Stellungnahme zur Drucksache des Freiburger Gemeinderats: Housing First verwirklicht das Menschenrecht auf Wohnen

Housing First verwirklicht das Menschenrecht auf Wohnen

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Logo des aks: die drei kleinen Buchstaben abwechselnd in schwarz und blau, daneben der Schriftzug: arbeitskreis kritische soziale arbeit Freiburg
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"Nach Artikel 11 des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist das Recht auf Wohnen ein Menschenrecht. Das bedeutet, dass jeder Mensch ein Recht auf angemessenen Wohnraum besitzt. Im Kontrast zum bestehenden Recht auf Wohnen ist die Zahl der von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen in Freiburg seit Jahren konstant hoch. Laut städtischer Angabe waren 2021 587 Wohnungslose Personen in ordnungsrechtlichen Unterkünften untergebracht. Darüber hinaus leben 70-90 Menschen auf der Straße. Außerdem gibt es eine sehr hohe Dunkelziffer von Wohnungslosigkeit betroffenen Personen, die von dem existierenden Hilfesystem nicht erreicht wird (Drucksache, G-21/183., 2021). Angesichts dieser Zahlen wird deutlich, dass die Praxis der Wohnungslosenhilfe nicht nach den Bedürfnissen der Betroffenen ausgerichtet ist und eine Veränderung dringend geboten ist.

Ein Konzept, das den notwendigen Paradigmenwechsel in der Wohnungslosenhilfe in den Blick nimmt, ist Housing First. Bei Housing First stehen der selbstbestimmte Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt. Die eigene Wohnung, die Sicherheit, Ruhe und Privatsphäre bietet, steht am Anfang der Hilfen. Menschen werden direkt in eigenen Wohnraum mit abgesichertem Mietvertrag vermittelt. Dafür müssen sie nicht zuerst ihre „Mietfähigkeit“ beweisen.

Die Beurteilung von „Mietfähigkeit“ findet sich auch in der aktuellen Drucksache G-22/152. Hier werden wohnungslose Menschen in drei Kategorien unterteilt: 1. Mietfähige Menschen 2. Menschen mit einem Bedarfsclearing 3. Menschen mit Multiproblemlagen. Für uns stellt sich die Frage, nach welchen genauen Kriterien diese Kategorisierung erfolgt (z. B. was genau einen mietfähigen Menschen oder einen Menschen mit Multiproblemlagen definiert). Auch würden wir gerne wissen, ob die Betroffenen über die eigene Klassifikation informiert werden und welche Widerspruchsmöglichkeiten sie dagegen haben.
Unabhängig dieser Unklarheiten steht es für uns aber außerfrage, dass wir diese stigmatisierende Einteilung und den damit einhergehenden Ausschluss vom Zugang zu Wohnungen entschieden ablehnen. Wohnen ist ein Menschenrecht und muss daher allen Menschen unabhängig ihrer Bedürfnisse und Probleme zustehen. Daher fordern wir die Stadtverwaltung auf, sowohl von ihrer Kategorisierung sowie dem dahinterstehenden Menschenbild Abstand zu nehmen.

Damit die Wohnungslosenhilfe nicht mehr auf fadenscheinige Kategorisierungen wie das der „Mietfähigkeit“ zurückgreift, brauchen wir dringend genügend Wohnraum für alle. Es reicht also nicht, wenn die Stadtverwaltung die Vorteile von Housing First nur in der Theorie anerkennt (Drucksache, G-22/152., 2022). Es müssen auch praktische Schlüsse daraus folgen.

Wir fordern:

◦ Wohnen nicht als Fähigkeit, sondern als Menschenrecht anzuerkennen!
◦ Bezahlbare, ökologisch und demokratisch verwaltete Wohnungen für alle!
◦ Die Stadt muss insbesondere durch die Freiburger Stadtbau (FSB) Wohnraum zur
Verfügung stellen, damit das Ziel – die Beendigung der Wohnungslosigkeit bis 2030 –
realisiert werden kann.
◦ Die Beendigung der profitorientierten Mietpolitik!
◦ Sozialen Mietwohnungsbau statt Eigentumsförderung!
◦ Einen Stopp von Zwangsräumungen und Delogierungen!
◦ Die Beseitigung von Wohnungsleerstand!
◦ Den Schutz von Bestandswohnungen!
◦ Mietendeckelung, Mietpreisbindung und Vergesellschaftung von Wohnraum!
◦ Städtischen Druck auf Land und Bund für eine soziale Wohnpolitik!
◦ Hilfe zum Wohnen und zur Wohnraumsicherung in Form einer flächendeckenden
Umsetzung von Housing First in Freiburg!

Unsere Forderungen basieren lediglich auf der Einhaltung und Umsetzung bereits beschlossener Ziele: Die Vereinten Nationen haben sich als Ziel gesetzt, dass alle Menschen bis 2030 Zugang zu angemessenem, sicherem und bezahlbarem Wohnraum haben sollen. Auch das EU-Parlament hat sich mit klarer Mehrheit dazu entschlossen Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 zu überwinden. Außerdem empfiehlt das Parlament den Mitgliedsstaaten (und damit auch Deutschland) das Konzept Housing First zu nutzen, um damit die Obdachlosenquote zu senken. Die neue Bundesregierung (SPD, Grüne, FDP) setzt sich ebenfalls laut aktuellem Koalitionsvertrag das Ziel, Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden. Um dieses Ziel zu erreichen, wollen unter anderem die unterschiedlichen Sozialminister*innen die Erfahrungen der verschiedenen regionalen Housing First Modellprojekte zusammentragen und den Ansatz als Standardangebot etablieren."

Stellungnahme des Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Freiburg AKS am 7. Oktober 2022

Dazu hören wir einen Ausschnitt aus Europe in my Backyard von April: 8:04

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Das war Joachim Krauß von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe BAGW e.V. Wenn Ihr mehr zum EHAP dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen und seinen Projekten in der Region wissen wollt, dann hört Euch das unten verlinkte Feature an.