Locarno Blog 1

Wakanarai - Castro - Unter Bauern

Aus Locarno: Angelique Presse

Locarno
ist ein schnuckliges Schweizer Städtchen in der
italienischsprachigen Schweiz, welches viel italienisches Flair
verbreitet. Dazu kommen das atemberaubende Bergpanorama (egal wo man
in der Stadt steht, man hat einen wunderbaren Blick auf die
umgebenden Alpen) und natürlich die Lage direkt am Lago Maggiore.
Noch dazu empfing mich strahlender Sonnenschein. Ein Wetter, bei dem
es fast zu schade ist, den ganzen Tag im Kino zu verbringen.

Dennoch habe ich mich gestern um 16.15
Uhr tapfer in einen mit unbequemen Plastikstühlen bestückten, viel
zu kühl klimatisierten Kinosaal gesetzt und mir meinen ersten Film
angesehen: Wakanarai (Where are you?) von Masahiro
Kobayashi.

Locarno Blog 1

Wakanarai - Castro - Unter Bauern

Aus Locarno: Angelique Presse

Locarno
ist ein schnuckliges Schweizer Städtchen in der
italienischsprachigen Schweiz, welches viel italienisches Flair
verbreitet. Dazu kommen das atemberaubende Bergpanorama (egal wo man
in der Stadt steht, man hat einen wunderbaren Blick auf die
umgebenden Alpen) und natürlich die Lage direkt am Lago Maggiore.
Noch dazu empfing mich strahlender Sonnenschein. Ein Wetter, bei dem
es fast zu schade ist, den ganzen Tag im Kino zu verbringen.

Dennoch habe ich mich gestern um 16.15
Uhr tapfer in einen mit unbequemen Plastikstühlen bestückten, viel
zu kühl klimatisierten Kinosaal gesetzt und mir meinen ersten Film
angesehen: Wakanarai (Where are you?) von Masahiro
Kobayashi.

Der Film portraitiert einen japanischen Jugendlichen, der
alleine lebt, da seine Mutter im Krankenhaus liegt und der Vater die
Mutter vor vielen Jahren verlassen hatte. Mit einem Job im Supermarkt
versucht er neben der Schule, das Geld für die Miete und das
Krankenhaus aufzubringen. Doch der Verdienst reicht hinten und vorne
nicht, so daß er sich immer mal wieder an der Supermarktkasse
bedient. Natürlich bleibt das nicht unentdeckt, und er wird
gefeuert. Als Ryos Mutter stirbt und der Junge die Beerdigung nicht
bezahlen kann, bricht er vollends zusammen, macht sich aber immerhin
auf die Suche nach seinem Vater.

In dem Film passiert eigenlich nicht
viel. Die Kamera folgt dem verzweifelten Jungen, welcher eigentlich
den halben Film lang gezeigt wird, wie er heißhungrig irgendwelche
Lebensmittel in sich hineinschlingt. Das soll wohl seine verzweifelte
Situation, für seinen Unterhalt zu sorgen, illustrieren, wirkt aber
ein wenig skurril, da er wirklich dauernd isst. Der Film ist sicher
sehr künstlerisch, konnte mich aber nicht überzeugen; dazu wer er
zu langatmig, und mir fehlte die Aussage, insbesondere, wenn ich den
Film mit Nobody knows vergleiche. Beide Filme stellen sich auf
den beobachtenden Standpunkt, der den Hauptdarstellern einfach nur in
ihrem Alltag folgt. Aber während Nobody knows es schafft, trotz
einer extrem ruhigen Erzählweise und einer langen Spieldauer, den
Zuschauer für das Schicksal der Protagonisten zu interessieren,
bleibt man bei Wakanarai außenstehender, unbeteiligter Beobachter; Man sieht zwar das Schicksal des Jungen, ist aber nicht davon
betroffen.

Der nächste Film war eine
argentinische Produktion namens Castro. Dieser gefiel mir
schon bedeutend besser, hatte er doch einige skurrile und innovative
Ideen. Aber nach etwa der Hälfte wiederholten sich die Szenen, und
man fing an sich zu fragen, was das ganze sollte. Die Handlung ist
recht einfach: Castro geht mit seiner Freundin auf der Suche nach
Arbeit in „die Hauptstadt“. Dabei wird er von einem Mann auf
Krücken verfolgt, der den Auftrag hat, ihn nicht aus den Augen zu
lassen. Nach und nach erfährt man, daß der Mann auf Krücken von
einem gewissen „Samuel“, einem alten Freund von Castro,
beauftragt wurde und dass auch Castros Noch-Ehefrau irgendetwas mit
der Verfolgung zu tun hat. Castro ist sich seiner Verfolger zunächst
nicht bewußt, schafft es aber immer wieder, ihnen zu entkommen. Das
ganze gipfelt in einer wilden Verfolgungsjagd, bei der alle
Beteiligten immer wieder wild Autos tauschen und der Hauptdarsteller
natürlich wieder entkommt. Am Ende finden alle Beteiligten in einer
Pension zueinander, nur Castro sitzt alleine in seinem Auto...

Abends um 21.30 Uhr war es dann endlich
so weit: Ich durfte selber an der vielgerühmten Open-Air-Vorführung
auf der „Piazza Grande“, dem Hauptplatz von Locarno, teilnehmen.
Mit Unter Bauern – Retter in der Nacht lief sogar eine
deutsche Produktion. Der Film schildert das Schicksal einer jungen
Jüdin und ihrer kleinen Tochter, welche von einer westfälischen
Bauernfamilie mehrere Jahre lang vor den Nazis versteckt wurden. Die
Familie hat dabei permanent ihr eigenes Leben riskiert, indem sie die
junge Frau gedeckt und die Nazis belogen hat. Da der Film eine wahre
Geschichte schildert, ist er durchaus sehr bewegend, schauspielerisch
weist er aber doch einige Schwächen auf. Veronika Ferres in der
Rolle der jüdischen Mutter war besser, als erwartet, allerdings
erwartet man bei dieser Schauspielerin auch nicht allzu viel. Auch
bei den anderen Darstellern wirkte das Spiel zuweilen hölzern und
die Dialoge gekünstelt, außerdem hätte man insbesondere bei den
Kinderrollen vielleicht auf ein wenig mehr Schauspieltalent achten
können. Alles in allem durchaus ein sehenswerter Film, der aber mehr
durch seinen Inhalt als durch seinen cineastischen Wert überzeugt.