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Prof. Dr. Andrea Maihofer | Zentrum Gender Studies Universität Basel
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Affektive Gouvernementalität. Eine geschlechterkritische Perspektive Vortrag von Prof. Birgit Sauer Geschlechterpolitiken der Gefühle Vortrag von Prof. Andrea Maihofer


Die derzeitige mediale, politische und wissenschaftliche Aufmerksamkeit für Emotionen ist Symptom und zugleich Motor aktueller Transformationen von Gesellschaft, Staat und Demokratie in westlich-kapitalistischen Gesellschaften – Transformationen, in denen Affekte im Leben und Arbeiten von Menschen wie auch in ihrem politischen Handeln neu formatiert werden bzw. neue Bedeutung erhalten. Der neue Gefühlsdiskurs – verstanden im Foucault’schen Sinne als Rede über Gefühle, als Praxis von Affiziertsein sowie als institutionelle Gefühlsarrangements, nicht zuletzt auch in der Arbeitswelt – trägt dazu bei, dass staatsbürgerliche Rechte neu begründet und mithin Bürger_innen in der Demokratie neu situiert werden. Im Rahmen neoliberaler Subjektivierung sind Affekte neue Techniken der „Führung“ bzw. der „Regierung“ von Menschen (Foucault 2000), einer „affektiven Gouvernementalität“. Affekte institutionalisieren auf der einen Seite neue Machttechniken in den Menschen, nämlich die Unterwerfung unter neue Formen und Erfordernisse der Organisation des Lebens, des Zusammenlebens und Arbeitens unter neoliberalen Bedingungen. Auf der anderen Seite bilden Affekte als Regierungstechnik und als Modus der (politischen) Subjektbildung auch den Ausgangspunkt möglicher Widerstandsformen des „Nicht-so-Regiert-Werden-Wollens“ (Foucault 1990) und neuer Formen von Solidarität. Affekte sind, so verstanden, ein notwendiges Element des Politischen im Sinne Hannah Arendts (1993) – nämlich gemeinsam etwas zu beginnen. Dieses Gemeinsame beruht auf Affizierung, auf Betroffensein, auf Beziehung und Relation, auf Zugewandtheit und Empathie – freilich in einem stets antagonistischen gesellschaftlichen und politischen Raum.

Birgit Sauer ist Professorin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.


Warum sind Affekte und Gefühle derzeit ein so bedeutsames Thema? Auf diese momentan recht häufig gestellte Frage möchte ich in meinem Beitrag eine Antwort versuchen. Wenn die Bedeutsamkeit nicht schlicht in einem Bedürfnis oder Zwang nach Distinktion und Profilierung gründet, was sicherlich auch der Fall ist, was ist es dann? Zweifellos handelt es sich nicht einfach um eine neue Sichtweise auf die Dinge. Es gibt eine sehr lange und vielfältige Tradition, sich mit Affekten und Gefühlen zu beschäftigen. Was also könnte ein Spezifikum an den aktuellen Herangehensweisen sein? Für mich ist es zum einen der dekonstruktivistische und zugleich materialistische Zugang und die damit verbundene Einsicht in die grundlegende Historizität und Gesellschaftlichkeit von Affekten und Gefühlen. Zum anderen sind es gesellschaftstheoretisch zeitdiagnostische Analysen, in denen der Frage nachgegangen wird, ob und in welcher Weise sich gegenwärtig Gefühlsweisen und -praxen verändern und welche neue gesellschaftliche Bedeutung und Funktion sie erhalten. Dabei erscheint es mir wichtig, dies nicht nur als Formen neuer Herrschafts- und Regierungstechniken oder vor allem in der Dialektik von Herrschafts- und Selbsttechnologien zu verstehen. Das auch. Vielmehr gilt es, sie auch in ihrer möglichen ‚alltagsweltlichen‘ Eigenlogik zu erfassen. Ich werde das an zwei Beispielen erläutern: erstens an Sara Ahmeds Verständnis von kollektiven Gefühlen, insbesondere an ihrer Fassung der Prozesse der Selbstaffirmierung und Veränderung; und zweitens am Verhältnis von Männlichkeit und Schmerz.

Andrea Maihofer ist Professorin für Geschlechterforschung und Leiterin des Zentrums Gender Studies an der Universität Basel.