Cafe Cannes - Cannes Blog Tag 3 - Dossier 6

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Alexander Sancho-Rauschel live aus Cannes

 

 

 Der naechste Wettbewerb-Film, und schon wieder ein Hoehepunkt:„Chongqing Blues“ („Rizhao Chongqing“) des chinesischen Regisseurs Wang Xiaoshuai ueberzeugte den ganzen Saal, das war deutlich zu spueren.

Ein trauriger, ruhiger, aber sehr schoener Film ueber einen zur See fahrenden vater, der nach langer (zu langer) Abwesenheit zurueckkehrt, um nach seiner Familie zu sehen, die er vor 15 Jahren verlassen hat… um zu erfahren, dass sein einziger Sohn tot ist – er war vor ein paar Monaten Amok gelaufen und wurde in einem Einkaufszentrum erschossen von einem Polizisten, nachdem er mehrere unschuldige Passanten verletzt hatte.

 Der Vater, der sich schwere Vorwuerfe macht, versucht zu verstehen, was damals passiert sein koennte… Warum hat sein eigener Sohn so etwas getan?Seine Frau redet nicht mehr mit ihm, wirft ihn raus, als er sie besuchen will, er hat keine Fotos, wie sah sein Sohn ueberhaupt aus, damals als Kind? Und wer kannte ihn, wer waren seine Freunde, was war geschehen in den letzten Tagen vor dem Amoklauf…?

Schritt fuer Schritt naehert er sich der Lebensgeschichte seines Jungen, entdeckt verschuettete Erinnerungen, trifft die anfangs sehr skeptischen Freunde, vor allem den Polizisten, der geschossen hatte und eine junge Aerztin, die der Junge damals als Geisel genommen hatte…Und dann schliesslich begegnet der bedrueckte, aber hartnaeckig suchende Vater der Freundin seines Sohnes. Als sie die Beziehung beendet hatte, war der Zusammenbruch erfolgt, damals… Aber waehrend offiziell der Liebeskummer des Jungen als Grund fuer sein Ausrasten genannt wird, erkennt der Vater, dass sein Sohn immer auch den verschwundenen Vater gesucht hatte… 

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Was vielleicht etwas kitschig klingen mag, ist derart zurueckhaltend und unaufdringlich erzaehlt, dass man schon ein Herz aus Stein haben muss, um von dem Film nicht ergriffen und geruehrt zu sein. Stueck fuer Stueck setzt sich die Lebensgeschichte des unbekannten Jungen zusammen, die Puzzleteile werden nicht immer chronologisch erzaehlt, und nicht alle Fragen werden beantwortet, einige Raetsel und Ungereimtheiten bleiben, auch das in Hollywood obligatorische Happy End, die vorbehaltlose Versoehnung mit seiner Frau beispielsweise, bleibt aus… Der Seemann versteht vieles, aber nicht alles, aber er beginnt, sich seiner Verantwortung zu stellen.

Ein phantastischer Hauptdarsteller in der Rolle des Vaters Lin ueberzeugt gerade deshalb, weil er so zurueckhaltend spielt, seine Trauer so still durch den Film traegt, zugleich aber mit wachen Augen nach Informationen und Trost sucht…

Hoffentlich schafft es dieser ungewoehnliche, kunstvolle Vertreter des neuen chinesischen Kinos auch in unsere Kinos, zu wuenschen waere es ihm!

 

Fotos: ASR
1. Die Filmfestpiele sind ueberall in Cannes - auch auf dem Kinderkarussell
2. Das Kino Arcades, eine der Speilstaetten des Festivals