Atommüllendlagerprojekt in Bure : „Übeltäterprozess“ gegen UmweltschützerInnen neigt sich dem Ende zu

„Übeltäterprozess“ gegen UmweltschützerInnen neigt sich dem Ende zu

Ankündigung zum (voraussichtlich) letzten Prozesstag im "Übeltäter"-Verfahren zu Bure

Ankündigung zum (voraussichtlich) letzten Prozesstag im "Übeltäter"-Verfahren zu Bure
Ankündigung zum (voraussichtlich) letzten Prozesstag im "Übeltäter"-Verfahren zu Bure
Lizenz: 
Keine (all rights reserved)
Quelle: 
noussommestoustesdesmalfaiteurs

Acht Jahre nachdem die französischen Antiterrorbehörden und die SOKO Bure große Ermittlungen wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ einleitete, stehen die Verfahren vor dem Abschluss. Am Donnerstag, dem 24. April, rufen UnterstützerInnen ab 8:30 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Berufungsgericht in Nancy Place Mandela auf.

Für die Repressionswelle von 2017 bis 2018 wendete der Atomstaat sämtliche Möglichkeiten des Antiterror-Arsenals an. Zwanzig Hausdurchsuchungen gegen 14 Personen und kollektive Orte, der Einsatz von IMSI-catchern, die Geolokalisierung von Fahrzeugen und umfassende Abhörmaßnahmen führten zu einer 21.000 Seiten schweren Akte. Betretungsverbote für den Landkreis rund um das geplante Atommüllendlager in Lothringen und das Verbot miteinander in Kontakt zu treten lähmte Teile der Bewegung über Jahre.

Doch die Ermittlungen einer Sonderkommission „Bure“, die im übrigen Millionen verschlungen, ergaben so gut wie nichts. Nachdem der Vorwurf der „kriminellen Vereinigung“ in 2021 in einem spektakulären Prozess fallengelassen wurde, verblieb nur der Vorwurf der Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration am 15. August 2017. Am Donnerstag könnte ein Freispruch dieses Kapitel der Repression schließen – im Zweifel, so warnen die Anwälte, wird das Verfahren bis vor den europäischen Menschengerichtshof gebracht.

Die unverhältnismäßigen Angriffe auf die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit in Bure stießen auch international auf Resonanz. Der Protest gegen das größte und womöglich gefährlichste Industrieprojekt Europas währt seit den 1990er Jahren. Die Atommüllagentur ANDRA möchte die gefährlichsten Abfälle des französischen Atomprogramms im Lothringer Hinterland in 500 Meter tiefen Tonschichten vergraben und nach einer 130-jährigen Baustelle dauerhaft verschließen. Aktuell werden hunderte Grundstücke enteignet, um die Milliardenbaustelle zu ermöglichen. Der Widerstand wird etwa am alten Bahnhof von Luméville absehbar eskalieren – dort haben ProjektgegnerInnen ein Hüttendorf auf der geplanten Castortrasse errichtet.

Den UmweltaktivistInnen schlägt die Repression auch jenseits des sogenannten „Malfaiteur“-Verfahrens weiter entgegen. Derzeit läuft ein weiterer Angriff wegen der Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ wegen Sabotageaktionen gegen den Zulieferer POMA. Und auch im Zusammenhang mit Protestaktionen im Sommer 2021 ermitteln die Behörden gegen GegnerInnen des Atomklos. In den vergangenen Jahren wurde die Bewegung nicht müde mit weiteren Camps, Hacks, Sabotageaktionen und Demonstrationen gegen das „CIGEO“-Projekt vorzugehen.

Auch wenn die Bewegung durch Überwachung und direkte Angriffe des Staates immer wieder zurückgeworfen wurde, könnte der Prozess am kommenden Donnerstag die Unverhältnismäßigkeit der juristischen und polizeilichen Aktionen erneut unterstreichen. Angesichts des verworfenen Verfahrens gegen eine imaginäre „kriminelle Vereinigung“ wird sichtbar, dass der Staat die Antiterrormaßnahmen primär zur Einschüchterung, Lähmung und dem Durchleichten der Bewegung missbraucht hat. Am Donnerstag stellt sich im Atomstaat Frankreich erneut die brennende Frage: Wer sind hier eigentlich die „Übeltäter“?

 

LS