Türkei: Oppositionskandidat hält Wahlrede aus dem Gefängnis

Türkei: Oppositionskandidat hält Wahlrede aus dem Gefängnis

Der von der kurdischen Opposition unterstützte Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtas durfte am Sonntag zehn Minuten im staatlichen Fernsehen sprechen. Es wird seine einzige Wahlkampfrede bleiben, denn Demirtas befindet sich seit 20 Monaten in Untersuchungshaft im Hochsicherheitsgefängnis von Silivri.

 

Am Eingang seiner Rede ging Demirtas auf die Umstände seiner Inhaftierung ein. Alle Vorwürfe gegen ihn bezögen sich nur auf politische Reden. Er habe keine Möglichkeit, sich zu rechtfertigen, da er bisher nur zweimal einem Richter vorgeführt worden sei. Die Ungerehctigkeit, die ihm widerfahre sei aber nur Teil der Ungerechtigkeit, die alle erfahren würden. Außerdem kritisierte er die hohe Inflation und Arbeitslosigkeit in der Türkei, außerdem die faktische Aufhebung der Gewaltenteilung zu Gunsten der Herrschaft eines Mannes.

 

Nach knapp zwei Seiten Text war dann der Wahlkampf von Selahattin Demirtas schon wieder zu Ende. Realistische Chancen, Erdogan zu besiegen, hat der kurdische Anwalt nicht. Er könnte aber dafür sorgen, dass auch kurdische Wählerinnen an die Wahlurnen gehen, die andere Oppositionskandidaten nicht so leicht wählen. Das könnte Erdogan den Triumpf im ersten Wahlgang kosten. Im zweiten Wahlgang hätte Erdogan zwar noch immer die besseren Karten, schon weil es dem stärksten Oppositionskandidaten Muharrem Ince schwer fallen dürfte, wirklich das ganze Potential der Opposition von Rechts bis Links, von laizistisch bis stock religiös, von kurdisch bis türkisch hinter sich zu vereinen. Eine kleine Chance besteht aber, dass der Frust über Erdogan wie schon bei den Gezi-Protesten ein weites Oppositionsspektrum zusammenführt.