ND - Turbulenzen im Äther - 27.04.07

ND - Turbulenzen im Äther - 27.04.07

Die freien Radios sind also längst erwachsen geworden – trotzdem herrscht bei vielen
derzeit Katerstimmung. Nur in Sachsen konnten Sender in Dresden, Chemnitz und
Leipzig eine Ausweitung der Sendezeiten erreichen. In anderen Bundesländern klagt
man zunehmend über Einschränkungen und Mittelkürzungen.
In Hessen könnte die Änderung des Landesmediengesetzes bald das Aus für viele
Bürgerradios bedeuten. Bisher sah das Gesetz vor, dass »nichtkommerzielle
Lokalradioinitiativen« eine Sendelizenz und zur »Förderung der Meinungsvielfalt« pro
Sender 70 000 Euro aus den Rundfunkgebühren erhalten können. Nun sollen sie vom
»Radioprogrammveranstalter« zu »medienpädagogischen Zentren« degradiert werden.
Damit würden sie 40 Prozent der Fördermittel verlieren. Die Protestwelle von
Oppositionsparteien, Hörern und Interessenverbänden macht den Radiomachern
Hoffnung, dass die Novelle entschärft werden kann.
Andernorts sorgen Quoten für Unruhe. Bei einer Umfrage, die von der
Landesmedienanstalt in Auftrag gegeben wurde, ging »Radio Flora« aus Hannover
unter allen nichtkommerziellen Lokalradios in Niedersachsen als Schlusslicht hervor.
Dem Sender wurde die Lizenz entzogen, er muss sich neu bewerben. Fast alle
Parteien in Hannover, bis hin zur CDU, hatten sich für »Radio Flora« ausgesprochen.
Das Radio, das dieses Jahr seinen zehnjährigen Sendegeburtstag feiert, hatte mehr
als 72 000 Unterschriften gesammelt und eine Programmreform angekündigt.
Reichweitestudien sind auch in Sachsen-Anhalt geplant – aber umstritten. Zwar ist man
an Erhebungen interessiert, will aber nicht nach Kriterien wie »Durchhörbarkeit«
beurteilt werden. In Baden-Württemberg hat die Landeskommunikationsanstalt (LfK)
Radio Dreyeckland zum Jubiläum ein besonderes Geschenk beschert: Für 2007 wurde
die Streichung von 25 000 Euro angekündigt. Der Streit dreht sich um das tägliche
regionale Infomagazin »Morgenradio«. Die LfK will, dass der Freiburger Sender für sein
zweites Sendegebiet am Hochrhein ein eigenes Morgenprogramm ausstrahlt. Bisher
konnte die LfK dem Sender aber keine Vernachlässigung des zweiten Sendegebiets
nachweisen. RDL-Redakteur Kurt-Michael Menzel pocht auf die Gelder: »Das
Bundesverfassungsgericht hat aktuell bestätigt, dass Rundfunkgebühren gerade der
Förderung der Meinungsvielfalt dienen sollen.« Das Vorgehen der Stuttgarter Behörde
stelle »den systematischen Versuch dar, die Rundfunkfreiheit der freien
nichtkommerziellen Sender zu torpedieren«.
Dass es sich nicht um eine Provinzposse handelt, zeigen ähnliche Vorfälle beim
»Querfunk« in Karlsruhe. Dort hatte die LfK für 2006 Fördermittel ausgesetzt, weil das
Radio zwei Moderatoren ausgeschlossen hat, die durch frauenfeindliche und
homophobe Kommentare aufgefallen waren. Während die LfK eine fehlenden
»Zugangsoffenheit« kritisiert, wendet sich die Querfunk-Redaktion gegen jede
Einmischung.
Die freien Radios treffen derlei Attacken stärker als früher: Der Enthusiasmus der
Gründerzeit hat nachgelassen und die Bewegungen, die die Projekte aufgebaut haben,
brechen weg. Hartz IV und Studiengebühren erschweren zudem das ehrenamtliche
Engagement bei den freien Radios. Von einem Qualitätsverlust kann aber nicht die
Rede sein. Viele Sender haben sich auf neue Konzepte eingelassen, bezahlte
Redaktionsarbeit ist längst kein Tabu mehr.
Auch neue Medien werden professionell genutzt. So hat der BfR eine Internet-Plattform
ins Leben gerufen – dort kann man Sendungen im mp3-Format abrufen. Neu ist auch
das werktägliche, halbstündige politische Infomagazin »zip-fm«, das sich aus den
Beiträgen verschiedener Radios zusammensetzt und von zahlreichen Sendern
ausgestrahlt wird.
Beim BFR sieht man kein koordinierten Vorgehen gegen die freien Radios, spricht aber
von einem bundesweiten Trend: »Emanzipative Elemente im Bereich der
elektronischen Medien« würden zunehmend »als Störfaktor betrachtet«. Da die
Stimmen zunehmen, die eine Zusammenlegung der Landesmedienanstalten fordern,
wird eine koordinierte Lobbyarbeit der freien Radios in Zukunft nötiger denn je werden.

www.freie-radios.de