Keine belastbaren Zahlen zur Notwendigkeit von Überwachungsmaßnahmen: 925 Handyortungen und 21 mal Telekommunikationsüberwachung in BW

925 Handyortungen und 21 mal Telekommunikationsüberwachung in BW

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lente/RDL

Am 22. Mai 2019 berichtete die Landesregierung gegenüber dem Landtag, das im Jahr 2018 insgesamt 925 Handy-Ortungen und 21 Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) in Baden-Württemberg durch die Polizei durchgeführt wurden. Eine Quellen-TKÜ, durch das Einschleusen von Spionagesoftware auf Endgeräte, sei nicht vorgenommen worden. Insgesamt seien dies 67 Ortungen weniger als im Jahr zuvor, wobei Vergleichswerte nicht vorliegen, da dies der erste Bericht dazu ist. Die Berichtpflicht wurde erst 2017 bei der letzten Reform des Polizeigesetzes eingeführt.

Der Vorsitzende des Ausschuss für Inneres, Digitalisierung und Migration, Karl Klein (CDU), erklärte dazu in der Pressemitteilung des Landtages:
„Für die Polizei ist die Ortung von Mobiltelefonen ein wichtiges Instrument bei der Suche nach Personen, die sich in einer hilflosen oder lebensbedrohlichen Lage befinden. Durch die Feststellung der Funkzelle des gesuchten Handys kann der Aufenthaltsbereich häufig eingegrenzt werden, wodurch Such- und Rettungsmaßnahmen zielgerichteter und schneller durchgeführt werden können“

Von den 925 Fällen sind lediglich 2 Fälle dabei in denen über die Ortung Hinweg zur Gefahrenabwehr die Verbindungsdaten erhoben wurden, alle anderen Ortungen seien auf Grund akuter Lebensgefahr erhoben worden. Alle Handy-Ortungen wurden von Beamt*innen der Polizei angeordnet, während für die TKÜ-Maßnahmen eine jeweilige Genehmigung vom zuständigen Amtsgericht vorgelegen hätte.

„17 Maßnahmen wurden aufgrund eines staatsschutzrelevanten Hintergrunds angeordnet, drei Maßnahmen aufgrund einer dringenden und erheblichen Gefahr im Bereich der Sexualdelikte und eine Maßnahme aufgrund eines Vermisstenfalls“, sagte der Ausschussvorsitzende. Unklar bleibt jedoch, wie viele der Handy-Ortungen und der KÜ-Maßnahmen tatsächlich für das Auffinden von Personen oder für laufende Ermittlungen einen Beitrag leisten konnten, oder ob diese lediglich als weiterer Ansatzpunk verwendet wurden. Karl Klein spricht lediglich von „vielen Fällen“ in dem das Verfahren sich als Lebensrettend erwiesen hätte. Wie viele dies aber tatsächlich sind verschweigt der Bericht. Dir ortungsgenauigkeit selbst liegt im Stadtgebiet derzeit ungefährt bei 50-100 Metern, auf dem land aber schnell auch mal bis zu 4 Kilometer.

Die TKÜ-Maßnahmen selbst waren erst 2017 bei der Verschärfung des Polizeigesetzes eingeführt worden. Ob weitere Abhörmaßnahmen im Rahmen der Möglichkeiten der Strafprozessordnung durchgeführt wurden erwähnt der Bericht nicht.

Ob die Landespolizei überhaupt schon eine entsprechende Software für den Einsatz von Quellen-TKÜ hat ist derzeit unklar, trotzdem möchte der derzeitige Innenminister Strobl das Einsatzfeld der Quellen-TKÜ noch mehr ausweiten, obwohl sie derzeit keinen Einsatz findet.

Wie netzpolitik.org berichtet, hat der Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) Ulrich Kelber in seinem neuen Tätigkeitsbericht die zunehmenden Befugnisse der Sicherheitsbehörden in Grundrechte einzugreifen kritisiert. Der Bericht wurde wenige früher, am 8. Mai, vorgelegt. Die Tendenz, immer mehr Zugriff auf Daten durch Gesetzesverschärfungen zu erlauben, wie auch in Baden-Württemberg zuletzt 2017, sei:

„Gerade vor dem Hintergrund einer kontinuierlich zurückgehenden Kriminalitätsrate für mich unverständlich“, so der Bundesdatenschutzbeauftragter. Während der Bericht des Landtags suggeriert das die Abfrage von Daten über diese Methoden abnehme, lässt sich dies langfristig und auf alle Bundesländer sowie Datenabfragen verteilt nicht bestätigen. So stiegen die Bestandsdatenabfragen, also wem eine Telefonnummer gehört, durch die Behörden in ganz Deutschland von 12 Millionen in 2017 auf 14 Millionen in 2018 – also ein achtel der gesamten Bevölkerung allein in einem Jahr.

Allerdings gehen wohl, laut einzelner Quellen, die Überwachungsmaßnahmen in Österreich und  der Schweiz auch zurück. Dabei dürfte aber vor allem die mangelnde technische Verarbeitungsfähigkeit der sammelbaren Datenmenge der Hauptgrund sein. Den wenn zu viele Informationen abgefragt werden, gehen im Laufe der Ermittlungen auch mal die wichtigen unter.

Der Bericht aus dem Landtag zeigt eines ganz klar: Die genannten Zahlen reichen nicht um Effektivität und Notwendigkeit dieser Überwachungsmaßnahmen zu rechtfertigen, den es ist weiterhin unklar wann welche Maßnahme tatsächlich auch zum Ermittlungserfolg notwendig war, egal ob auffinden einer vermissten Person oder die Ermittlung von Straftaten.