Massiver Widerstand gegen die Agrarindustrie : Konflikt um Wasserzugang in Westfrankreich spitzt sich zu

Konflikt um Wasserzugang in Westfrankreich spitzt sich zu

Tausende UmweltschützerInnen haben am 25. März in Sainte-Soline demonstriert

Protest im Schlamm: Demo gegen industrielle Wasserspeicher am 25.03.23 (mutu)
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Réseau Mutu

Über 25.000 DemonstrantInnen, machten sich am letzten Märzwochenende zu den Protesten gegen den Bau von industriellen Wasserrückhaltebecken „Mégabassines“ in „Deux-Sèvres“ auf den Weg. Ein übergroßes Aufgebot von offiziell 3.200 Ordnungskräften bewachte die Großbaustellen am Boden. Hubschrauber überflogen das Gelände nahe Sainte-Soline. Auch deutsche Einsatzkräfte wurden gesichtet. Seit Jahren gibt es Protestaktionen gegen die bis zu 700.000 m³ großen Wasserspeicher der Maisbauern, die aus dem Grundwasserspiegel gespeist werden. Die Konfrontation des 25. März endete mit zahlreichen Verletzten auf allen Seiten. Die überaus brutale Einsatzstrategie wurde von Menschenrechtsorganisationen und Verbänden scharf kritisiert.

UmweltschützerInnen zufolge dienen die „Mégabassines“ genannten Wasserspeicher ausschließlich der industriellen Landwirtschaft. Das Wasser müsse jedoch „als Gemeingut gehandhabt“ und die „landwirtschaftliche und wirtschaftliche Praxis, sowie Flächenversiegelungen“ überdacht werden, so die OrganisatorInnen. Für Nicolas Girod, Sprecher der „Confédération Paysanne“ gehe es bei dem Protest darum, „die öffentliche Debatte um den Zugang zu Wasser neu zu öffnen“. Nach Großdemonstrationen im vergangenen Herbst, bei denen es ebenfalls zu Auseinandersetzungen und Sabotage gekommen war, ließ die Rede vom „Ökoterrorismus“ nicht lange auf sich warten.

Seit Monaten wird der Protest gegen die „Mégabassines“ einer immer deutlicher werdenden Überwachung ausgesetzt. Mediapart berichtete von Angriffen aus dem Umfeld des Verbandes der Großbauern, FNSEA. Unter anderem wurde vergangene Woche der Wohnort des Umweltschützers Patrick Picaud verwüstet. Der Sprecher der Koalition „Bassines non merci“ Julien Le Guet wurde bereits am 17. März verhört und mit juristischen Auflagen belegt.

Medial stimmte Innenminister Darmanin die Öffentlichkeit im Vorfeld auf ein Massaker ein. Tage zuvor wurde verkündet, dass es „zahlreiche Verletze und möglicherweise Tote“ geben werde. Am Freitag reisten UmweltschützerInnen und AnhängerInnen der KleinbäuerInnen-Gewerkschaft „Confédération Paysanne“, der Kampagne „Les Soulèvements de la Terre“ und der Bürger-Initiativen zu tausenden an, um ein Camp im Dorf Vanzay zu errichten. Die Bassines-GegnerInnen hatten das zuvor verkündete Versammlungsverbot kritisiert und letztlich ignoriert.

Bei windigem Frühjahresregen demonstrierten am Samstag den OrganisatorInnen zufolge bis zu 30.000 Menschen in Richtung der „Mégabassines“. Die Präfektur sprach von „6.000 DemonstrantInnen“. Bis zu 15 Hubschrauber überflogen das Geschehen, Militär- und Polizeifahrzeuge umsäumten das Gelände. Einer der Demonstrationszüge gelangte bis an die Baustelle und riss Zäune nieder. Autonome lieferten sich am frühen Nachmittag mehrstündige Gefechte mit den Gendarmerieeinheiten. Während UmweltschützerInnen Steine, Brandsätze und Pyrotechnik verwendeten, schossen die Ordnungskräfte mit Tränengas, Gummischrot und Blendt-Schock-Granaten. Mehrere Polizeifahrzeuge brannten aus. Neben einem Wasserwerfer griff die Einsatzleitung auch auf die neue Festnahmeeinheit BRAV-M zurück, die, passend zur schlammigen Umgebung, mit Quads anstatt der übliche Motorräder unterwegs war. Auf beiden Seiten kam es zu teilweise erheblichen Verletzungen.

Am Abend berichteten DemosanitäterInnen von rund 200 Verletzten, von denen 40 schwerverletzt seien. Auch mehrere JournalistInnen wurden verletzt. Besonders der massive Einsatz von Gummigeschossen und die der neuen GM2L-Granaten verschlimmerte die Bilanz: Mindestens zehn DemonstrantInnen wurden in Krankenhäuser verbracht, eine Person befand sich am Sonntag im Koma. Mehrfach mussten Verletzte per Hubschrauber ausgeflogen werden. Agathe Morin von der Menschenrechtsliga LDH kritisierte die staatliche Militarisierung der Auseinandersetzungen, die sich auch in der Ordnungspolitik bezüglich der Rentenreform-Proteste widerspiegele. Besonders scharf kritisierte sie den „Einsatz von rund 4.000 Granaten und (…) die gezielte Blockade von SanitäterInnen (durch Polizeieinheiten)“ sei ein Skandal. (LS)

Übersichtsartikel des Mutu-Netzwerks (französisch): https://dijoncter.info/pas-une-bassine-de-plus-suivi-mutu-du-week-end-de...