Lebensgefährlicher Protest gegen Wasserprivatisierung in Frankreich : Polizeigewalt blanchiert, neue „Mégabassines“ legalisiert, Verbotsverfahren eingeleitet

Polizeigewalt blanchiert, neue „Mégabassines“ legalisiert, Verbotsverfahren eingeleitet

Nach den Protesten Zehntausender gegen die landwirtschaftlichen Wasserspeicher in West-Frankreich Ende März sah die französische Regierung Handlungsbedarf. Innenminister Darmanin redete bereits im Vorfeld der Auseinandersetzungen wiederholt über den notwendigen „Kampf gegen den Ökoterrorismus“ und stellte die Öffentlichkeit auf die „Schlacht“ des 25. März ein. Jetzt, wo die Rauchschwaden verzogen sind, hat sich das politische Gewitter verstärkt. Die repressive Haltung des Innenministeriums könnte in der Auflösung der Kampagne „Les soulèvements de la terre“ müden. Die interne Aufsicht der Gendarmerie „IGGN“ verkündete nach internen Untersuchungen die Legitimität einzelner Gewalthandlungen der Einsatzkräfte. 40 Personen wurden während der Demonstration schwer verletzt. Der Demonstrant Serge schwebt aufgrund einer Kopfverletzung noch immer in Lebensgefahr.

Neben Spezialgeräten und dem Einsatz von Wasserwerfern kamen auch neuartige „Hilfsmittel“ zum Einsatz. Die Verwendung chemischer Farbprodukte zur Markierung von angeblichen GewalttäterInnen, führten zur Verhaftung von mindestens zwei Linken. Auch ein Journalist befand sich in verlängertem Gewahrsam, weil er von den polizeilichen Farbmarkierungen angeschossen wurde. Der desaströse Verlauf des Einsatzes wurde von Menschenrechtsorganisation besonders mit Blick auf die Unverhältnismäßigkeit der Mittel kritisiert. Auch international meldeten sich Organisationen zu Wort, die die Protestkontrolle unter Macron auch im Kontext des Gelbwesten-Aufstandes und der Repression gegen die Rentenreformproteste hinterfragten.


Am 12. April erklärte die interne Militärpolizeipolizei „inspection générale de la gendarmerie nationale“, dass auch der Einsatz von Gummigeschossen durch die besondere Eingreiftruppe PM2I während der Auseinandersetzungen in Sainte-Soline „in Notwehr“ erfolgt sei. Ihnen wurde vorgeworfen, einen Teil der Demonstration mit Quads eingekesselt und im Fahren beschossen zu haben. Insgesamt wurden innerhalb von drei Stunden über 5.000 Tränengas- und Blendschock-Granaten, sowie zahllosen Gummigeschosse verschossen. Bei der Protestaktion, die sich auf die abgesicherte Baustelle eines Wasserspeichers bei Sainte-Soline zubewegte, wurden nicht nur Rettungskräfte von der Einsatzleitung aufgehalten. Nachweislich befahl die Einsatzleitung unter anderem den Tränengasbeschuss eines vollkommen friedlichen Demonstrationszuges.


Ungeachtet der öffentlichen Kritik verschärfte das Innenministerium seinen Diskurs gegen die Umweltbewegung weiter. Darmanin stellte nach den kritischen Äußerungen der Menschenrechtsliga „LDH“ deren öffentliche Finanzierung infrage.
Außerdem leitete er postwendend ein Verbotsverfahren gegen die Kampagne „Les soulèvements de la terre“ ein. Radio Dreyeckland berichtete über die frankreichweiten Proteste infolge der Ankündigung des Verbotsverfahrens am 28. März. Rund 90.000 Organisationen und Einzelpersonen unterzeichneten seither eine Petition mit dem Titel „Wir sind der Aufstand der Erde“, um ihre Solidarität mit der Bewegung zu unterstreichen. Diese kündigte weitere Proteste an. Schon am Wochenende des 23. April ist eine weitere überregionale Protestaktion gegen den Bau der Autobahn A69 von Castres nach Toulouse geplant. Organisationen vor Ort rechnen erneut mit Demonstrationsverboten und erhöhter Konfrontationsbereitschaft auf allen Seiten.

Der Widerstand gegen die „Mégabassines“ geht laut der Organisation „Bassines non merci“ ebenfalls weiter, auch wenn die GegnerInnen der Becken einen erneuten Rückschlag auf juristischer Ebene erfahren mussten. In Poitiers beschloss das Verwaltungsgericht am 11. April den Bau von 16 neuen Wasserspeichern zu legalisieren und wies die von Umweltverbänden eingereichten Klagen gegen neue Baustellen in den Départements Deux-Sèvres, Vienne und Charente-Maritime ab. Insgesamt befinden sich 93 der umstrittenen Speicheranlagen in Planung, mit Schwerpunkt in Westfrankreich. Die UmweltschützerInnen kündigten an, den Kampf gegen die Privatisierung des Süßwassers und die Bedrohung der Grundwasserspeicher, von denen die bis zu 700.000 m³ großen „Mégabassines“ gespeist werden sollen, zu verstärken. LS