FDP-AfD – mehr als ein schräger Unfall der bürgerlichen Mitte

FDP-AfD – mehr als ein schräger Unfall der bürgerlichen Mitte

Sie machen es doch, die Bürgerlichen zeigen bei der Wahl mit dem Finger auf die Faschisten als das ganz andere, um danach mit ihnen ins Bett zu gehen. Für jemanden der die Zahlenverhältnisse im Thüringer Landtag fest im Blick hatte, war das Ergebnis der Ministerpräsidentenwahl vorauszusehen. Da stellt die AfD als Kandidaten den ehrenamtlichen Bürgermeister eines Dorfes mit 350 Einwohner*innen auf. Kann man lauter schreien: „Das ist kein echter Kandidat, das ist nicht einmal ein symbolischer Kandidat! Seht her, wir haben einen Kandidaten, den wir auch taktisch durchfallen lassen können!“? Kemmerich kandidierte angeblich weil ein Kandidat der bürgerlichen Mitte zur Wahl stehen sollte, er habe aber nie ein Amt angestrebt. Das hat er aber klar durch sein Verhalten nach der Wahl widerlegt. Angesichts dessen klingt seine Erklärung, er wolle nur antreten, wenn auch ein AfD-Kandidat dabei sei, wie eine Aufforderung an die AfD, es wenn dann keinesfalls offen zu machen. Dann erklärt die CDU, sie würde für Kemmerich stimmen. Die CDU hätte sich nicht äußern müssen, sie hätte wie die FDP einen symbolischen Kandidaten aufstellen können, sie hätte sich enthalten können. Die Ankündigung, für Kemmerich zu stimmen, war hingegen ein deutlicher Hinweis an die AfD: Ihr könnt es machen!

 

Es fällt wirklich schwer, der FDP ihre Überraschung nach der Wahl von Kemmerich abzunehmen. Dieser hätte noch immer die Möglichkeit gehabt, alles gut zu machen und die Wahl abzulehnen. Das hätte langfristig weder ihm noch die FDP geschadet.

 

Erfreulich klar kam die Ablehnung eines AfD-Experimentes in Thüringen aus den Zentralen von CDU und CSU. Trotzdem war das Zusammengehen mit dem Faschisten Höcke mehr als nur ein Betriebsunfall im bürgerlichen Lager. Ursprünglich wollte der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Mike Mohring nach der Wahl ja sogar eine Koalition mit Ramelow ausloten. Kramp Karrenbauer pfiff ihn aus der Parteizentrale rasch zurück. Nicht nur gegen die AfD, sondern auch gegen Die Linke verfolgt die CDU eine Ausgrenzungsstrategie. Erst das führt zu Konstellationen wie jetzt im Thüringer Landtag. Diese Strategie hat eine taktische und eine genetische Seite. Im Selbstbild des bürgerichen Lagers steckt unter anderem eine negative Zuschreibung: nicht links. Gerade jetzt wo die CDU dabei ist, nach den pragmatischen, politisch relativ offenen Merkel-Jahren wieder eine eigene Identität zu pflegen, wird das Ressentiment gegen alles was links ist wieder besonders wichtig. Schon das treibt die CDU in Richtung AfD. Die Angst vor der Umarmung durch die AfD ist zwar schon aufgrund parteitaktischer Überlegungen gewährleistet, aber sie ist nicht bei allen gleich groß. Immer wenn wie derzeit bei CDU/CSU und FDP eine Mitte beschworen wird, die sich gegen beide Extreme behaupten müsse, ist ein Weg nach rechts vorgezeichnet. Diese Art, den Rechten die Linke vorzuhalten und der Linken die Rechte, führt letztlich zu einer Beliebigkeit, die die Abgrenzung zum Faschismus inhaltlich entleert. Wer nichtmehr weiß, warum er/sie gegen Faschismus ist, der steht schon mit einem Bein mittendrin.

 

Beginnend mit der SPD kann man sich im linken Lager angesichts des Versagens der Bürgerlichen bequem zurücklehnen. Wie war das nochmal mit der Zustimmung zu Hitlers Ermächtigungsgesetz? Ihre ganze schöne Demokratie hatten die Bürgerlichen weggeworfen, nur um mit der NSDAP im vaterländischen und antikommunistischen Boot sitzen zu dürfen. Erst einen Moment zu spät hatten sie dann bemerkt, dass Hitler schon alle Plätze für sich selbst reserviert hatte.

 

Allerdings sollten wir nicht zu viel Zeit damit verbringen, uns angesichts der Probleme der Bürgerlichen selbst auf die Schulter zu klopfen. Es kann einen nämlich angesichts der Hohlheit des antifaschistischen Konsenses auch die Angst beschleichen. Nicht die Angst vor einer wirklichen Rückkehr des Nationalsozialismus, aber die Angst vor einer Entwicklung zu einem autoritären Staat wie es etwa das Adenauer-Deutschland noch durchaus war. Das bürgerliche Lager besteht ja nicht nur aus CDU/CSU und dem irrlichternden Anhängsel FDP. Auch die Grünen sind ja nicht einfach eine grün angestrichene Linke. Dort wo es ihnen gelungen ist, breite Wähler*innenschichten von der CDU abzuziehen, in Baden-Württemberg sehen sie der CDU schon recht ähnlich. Und leider gibt es auch von links einige Wege nach rechts. Sahra Wagenknecht hat das mit ihrem ständigen Sticheln gegen Flüchtlinge schon vorgemacht. Viele Linke finden auch nichts dabei, autoritäre Regime in einigen Ländern zu verdammen und in anderen legitim zu finden.

 

Doch zurück zu Thüringen. Was da im Thüringer Landtag geschehen ist, ist mehr als eine Mischung aus Posse und Unfall. Die Weichen sind in Deutschland wie weltweit nach Rechts gestellt. Doch es gibt auch Gegenbewegungen. Stärken wir sie.

 

Der Kommentar ist die persönliche Meinung des Redakteurs, jk