Gegen das traditionelle Pfingsttreffen (siehe z.B. Rückblick auf den Convent 1996 bei RDL) des „Coburger Convent der akademischen Landsmannschaften und Turnerschaften“ rührt sich seit jeher Protest. Ein Verbot des Studentischen Fechtens gehört schon lange zu den Minimalforderungen auch gemäßigter Convent-GegnerInnen. Antifas kritisieren die pflichtschlagenden reinen Männerbünde unter anderem für ihr veraltetes patriarchales Weltbild, rückwärtsgewandte Bräuche, Gewaltaffinität und alkoholisierte Rituale. Zudem wirkt die akademisch-ökonomische Machtsphäre für viele verstörend: Die „lebenslangen Bünde“ zwischen deutschen Studierenden und Unternehmen festigen die Privilegien der nationalistischen Eliten. Selten hatten die Verbinder mit so intensivem medialen und politischen Echo schon vor dem eigentlichen Ereignis zu tun wie in 2023. Dies hängt mit der diesjährigen „Pfingstkampagne“ antifaschistischer Gruppen zusammen, deren Recherchen den Convent so sehr ins Schwanken bringen, dass sich große Fragezeichen über die Zukunft der aus der Zeit gefallenen Tradition des CC breit machen.
Alljährlich eskaliert der Alltag im bildlichen Coburg um Pfingsten. Dann, wenn tausende Burschen aus ganz Deutschland und Österreich nach Franken pilgern, um sich dort mit Sport, Gesang, Alkohol und rechtem Gedankengut zu verdinglichen. Der offizielle Gründungsmoment des CC ist am 12. Mai 1951 durch den Zusammenschluss akademischer Landsmannschaften und Turnerschaften in der fränkischen Kleinstadt erfolgt. Historisch wird jedoch der 1. März 1868 als Gründungsdatum gesehen. Damals entstand der Zusammenschluss mit dem Namen „Allgemeiner Landsmannschafter Convent“ in Kassel. Besonderes Aufsehen erregt seit langem der alljährliche, martialische anmutende Fackelaufmarsch, am Pfingstmontag. Auch das Singen sämtlicher Strophen des Deutschlandlieds ist Teil der „Tradition“. Immer wieder ist von NS-Parolen und menschenfeindlichem Gerede zu hören. Antifas und andere feministische Strömungen versuchen bei jedem CC die zahlreichen reaktionären und offen rechtsradikalen Aspekte ans Licht zu bringen, und es scheint, als würde dies im Jahr 2023 besonders gut gelingen.
Bereits im Februar brodelte es im Coburger Convent, als die Autonome Antifa Freiburg ein Communiqué zum im Frühjahr aus dem Ruder gelaufenen Fechtduell Erlanger Burschen veröffentlichte, bei der es im Rahmen einer Pro Patria-Suite erneut Schwerverletzte gab. Es folgte eine Fülle an Enthüllungen. Auch die Grünen im bayerischen Landtag haben am 18. April zwei schriftliche Anfragen an die CSU/FW-Landesregierung gestellt, um sich über den Umgang mit Fällen von Volksverhetzung beim Coburger Convent in 2018 zu erkundigen. Dabei ging es, um einen noch immer im Amt befindlichen Richter-Verbinder aus Niedersachsen, der beim Klogang ein inbrünstiges „Heil Hitler!“ gerufen hatte, was die Männerbünde in der Folge zu vertuschen versuchten.
Schon die Vorfälle zum Hitler grüßenden Richter ergaben ein gehöriges Medienecho, das die Autonome Antifa auf ihrer Homepage zusammenfasst. Doch das fast hundert-seitige Communiqué war bei weitem nicht das Ende der Fahnenstange. Denn die Deutschtümelei und blutige Duelle unter Korporierten sind ja keine Einzelfälle, sondern Tradition. Die jüngsten Publikationen thematisierten folgerichtig randalierende, offenbar mit dem NS sympathisierende Landsmannschafter, diesmal im Umfeld der Neoborussia Halle im beschaulichen Freiburg-Herdern. Durch den Bericht zu Skalpierungen unter Burschen kam erneut das Thema der schweren Körperverletzungs-Rituale unter alkoholisierten Burschen auf’s klebrige Parkett.
Die Recherchen der AntifaschistInnen unterstreichen außerdem das Dilemma von Regressforderungen der Krankenkassen, die, ginge es nach den Verbindungsstudenten, an einer Omertà scheitern würden. Nun befinden sich jedoch Belege für eine große Anzahl mutmaßlichen Straftaten in der Öffentlichkeit, wie neue Publikationen von Süddeutscher zum bayrischem Rundfunk über die taz bis hin zur Badischen Zeitung verdeutlichen.
Der Pfingstkongress zu Coburg 2023 glich schon zum Auftakt einem Scherbenhaufen. Mit Nachhilfe autonomer und antifaschistischer Gruppen wurden patriarchale, autoritäre und gewaltaffine Grundzüge in die Öffentlichkeit gebracht. Sämtliche Tagungsunterlagen des Convents wurden zu Beginn des Pfingstwochenendes geleaked und am 25. Mai ist Hans Schollmeyer vom AHCC als Kongressbeauftragter zurückgetreten. Die öffentlich gewordene Intention Fahndungsplakate gegen dem Convent unliebsame Presse aufzuhängen, sowie die antifaschistische Aufklärung der Rollen einzelner Akteure, die in der Coburger Verwaltung Einfluss zugunsten des Convents nahmen, führte schließlich zum Rücktritt des Vorsitzenden.
Die Katerstimmung beim Convent drängt sich also schon vor Beginn der Feierlichkeiten auf. Wie es in der Führung der Korporierten weiter geht ist unklar. Als Höhepunkt des Convents gilt der für Montag geplante Fackelmarsch der Burschen und die linke Mobilisierung dagegen. Doch nicht nur der weitere Verlauf des diesjährigen Pfingskongresses wird mit Spannung erwartet. Auch langfristig ist mit schwerwiegenden Folgen für den Coburger Convent zu rechnen, der sich nicht nur der Kritik der Duldung von faschistischen Elementen erwehren muss. Die Vertuschung von Straftaten über Einflussnahme und Volksverhetzung, aber auch die ganz praktischen Regressforderungen der Krankenkassen werden möglicherweise juristische Folgen haben. Die Forderung nach einem „Mensurverbot“ von Seiten der Antifa-Organisationen dürfte in diesen Tagen zumindest mit weiteren Argumenten untermauert werden. LS
Hintergründe zum Coburger Convent:
Kampagne studentische Verbindungen auflösen: coburgerconvent.noblogs.org
Coburg im Archiv von Indymedia linksunten: linksunten.indymedia.org
Der Convent bei der Autonomen Antifa Freiburg: autonome-antifa.org