Türkei: Staatsanwalt fordert 15 Jahre Haft für Peter Steudtner und andere Menschenrechtler

Türkei: Staatsanwalt fordert 15 Jahre Haft für Peter Steudtner und andere Menschenrechtler

Laut türkischen Medienberichten fordert die Staatsanwaltschaft 15 Jahre Haft für den deutschen Menschenrechtstrainer Peter Steudtner und 11 bekannte türkische MenschenrechtsaktivistInnen. Darunter befindet sich auch die Direktorin der türkischen Sektion von amnesty international, Idil Eser. Der Vorwurf soll auf Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation lauten.

Steudtner hielt Anfang Juli ein Seminar für führende MenschenrechtlerInnen auf der Insel Büyükada (büjük-ada) bei Istanbul. Es ging um digitale Sicherheit und Stressbeherrschung angesichts von Repressionsmaßnahmen. Ähnliche Seminare hatte er bereits in anderen Ländern abgehalten. Während dieses Seminars wurden Steudtner und die anderen Zunächst festgenommen und dann teilweise inhaftiert.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen nun Mitgliedschaft und Unterstützung der Gülen-Bewegung, der PKK und der maoistischen „Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front“, abgekürzt DHKP-C vor. In der Türkei nennt man das in der Opposition eine „Cocktail-Terrororganisation“. Sie besteht aus ganz verschiedenen Organisationen, die sich untereinander zum Teil spinnefeind sind.

Als belastend sieht der Staatsanwalt Can Tuncay (dschan tundschei), dass das Seminar, das in einem Hotel stattfand, nicht angemeldet worden war. Außerdem werden in der türkischen Presse Materialien im Zusammenhang mit verschiedenen friedlichen Protesten und Kampagnen erwähnt. Zum Teil wird aber gegen Akteure dieser Proteste mittlerweile ebenfalls wegen Terrorverdacht vorgegangen.

Befremdlich ist auch das Timing der Veröffentlichung, jedenfalls wenn man davon ausgeht, dass die Forderungen der Staatsanwaltschaft nicht zufällig gerade an diesem Sonntag in die Medien kamen. Zuvor hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu (mew-lüt tscha-wusch-oolu) dem Spiegel ein Interview gegeben, das in der Ausgabe vom Samstag erschien. In dem Interview schlägt der Außenminister Deutschland eine Wiederannäherung vor. Er wird mit Sätzen zitiert wie „Wenn Ihr einen Schritt auf uns zugeht, dann gehen wir zwei auf Euch zu.“ Der Fall des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel werde in Deutschland aufgebauscht, meinte der Minister. Die Justiz werde entscheiden. Auch pädagogiges hielt der türkische Außenminister bereit. „Die Bundesregierung muss lernen, die Türkei zu respektieren“ meinte Cavusoglu (tscha-wusch-oolu).

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel bezeichnete die Vorwürfe gegen Steudtner als für die Bundesregierung „absolut nicht nachvollziehbar“. Am Ende entscheide jedoch nicht die Staatsanwaltschaft, sondern ein Gericht. An der Unabhängigkeit der türkischen Justiz gibt es allerdings angesichts massiver Umbesetzungen im Justizapparat und weil der Präsident Tayyip Erdogan mehrfach hohe Strafen in laufenden Verfahren vorhergesagt hat, ernsthafte Zweifel.