Türkei: Verein „Wir werden die Femizide stoppen“ soll verboten werden

Türkei: Verein „Wir werden die Femizide stoppen“ soll verboten werden

Die Staatsanwaltschaft in Istanbul teilte am Mittwoch mit, dass sie ein Gerichtsverfahren eröffnen will, mit dem Ziel den Verein „Plattform ‚Wir werden die Femizide stoppen‘“ gerichtlich verbieten zu lassen. Der Verein soll laut Staatsanwaltschaft Tätigkeiten durchführen, die gegen Gesetz und Sitten verstoßen. Der Verein setzt sich seit 12 Jahren für die Rechte von Frauen in der Türkei ein und dokumentiert Femizide in monatlichen Berichten. Eine offizielle Kriminalstatistik, aus der sich zumindest Rückschlüsse auf die Anzahl vom Femiziden ergeben würden, gibt es in der Türkei nicht.

 

Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf Einzelbeschwerden gegen den Verein, in denen ihm vorgeworfen wird, „die Familie unter dem Vorwand der Verteidigung von Frauenrechten zu zerstören“. Die Vorsitzende des Vereins, Fidan Ataselim sieht den Verbotsantrag als Teil einer Abschreckungspolitik und versichert: „Sie können unseren Kampf nicht sabotieren. Unsere Entschlossenheit wird dadurch sogar noch größer“.

 

Im Vergangenen Jahr verzeichnete der Verein 280 Femizide in der Türkei. In 33 Fällen hatten die Frauen den mutmaßlichen Täter vorher angezeigt, wurden aber unzureichend geschützt. In 217 zusätzlichen Fällen ließ sich nicht eindeutig klären, ob ein Femizid vorlag. Häufig geben Täter vor Gericht an, sie seien durch das Verhalten der Frau „ungerechtfertigt provoziert“ gewesen, um eine niedrigere Strafe zu bekommen. In den östlichen Landesteilen gibt es auch Fälle, in denen ein Familienrat den Tod einer Tochter wegen angeblichen Sittenverstoßes beschließt und zum Beispiel den jüngsten Bruder dazu bestimmt, seine Schwester zu ermorden. Falls der Mord aufgeklärt wird, bekommt der Vollstrecker als Minderjähriger eine geringere Strafe.

 

Man kann den Verbotsantrag als Teil einer konservativen Familienpolitik sehen, mit der Erdogan unter anderem von der derzeit deutlich über 50 % liegenden Inflation ablenken will. Vor einem Jahr hat Erdogan bereits den Austritt aus der Istanbul Konvention zum Schutz von Frauen beschlossen und kurz darauf vollzogen. Laut Erdogan untergrub die Konvention die Einheit der Familie und förderte Scheidungen und Homosexualität.