Immer schneller in die Klimakatastrophe | Sind wir bereits im Pyrozän?

Immer schneller in die Klimakatastrophe | Sind wir bereits im Pyrozän?

Die Brände in Kalifornien haben in diesem Jahr ein Ausmaß erreicht wie noch nie zuvor in der Geschichte. Bereits jetzt sind 15 Menschen umgekommen und 500.000 EinwohnerInnen mußten ihre Häuser verlassen. Auch in den Bundesstaaten Oregon und Washington wüten Brände, die durch hohe Temperaturen und ausbleibenden Regen begünstigt werden. Im Einzelfall läßt sich dies zwar nicht nachweisen, aber die Entwicklung der Zahl und des Ausmaßes der Brände in den vergangenen Jahren zeigt, daß es sich um eine Folge der menschengemachten klimatischen Veränderungen auf diesem Planeten handelt. Immer mehr ForscherInnen sehen in dieser Entwicklung des Beginn eines neuen furchtbaren erdgeschichtlichen Zeitalters: des Pyrozän.

Unter den Opfern der Brände entlang der US-amerikanischen Westküste befindet sich ein einjähriger Junge, der zusammen mit seinen Eltern auf der Flucht vor einem gigantischen Feuer östlich von Seattle war. Seine Eltern erlitten schwere Verbrennungen. Bereits jetzt (Stand Freitag, 11.09.20) sind rund 20.200 Quadratkilometer Waldgebiet abgebrannt.

Auch im benachbarten US-Bundesstaat Oregon brennen derzeit (Stand 11.09.20) mehr als 3.600 Quadratkilometer, was der Fläche Mallorcas entspricht. Fünf Städte wurden bereits weitgehend zerstört. Nach Angaben von Gouverneurin Kate Brown ging innerhalb von 3 Tagen doppelt so viel Land in Flammen auf wie durchschnittlich innerhalb eines ganzen Jahres: "Wir haben noch nie so viele unkontrollierte Brände in unserem Bundesstaat erlebt." Auch der entlang der Pazifikküste weiter nördlich gelegene US-Bundesstaat Washington ist von Bränden schwer getroffen. Weltweit lag die Zahl der Brände im April dieses Jahres um 13 Prozent über der von 2019.

Im vergangenen Jahr hatten die Brände im Amazonas-Gebiet grauenhafte Rekord-Ausmaße erreicht. Weit überwiegend waren es im Interesse der brasilianischen Rinder-Barone gelegte Feuer, um Urwald zugunsten der Nutzung für Rinderweiden und Soja-Felder abzubrennen. Begünstigt wurde die illegale, aber von der Regierung geduldete Brandrodung durch eine anhaltende Dürre (Siehe unseren <a href="umwald190822.html" target=_blank>Artikel v. 22.08.19</a>). Vernichtet wurde Wald auf einer Fläche von rund 9.000 Quadratkilometern.

Während bei natürlichen Bränden die Kohlenstoff-Bilanz über einen längeren Zeitraum ausgeglichen ist, trägt Brandrodung massiv zu den klimatischen Veränderungen auf diesem Planeten bei. Laut dem  Feuerökologe Johann G. Goldammer vom Global Fire Monitoring Center (GFMC) hat die Umwandlung in Agrarflächen sogar eine beschleunigende Wirkung. Die Degradation des Ökosystems hat zur Folge, daß pro Fläche weniger Kohlenstoff gebunden wird als vor der Brandrodung. 200 bis 600 Tonnen Pflanzen-Masse pro Hektar im Urwald stehen demnach nur mickrige 8 bis 12 Tonnen auf einer Weide gegenüber. "Die Differenz ist der Klima-Effekt der Brandrodung," so Goldammer. Netto belaufe sich dieser Effekt weltweit derzeit auf jährlich 2,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff.

"Außerdem wird, durch steigende Temperaturen und zunehmende Trockenheit, die Vegetation brennbarer. Wir leben im Zeitalter des Pyrozän," so Goldammer. Die Dynamik des Übergangs von einem Erdzeitalter zum nun anbrechenden oder bereits begonnenen Pyrozän zeigt sich bereits weltweit. Australien hatte 2019/20 mit extremen Buschbränden zu kämpfen, die sich zu Feuerstürmen auswuchsen und große Gebiete erfaßten. Die Feuersaison begann früher und endete später. Insgesamt verbrannten zwölf Millionen Hektar Land - mehr als die gesamte Waldfläche Deutschlands.

Wenn einige WissenschaftlerInnen heute sagen, daß es vierzig Jahre dauern kann, bis die Lebensräume sich von einem Feuer im Ausmaß der jüngsten australischen Buschbrände erholen, beziehen sie sich auf Erfahrungswerte aus vergangenen Feuerperioden, die nur bedingt zum Vergleich taugen. Denn die fortgesetzte Zersiedlung der Landschaft und die effektive Ausbeutung des Bodens durch die industrielle Landwirtschaft sind in der Geschichte Australiens ohne Beispiel.

Dramatische Veränderungen zeigen sich auch auf der Nordhalbkugel: In Sibirien breiten sich die Feuer immer weiter nach Norden aus - in die Tundra, wo der Permafrost zu tauen beginnt. Und seit langem ist dies auch in Nordamerika zu beobachten. In Kalifornien brennt es mittlerweile das ganze Jahr über. Dort wurde in der Fachwelt der Begriff "Feuersaison" abgeschafft.

Wenn sogenannte Klimaziele mit einer Erderwärmung um durchschnittlich zwei oder gar drei Grad bis 2050 Realität werden, hat die Menschheit den Zeitpunkt des klimatischen Kipp-Punktes mit Sicherheit längst hinter sich gelassen. Verheerende Brände auf der gesamten Weltkugel sorgen dann dafür, daß das Abgleiten ins Inferno der Klimakatastrophe unumkehrbar wird. Der Begriff "Pyrozän" wird so zum Synonym für den Untergang der Menschheit.


Kommentar:

Immer offensichtlicher wird, daß junge Menschen, die sich 'Fridays 4 Future' verbunden fühlen, ihre Zeit verschwenden, wenn sie mit "Verantwortlichen" wie etwa Angela Merkel, Donald Trump oder Wladimir Putin Gespräche zu führen versuchen. Die Zeit für Gespräche und moralische Appelle ist nicht nur abgelaufen - es ist vertane Zeit. Es kommt jetzt darauf an zu handeln. Wichtig ist es dabei, durch gewaltfreie Aktionen die Verbrennung von Kohle und anderen fossilen Energieträgern zu stoppen, den Ausbau der erneuerbaren Energie voranzutreiben und für die Verkehrs-Wende und die Agrar-Wende zu kämpfen. Wie die australische Band 'Midnight Oil' in ihrem Song von 1987 müssen wir uns fragen: "Wie können wir nur ruhig schlafen, wenn unsere Betten brennen?"