Sanktionspolitik gegen Rußland heuchlerisch | Uran und Brennelemente weiter ausgenommen

Sanktionspolitik gegen Rußland heuchlerisch | Uran und Brennelemente weiter ausgenommen

Washington (LiZ). Der "Westen" hat die Einfuhr von Öl, Gas und Kohle aus Rußland mit Sanktionen belegt – also entweder verboten oder mit einem Preisdeckel versehen. Allerdings dürfen Uran, Brennelemente und Nuklear-Technik bisher ungehindert importiert werden. Am 8. Februar spekulierte das 'Handelsblatt' noch, daß sich diese heuchlerische Sanktionspolitik bald ändern werde: Im zehnten Sanktions-Paket der EU gegen Rußland könnte es "explizit" auch um Strafmaßnahmen gegen die mächtige Atomindustrie des Landes gehen. Pünktlich zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine, legte die EU dieses Sanktions-Paket vor.  In der heutigen Stellungnahme der Bundesregierung ist nun zu lesen: "Die EU-Sanktionen umfassen ausdrücklich kein Exportverbot von Gas. Die Ausfuhr von Gas ist daher grundsätzlich weiterhin möglich." Zu Uran oder Brennelementen findet sich kein einziges Wort.

Zugleich stieg in den vergangenen Monaten der Profit des russischen Staats-Konzerns Rosatom exorbitant - nicht zuletzt dank der Atomkraftwerke in Europa. Der Export von Energieträgern ist eine der wichtigsten Säulen der russischen Wirtschaft - und daher auch eine unabdingbare Voraussetzung für die Fortsetzung des Kriegs gegen die Ukraine. Eine neue Auswertung der Nachrichtenagentur Bloomberg und des Londoner Royal United Services Institute (RUSI) zeigt einen Anstieg der russischen Nuklear-Exporte im Jahr 2022. Demnach hat der russische Staatskonzern Rosatom im vergangenen Jahr rund 20 Prozent mehr mit Exporten erlöst als im Vorjahr.

Durch den Krieg hat Rosatom zwar etliche Alt-Kunden verloren. So verzichtet die Ukraine – lange ein Hauptabnehmer für Brennelemente – auf die Belieferung durch Rosatom. Auch die Slowakei und Tschechien haben die Belieferung ihrer Uralt-AKW russischer Bauart mit Brennelementen auf eine US-amerikanische Firma umgestellt.

Doch für die Belieferung von Atomkraftwerken in anderen osteuropäischen Staaten stellte die EU-Bürokratie sogar Sondergenehmigungen aus. Eigentlich dürfen Flugzeuge aus Rußland wegen der "westlichen" Sanktionen keine EU-Ziele mehr ansteuern. Mehrfach jedoch landeten russische Transportmaschinen in osteuropäischen Ländern, um Atomkraftwerke mit russischen Brennelementen zu versorgen. Zu den im Jahr 2022 versorgten Atomkraftwerken zählen das AKW Paks und das AKW Mochovce. Mehr als ein Dutzend Atom-Reaktoren in der EU können nur mit mit den sechseckigen russischen Brennelementen betrieben werden: in Finnland, Tschechien, Ungarn, der Slowakei und in Bulgarien (Siehe unseren <a href="akwura220421.html" target=_blank>Artikel v. 21.04.22</a>).

Nach wie vor laufen die Geschäfte für Rosatom offenbar blendend: Laut der Bloomberg-Auswertung hat China seine Nuklear-Importe aus Rußland im vergangenen Jahr extrem hochgefahren - von rund 100 Millionen US-Dollar auf über 450 Millionen US-Dollar. Auch aus Indien, der Türkei und aus Ungarn floß mehr Geld für Uran in die russische Kriegskasse. Die Regierung in Budapest steigerte ihre Importe während des Krieges um rund 50 Prozent.

Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Uran-Geschäfte kommt eine politische Dimension hinzu. Mit dem Bau und Betrieb von Atomkraftwerken wie im türkischen Akkuyu bindet Rußland andere Staaten langfristig an sich.

Nach Angaben von Euratom für 2020 bezieht die Europäische Union über 20 Prozent des Urans aus Rußland, weitere 19,1 Prozent kommen von dessen Verbündetem Kasachstan. Wenn die EU also tatsächlich die Abhängigkeit von Rußland im Energiebereich beenden wollte, müßten diese Lieferungen sofort eingestellt werden.

Auch die drei noch in Betrieb befindlichen deutschen Atomkraftwerke beziehen ihr Uran überwiegend aus Rußland und Kasachstan. Der russische Staatskonzern Rosatom hat dank zahlreicher Auslandsbeteiligungen eine Spitzenposition im internationalen Uran-Geschäft und deckt mehr als ein Drittel des weltweiten Uran-Bedarfs. Rund 40 Prozent der europäischen Uran-Importe stammen aus Rußland und Kasachstan.

Die große Abhängigkeit Europas von Rußland bei Uran und Brennelementen für Atomkraftwerke belegt die Heuchelei der EU-Kommission. Auf der einen Seite behauptet sie, Atomkraft diene der energiepolitischen Versorgungssicherheit. Die Aufnahme der Atomkraft in die EU-Taxonomie als "nachhaltig" wurde mit Versorgungssicherheits-Aspekten begründet. Auf der anderen Seite nimmt die EU Uran und die Belieferung mit Brennelementen durch Rosatom von den Sanktionen aus. Die Kapazität der Brennelementefabrik Lingen, die überwiegend Uran aus Rußland und Kasachstan verarbeitet, soll sogar erweitert werden (Siehe unseren <a href="energw230201.html" target=_blank>Artikel v. 1.02.23</a>). Angesichts dieser Heuchelei ist es wenig wahrscheinlich, daß der deutsche Atomausstieg - wie versprochen - tatsächlich am 15. April realisiert wird.