Von Burkhard Finkh
21.7.2025 Gismo Graf feat. Stochelo Rosenberg
Ich bin sehr gespannt auf das Konzert von Gismo Graf, seines Zeichens sicher einer der bekanntesten deutschen Vertreter des Gypsy Jazz, wie ihn Django Reinhardt entscheidend geprägt hat – und er hat Stochelo Rosenberg eingeladen, mit dabei zu sein, der den Soundtrack zu "Django – ein Leben für die Musik" komponiert hat und als einer der besten Gypsy Jazz Gitarristen weltweit gilt.
Zusammen mit Gismos Vater Joschi Graf (Rhythmusgitarre) und dem Bassisten Joel Locher, beides langjährige Wegbegleiter, kommen also drei Gitarren und ein Kontrabass zu Gehör, wobei Gismo Graf und Stochelo Rosenberg den anderen beim Solo jeweils auch als Rhythmusgitarrist begleiten. Sowohl Stochelo als auch Gismo und sein Vater stammen von Sinti-Familien ab, sind mit Gypsy Jazz aufgewachsen und haben ihn im Blut, in der DNA, wobei Gismo Graf für die neue Generation des Jazz Manouche steht und Rosenberg quasi die "old school" vertritt. Es wird einmal kurz die Stimmung der Saiten überprüft und dann geht es los: unerbittlich groovend, facettenreich in der Songauswahl, den Tempiwechseln und natürlich im solistischen Spiel. Würde man den beiden Schlechtes wollen, könnte man auf sehr hohem Niveau nörgeln, dass beiden etwas Unterschiedliches an ihrem Spiel fehle – Gismo Graf als der jüngere der beiden hat noch nicht die geballte Erfahrung von Stochelo Rosenberg, was Gestaltung und Aufbau der Solos angeht und manchmal kommt sein Spiel etwas ungestüm daher, während Stochelo für meine Begriffe etwas zu leise im Verhältnis zu Graf klingt und sich nicht immer so durchsetzt – wofür er vielleicht nichts kann, weil auch die Person hinterm Mischpult dafür verantwortlich ist, aber ich glaube, es liegt daran, dass Rosenbergs Spiel einerseits differenzierter und dynamischer ist und es andererseits auch einfach Kraft im Anschlag braucht, um laut genug zu klingen – und davon hat Gismo Graf, der 25 Jahre jünger ist, sicher mehr. Anders und wohlwollender gesagt: Graf und Rosenberg ergänzen sich auf großartige Weise, jeder der beiden bringt sein eigenes Spiel, seine Persönlichkeit mit ein, und es entstehen immer wieder perfekte Momente des Zusammenspiels, in denen die Zeit und alles drum herum bedeutungslos wird. Die Stärke des Bandleaders liegt in der starken, zupackenden Akzentuierung, und die von Rosenberg in der schieren Musikalität und dem Einfallsreichtum. Auch kommen in seinem Spiel
deutlich öfter Triolen vor, was noch mehr Variation hineinbringt. Zwei Tage später erfahre ich von meinem Bandkollegen, der ebenfalls Gitarrist ist, dass die beiden sich bei bestimmten Stücken die Original-Soli von Django Reinhardt draufgeschafft haben und sie dann teilweise zweistimmig in Terzen versetzt spielen, und es erklärt sich mir im Nachhinein, wie sie diese unglaublichen Momente hinbekommen haben – was die Faszination und Anerkennung nicht mindert. Erst nach zwei Stücken und gut zehn Minuten stellt Gismo Graf die Band vor (seinen Vater scherzhaft als "langjährigen Arbeitskollegen"), er wirkt selbstbewusst und hat das Publikum sofort auf seiner Seite – aber eigentlich sind alle schon von Anfang an begeistert, man sieht den Leuten an, alle wussten, worauf sie sich heute Abend eingelassen haben, welch tolle Musiker da auf der Bühne ein Feuerwerk der Gypsy Jazz Musik abbrennen. Und nicht nur die beiden Solisten wissen zu glänzen, auch Vater Joschi Graf bekommt ein Feature, später im zweiten Set singt er nämlich mit wohlklingender Stimme eine Nummer und ergänzt das Konzert so noch um eine weitere Klangfarbe. Und Bassist Joel Locher, der unter anderem auch mit Pee Wee Ellis (Saxophon und musikalischer Leiter bei James Brown) zusammenarbeitete und mit allen musikalischen Wassern gewaschen ist, darf mehrmals im Solo zeigen, dass er den beiden Gitarristen eigentlich in nichts nachsteht, was virtuoses Spiel mit flinken Fingern betrifft.
Nach einer knappen Stunde gibt es eine Pause, dann treten erst nur Gismo Graf und Stochelo Rosenberg wieder auf und spielen zu zweit den Latin-Jazz - Klassiker "Spain" von Chick Corea, bevor Joel Locher und der ältere Graf sich den beiden anschließen und der Swing wieder übernimmt. Als Gismos Vater dann wenig später singt, wundere ich mich über die vertraut und doch fremd klingende Sprache und schließe später rück, dass es Romanes, die Sprache der Sinti und Roma gewesen sein muss. Als letztes Stück gibt es noch einen Klassiker - Take 5 und ein beglücktes Publikum verlässt das Spiegelzelt. Ich hänge noch eine Weile am CD- und Merge-Stand ab, wo sich die treuesten Fans und Bekannte der Musiker versammelt haben. Es wirkt wie eine Art Familienzusammenkunft – man erkennt es ab einem bestimmten Zeitpunkt daran, dass so gut wie alle, die noch da sind, Romanes miteinander sprechen...
Am 15. Oktober diesen Jahres wird dieselbe Formation im Jazzclub Kiste in Stuttgart auftreten – meine absolute Empfehlung, wenn man nicht zu weit weg wohnt und auf meisterhaft gespielten Gypsy Jazz steht, der Herz und Hirn begeistert und selbst ohne Schlagzeug zum Tanzen animiert.