Experiment Kosovo: Donnerstag, 23. Oktober um 18.30 Uhr

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Hofbauer, Hannes - Experiment Kosovo. Die Rückkehr des
Kolonialismus, Edition Brennpunkt Osteuropa, 264 Seiten.

„Am 17. Februar 2008 hat das Parlament in Prishtine die
Unabhängigkeit des Kosovo ausgerufen. Der 47. Staat in Europa spaltet damit
nicht nur Serbien, sondern auch die internationale Gemeinschaft. Die Gegner der
Sezession berufen sich auf das Völkerrecht, die KSZE-Akte von Helsinki und die
UN-Resolution 1244 aus dem Jahr 1999, die eine territoriale Integrität
Jugoslawiens garantiert hatte. Die Befürworter der Unabhängigkeit argumentieren
mit von Serbien verletzten Menschenrechten gegen die kosovarische
Mehrheitsbevölkerung vor dem NATO-Angriff und dem Recht des Stärkeren danach.
Als Präzedenzfall einer einseitig deklarierten Grenzverschiebung setzt die
Entwicklung im Kosovo einen völkerrechtlichen und politischen Schlussstrich
unter die europäische Nachkriegsentwicklung.

Kosovo startet als „gescheiterter Staat" in eine neue Epoche. Die Kernelemente
seiner Wirtschaft funktionieren nicht, sozialer Aufstieg spielt sich zwischen
Schwarzmarkt und Massenemigration ab und seine politische Elite folgt äußerem
Druck. Dies in Rechnung stellend war von Seiten Washingtons und Brüssels
niemals an eine echte Selbstbestimmung gedacht. Der von der UNO verworfene und
gleichwohl von den USA und der EU in Kraft gesetzte Ahtisaari-Plan schreibt
eine überwachte Unabhängigkeit vor, die sowohl Legislative als auch Exekutive
in fremde Hände legt. Militärisch herrscht die von den USA geführte
KFOR-Truppe, zivil wird das Land mittels allerlei Kürzeln von der Europäischen
Union verwaltet.

Der Übergang vom UN-Protektorat zur EU-Kolonie passiert schleichend. Eine
„Koalition der Willigen" abseits der UNO bestimmt über das Schicksal des
kleinen, knapp zwei Millionen EinwohnerInnen zählenden Landes. Von der
Rechtsprechung über politische Verwaltung bis zur polizeilichen und militärischen
Exekutive öffnet sich ein weites Experimentierfeld für hauptsächlich
westeuropäische und nordamerikanische Institutionen. Gesellschaftliche Abläufe
jenseits bürgerlicher Gewaltenteilung und demokratischer Selbstbestimmung
können nach erfolgreichen Probeläufen im Kosovo später anderswo, nötigenfalls
auch in Kerneuropa, Platz greifen.

Zum besseren Verständnis der aktuellen Situation zeichnet Hannes Hofbauer die
Geschichte des Kosovo von der 500 Jahre dauernden osmanischen Fremdherrschaft
über die verschiedenen Befreiungsansätze bis zur serbisch-nationalen Epoche im
20. Jahrhundert nach. Der Eingliederung des Kosovo in das titoistische
Jugoslawien sowie dessen katastrophales, von Bürgerkriegen gezeichnetes Ende
wird im Buch ebenso behandelt wie die hinter der kosovarischen
Unabhängigkeitsbestrebung stehende „albanische Frage"."