, als nicht nur die Verteidigung, sondern auch die Staatsanwaltschaft einen Freispruch gefordert hatten. Nach Angaben des Anwalts habe das Gericht jedoch den gute Leumund des Verurteilten als strafmildernd anerkannt.

# Syrischer Präsident Assad gab Schießbefehl

Nach Angaben von Menschenrechtlern haben syrische Sicherheitskräfte den ausdrücklichen Befehl erhalten, bei Protesten auf Unbewaffnete zu schießen. Kommandeure hätten angeordnet, Demonstranten mit "allen erforderlichen Mitteln" aufzuhalten, berichtete Human Rights Watch (HRW) unter Berufung auf zahlreiche Interviews mit desertierten Soldaten und früheren Angehörigen der Geheimdienste. Ein Scharfschütze sagte aus, eine Quote erhalten zu haben, wie viele Menschen bei Protesten sterben sollten. "Bei 5000 Demonstranten war die Vorgabe beispielsweise 15 bis 20 Menschen." Den Angaben zufolge gab Präsident Assad selbst die Anweisungen. Mehrere abtrünnige Soldaten sagten aus, ihre Vorgesetzten hätten ihnen berichtet, direkte Befehle des Staatschefs erhalten zu haben. Assad hatte solche Tötungsbefehle bisher abgestritten. Währenddessen legten Russland und China überraschend eine Resolutionsentwurf im Sicherheitsrat vor, der die Gewalt aller Beteiligten in Syrien verurteilt und von einem "unverhältnismäßigen Vorgehen"der Behörden spricht. Sanktionen sind in diesem Entwurf jedoch nicht vorgesehen. Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay geht davon aus, dass im Zuge der Proteste gegen das Assad-Regime schon mehr als 5000 ZivilistInnen umgekommen seien. Außerdem wirft sie Assads Sicherheitskräften Folter und Vergewaltigungen vor.

# Regierungschef Putins Sondersicht auf die russischen Parlamentswahl
Der russische Regierungschef Putin hat sich bei seiner jährlichen Frage-und-Antwort-Sendung über die Proteste gegen den offensichtlichen Wahlbetrug lustig gemacht. Er sei glücklich, engagierte junge Leute auf den Straßen Russlands zu sehen, die ihre Meinung kundtäten. Diese seien allerdings Marionetten des Auslands, solche Protestbewegungen hätten immer das Ziel, den Staat zu destabilisieren. Im Zusammenhang mit seiner Präsidentschaftskandidatur pries er die Arbeit seiner Regierung, bezeichnete sich als die einzige politische Kraft, die Russland führen könne, und stellte höhere Sozialleistungen in Aussicht. Nach Ansicht der slowenischen Tageszeitung Delo leidet Putin unter Realitätsverlust: "Mit seinen Bemerkungen zur Parlamentswahl und zu den Protesten hat Putin die Spaltung der russischen Gesellschaft verstärkt. Er hat damit bewiesen, dass er den Bezug zur Realität verloren hat.-

Die russische Führung sieht sich derzeit der stärksten öffentlichen Kritik seit Jahren ausgesetzt. Auf der Straße wie im politischen Diskurs, entsteht nach den umstrittenen Wahlen zur Staatsduma, ein für russische Verhältnisse außergewöhnlich heftiger Protest gegen die Regierung.

# EU kündigt Fischereiabkommen mit Marokko

Aus Protest gegen die Aufhebung des europäisch-marokkanischen Fischereiabkommens durch das EU-Parlament hat Marokko alle Fangflotten aus der Europäischen Union aufgefordert, seine Hoheitsgewässer zu verlassen. Das Außenministerium in Rabat sprach von "einer bedauerlichen Entwicklung mit ernsthaften Auswirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen Marokko und der Europäischen Union in der Fischerei". Das Europaparlament hatte sich am Mittwoch gegen eine Verlängerung des Fischereiabkommens ausgesprochen, weil es zu teuer sei, eine Überfischung verursache und zudem die Rechte der Bewohner der umstrittenen Region Westsahara nicht ausreichend berücksichtige.

# Militärkritiker in Ägypten von Militärgericht verurteilt

Der ägyptische Kriegsdienstverweigerer und militärkritische Blogger Maikel Nabil Sanad ist am Mittwoch von einem Militärgericht zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Vorgeworfen wurde ihm Beleidigung des Militärs, Verbreitung falscher Informationen und Störung der öffentlichen Ordnung. Der Verurteilte hatte bereits im Oktober 2010 seine pazifistisch motivierte Kriegsdienstverweigerung öffentlich gemacht und seitdem in einem Internetblog fortgesetzt kritisch über die Rolle der ägyptischen Armee im arabischen Frühling und die andauernden Menschenrechtsverletzungen durch das Militär berichtet. Im nun beendeten Prozess hatte Nabil Sanad seine Mitarbeit verweigert, da dieser einer Seifenoper gleichkäme. Heftig kritisiert wurde das Urteil u.a. vom Kriegsdienstverweigerungsnetzwerk »Connection e.V.« und der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstverweigerer (DFG-VK) Hessen. In einer gemeinsamen Stellungnahme forderten beide Organisationen die unverzügliche und bedingungslose Freilassung Sanads.

# Türkei: Die EU, Ankaras liebster Prügelknabe

Im Aufwind der wirtschaftlichen und politischen Dynamik ihres Landes kritisieren immer mehr türkische Verantwortliche die Europäische Union, die tief in der Krise steckt. Das darf jedoch nicht die Entschlossenheit Ankaras zum EU-Beitritt in Frage stellen, meint ein türkischer Leitartikler. Die Kritik an der Europäischen Union ist in der letzten Zeit in der Türkei stark in Mode gekommen. Jetzt stimmen sogar hochrangige Politiker, durchaus auch Minister und sogar der Präsident selbst in die Beanstandungen ein. Sie stehen inzwischen denjenigen, die die Europäische Union rückhaltlos kritisieren oder sich sogar über sie lustig machen, in nichts mehr nach. Die Aussage von Abdullah Gül bei seinem Staatsbesuch in Großbritannien Ende November, wo er die EU im englischen O-Ton als "miserable" qualifizierte, zeigen deutlich diese neue Tendenz. Vor diesem Hintergrund setzte der Trend dazu ein, die EU als "auseinanderbröckelnde Organisation kurz vor dem Zusammenbruch"zu bezeichnen. Wer von diesem Postulat ausgeht, kommt zu der Schlussfolgerung, dass eine Türkei, die "immer stärker wird, die EU, die ohnehin am Rande des Abgrunds steht, nicht mehr braucht".