Abschiebung Familie Ametovic: Faule Ausreden aus dem Innenministerium

Abschiebung Familie Ametovic: Faule Ausreden aus dem Innenministerium

Unter dem Druck der öffentlichen Vorwürfe hat das Landesinnenministerium heute in einer knapp dreiseitigen Pressemitteilung die Abschiebung der Familie Ametovic erneut zu rechtfertigen versucht. Dabei beruft sich das Ministerium insbesondere auf das serbische Kommissariat für Flüchtlinge und Migration. Dieses habe der Familie nach ihrer Ankunft in Belgrad "diverse Unterstützung" angeboten und sie am 28. Januar auch an ihrem "Wohnsitz" in Niš besucht. Die Familie sei noch am Flughafen befragt worden, ob sie medizinische Unterstützung oder eine Unterkunft bräuchten, und hätten beides als 'nicht erforderlich' abgelehnt. Laut dem serbischen Innenministerium habe die Familie keine Probleme bei der medizinischen Versorgung und bekomme "zum Teil Sozialhilfe".

Diese Behauptungen passen schlecht mit dem Bericht des Jugendhilfswerk zusammen: Die Delegation des JHW hatte festgestellt, dass die Familie nicht einmal Geld für genug Windeln hatte; die akute Krankheit des 15-monatigen Kindes in der Klinik war erst nach der Intervention einer JHW-Mitarbeiterin kostenlos möglich gewesen, und Sozialhilfe nach Aussage örtlicher NGOs wie der unabhängigen Frauenrechtsorganisation Zenski Prostor erst nach einer in der Regel dreimonatigen Bearbeitungszeit ausgezahlt - in Höhe von ca. 80€. Den "Wohnsitz" der Familie (in einer früheren Stellungnahme des Innenministeriums als "Immobilienbesitz" bezeichnet) hat das JHW mit Bildern und Berichten gut dokumentiert als improvisierte, baufällige, hygienisch absolut unzureichende Baracke. "Vor dem Hintergrund der vorgefundenen Räume wäre es absurd, eine angebotene Wohnung abzulehnen. Ebenso absurd scheint es in dieser Situation, Geld abzulehnen", konstatiert das JHW plausibel. Die Familie habe nach ihrer Ankunft in Belgrad nicht einmal genug Geld gehabt, um die Fahrt nach Niš zu bezahlen. Die Sachverständigen der NGOs, die das JHW zu Rate zog, halten es aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen nicht für glaubwürdig, dass die Familie nach ihrer Ankunft Unterstützung von serbischen Behörden erhalten hätte; ein reales Wohnungsangebot halten sie sogar für ausgeschlossen.

Desweiteren schiebt das Innenministerium die Verantwortung für die Prüfung der Situation in den "Zielländern" von sich: Das sei ja Sache des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Dass das BAMF das "Zielland" Serbien nun als "sicher" einstuft, weil u.a. die baden-württembergische Landesregierung es für sicher erklärt hat, bleibt dabei einmal mehr unerwähnt. Abschiebungshindernisse in Deutschland wiederum prüfe das Regierungspräsidium "intensiv", so ob "sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde oder erkrankte Familienmitglieder betreut werden müssten." Die Lage der Familie, die spastische Bronchitis des jüngsten Sohnes kurz nach der Ankunft strafen diese Aussage Lügen. Das JHW betont zudem, niemals eine Anfrage vom Regierungspräsidium zur gesundheitlichen Situation der Kinder erhalten zu haben. Eine gewissenhafte Einzelfallprüfung sieht anders aus. Zum Glück gibt es Mediziner_innen im Dienst der Behörden: "Noch vor der Abreise wurde Frau Ametovic von einem Arzt am Flughafen unbeschränkte Reisefähigkeit bescheinigt",  meldet das Innenministerium.

Abschließend schämt sich der Innenminister nicht, wieder einmal "gute" und "böse" Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen und zu suggerieren, die Abschiebung von Menschen wie Frau Ametovic, deren Asylantrag als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt worden ist, sei notwendig, um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien oder dem Irak zu ermöglichen.

(jw)