In der Pariser Vorstadt Bobigny soll heute oder am morgigen Mittwoch eines der ältesten und grössten Slums Frankreichs geräumt werden. Die rund 90 bulgarischen und rumänischen Familien, darunter vor allem Roma, hatten bis heute morgen um 6 Uhr, um ihre Sachen zu packen und das Gelände freiwillig zu verlassen. Der Slum existiert seit 2008 und beherbergte bis zu 400 Menschen. Laut Unterstützungskollektive konnten sich die Familien durch die stabile Wohnsituation integrieren. Bis zu 90 Prozent der Kinder waren eingeschult, eine vergleichsweise hohe Zahl im Vergleich zu anderen Slums.
BewohnerInnen und Kollektive protestierten am gestrigen Montag gegen die bevorstehende Räumung. In einem offenen Brief forderten sie den französischen Menschenrechtsbeauftragte der Republik auf, die Räumung nicht zuzulassen, weil dabei grundlegende Menschenrechtsstandards nicht berücksichtigt wurden. Weniger als zehn Familien würden zwar Sozialwohnungen erhalten. Doch bei den anderen Familien würde die Räumung die gesamten Integrationsbemühungen zerstören. 30 Familien wurden für eine befristete Zeit Heim- oder Hotelzimmern angeboten, die sich aber ausserhalb der Pariser Region befinden. Dadurch würden sie ihre Arbeit verlieren und die Kinder könnten nicht mehr zur Schule. Der Mehrheit der Familien wurde keine alternative Wohnlösung angeboten. Diese würden somit direkt auf die Strasse gesetzt, ohne Rücksicht auf junge Kinder, sowie kranke oder alte Menschen. Die Kollektive befürchten, dass diese Räumung als Musterbeispiel für weitere Räumungen in der Pariser Region dienen könnte.
Die Stadt Bobigny wurde bis Anfang 2014 kommunistisch regiert und ging vergleichsweise wenig repressiv gegen SlumbewohnerInnen vor. Der neue Bürgermeister der Mitterechtspartei UDI ordnete im August die Räumung des Geländes an, und argumentierte dabei mit der ungesunden Situation in den Slums.