Energiewende...: Die Kernfusions-Folklore der CDU

Kommentare & Glossen bei Radio Dreyeckland (alle zeigen)

Die Kernfusions-Folklore der CDU

Es ging um Wärmepumpen und die berühmte Energieoffenheit, die losgelöst von allen Einzelfragen von der FDP/CDU/CSU-Opposition wie ein reiner Wert konkreten Maßnahmen zur Energiewende entgegengehalten wird. Von der nicht eben diskussionsstarken Kathrin Göring-Eckhardt (Grüne) nach den Vorschlägen der CDU gefragt, antwortete der CDU-Generalsekretär Mario Czaja in der Talkshow von Maibrit Illner unter anderem mit der Kernfusion und auf die kurze Gegenfrage "Ab wann?": "Wenn Sie mit Forschern in Greifswald sprechen, sagen sie: 'Wir sind in 10 Jahren in der Lage das umzusetzen!'" Mal abgesehen davon, dass mehr relativ umweltverträglicher Strom aus der Kernfusion, sicherlich kein Argument dafür ist, statt auf Wärmepumpen auf irgendwelche anderen Dinge zu setzen, kann man Czajas Antwort bestenfalls als grobes Missverständnis der ihm in Greifswald angeblich gegebenen Antwort verstehen.

 

Tatsächlich sieht es mit einem möglichen Zeitplan so aus: Der erste Fusionsreaktor, der mehr Energie produzieren soll, als man in ihn hieneinsteckt, ist der in Südfrankreich im Bau befindliche ITER. Derzeit ist geplant, dass er mit dem Deuterium-Tritium-Prozess im Dezember 2035 beginnt. Ob dieser Zeitplan tatsächlich einzuhalten ist, ist fraglich. Der ITER soll zeigen, dass es geht, einen solchen Reaktor zu betreiben. Er ist aber weiter ein Forschungsreaktor. Erst wenn die Möglichkeit eines längeren erfolgreichen Betriebs gezeigt ist, soll ein noch größerer Fusionsreaktor gebaut werden, der dann etliche Jahre später tatsächlich Strom ins Netz abgibt. Ob auch ins deutsche Stromnetz, wissen wir nicht. Wenn ITER tatsächlich Ende 2035 den Betrieb aufnehmen wird, hat sein Bau 28 Jahre gedauert. Nehmen wir an, ITER ist gleich erfolgreich, die Entscheidungen für den Bau eines Nachfolgereaktors fallen rasch und der Bau dauert nur halb so lang, dann könnte Fusionsstrom frühestens zwischen 2050 und 2060 ins Netz fließen. Betont sei, bei sehr optimistischen Annahmen.

Neben dem Reaktorprojekt gibt es noch Experimente mit Kernfusion, die mit Hilfe von Laserstrahlen ausgelöst wird. Doch die Forschung dazu steckt in den Kinderschuhen, es gibt noch keinen Versuchsreaktor, der dieses Prinzip umsetzt. Außerdem läuft die entsprechende Forschung nicht in Greifswald.

Technisch, politisch, ökonomisch und sozial ist die Energiewende ein riesen Ding und dass die Grünen von allem einen Plan haben, kann man sehr wohl bezweifeln. Aber es hilft auch sicher nicht, wenn Politiker*innen von der FDP/CDU/CSU-Opposition ständig mit unsachlichen Argumenten dagegen gackern (für diesen Vergleich entschuldige ich mich bei allen Hühnern!). jk

 

Notwendiges PS: Man darf natürlich auch über Fragen der kulturellen Identität nicht einfach hinweggehen: Minirock geht nicht in Teheran und im Vatikanstaat, Friedensdemo geht nicht in Moskau, Tempolimit und Wärmepumpe gehen fast überall, nur nicht in Deutschland.