Mildere Strafen für häusliche Gewalt in Russland

Mildere Strafen für häusliche Gewalt in Russland

Die Neufassung eines Gesetzes, das am Mittwoch in zweiter Lesung verhandelt wurde, sieht vor, familiäre Gewalt künftig nur noch mit Geldstrafen zu ahnden. Gewalt an Angehörigen wird damit entkriminalisiert, da sie nicht mehr als Straftat, sondern als bloße Ordnungswidrigkeit gilt. Die Gesetzesinitiative sieht außerdem vor, dass Opfer erst bei wiederholter Gewalt vor Gericht ziehen dürfen und selbst die Beweispflicht haben. Die TäterInnen müssen statt Gefängnis nur noch mit einer Höchststrafe von 500€ rechnen.

Die Initiatorin des Gesetzes, Jelena Misulina, hat sich zum Ziel gesetzt, die Familie und traditionelle russische Werte zu stärken. Unterstützt wird die Senatorin in ihrem Vorstoß unter anderem von der Menschenrechtsbeauftragten des Kreml, von der orthodoxen Kirche und von konservativen PolitikerInnen.

Die Initiative wurde bereits im letzten Jahr durch einen geschickten Griff vorbereitet: Im Sommer 2016 wurden zunächst die Strafen für nichthäusliche Gewalt auf Geldstrafen herabgesetzt, mit dem Argument, dadurch Gerichte entlasten zu können. Den gestern vorgelegten Gesetzesentwurf rechtfertigt Misulina nun damit, dass die ungleiche Gesetzeslage zwischen häuslicher und nichthäuslicher Gewalt angepasst werden müsse. Der Grundsatz der Gleichbehandlung werde ansonsten verletzt.

Gegen die Verharmlosung und das Stillschweigen über häusliche Gewalt positionierten sich im vergangenen Jahr bereits zehntausende Frauen aus dem postsowjetischen Raum, als sie sich an dem Internet-Flashmob mit dem Hashtag #ichhabekeineAngsteszusagen beteiligten.

Da Gewalt in großen Teilen der russischen Gesellschaft toleriert wird, bestehen große Hemmungen Übergriffe überhaupt zu melden. Es wird vermutet, dass nur 10 Prozent der Frauen Gewalt bei der Polizei anzeigen. Laut statistischen Daten finden 40 Prozent aller russischen Gewaltverbrechen in der Familie statt. Die NGO nasiliu gibt auf ihrer Homepage bekannt, dass jedes Jahr rund 40.000 Frauen in Russland Opfer von Gewalt im familiären Umfeld werden, 9.000 von ihnen verlieren dabei ihr Leben.