Atomkraft-GegnerInnen im Dreyeckland kämpfen gegen Billig-Abriß des AKW Fessenheim
Beim Abriß des AKW Fessenheim fallen nach offiziellen Angaben insgesamt über 380.000 Tonnen Material an - nicht mit eingerechnet ist dabei jedoch das radioaktiv kontaminierte Erdreich unter dem Atomkraftwerk. Die Anti-Atom-Gruppe Freiburg stellte sechs Forderungen, die einen möglichst umweltverträglichen Abriß gewährleisten sollen. Diese reichte sie auch bei der grenzüberschreitende Anhörung ein, die zwischen dem 25. März und dem 31. April dieses Jahres stattfand. Von der französischen Untersuchungskommission heißt es nun, die Forderungen aus dem benachbarten Deutschland seien berücksichtigt worden. Aus dem 140-seitigen Bericht geht allerdings hervor, daß keine der sechs Forderungen "Gehör" fand. Seltsamer Weise ist in einer am 15.08. veröffentlichten dpa-Meldung zu lesen: "Deutsche Einwände zu AKW Fessenheim finden Gehör".
Wie viel von den genannten 380.000 Tonnen als radioaktiv deklariert werden, ist eine Streitfrage. Rund 1.200 Tonnen hochradioaktiver Atommüll in Form von abgebrannten Brennelementen wurde bereits in die Plutonium-Fabrik (sogenannte Wiederaufarbeitungsanlage) La Hague abtransportiert. Häufig ist in den Medien von 20.400 Tonnen radioaktivem Abriß-Material die Rede - doch dies ist eine gefährliche Verharmlosung.
Das AKW Fessenheim wurde am 29. Juni 2020 stillgelegt. In den darauf folgenden beiden Jahren wurden bereits etliche Tonnen radioaktiv kontaminierte Borsäure in den Rheinseiten-Kanal eingeleitet. Offiziell soll der Abriß jedoch erst 2026 beginnen. Ein Abriß-Plan wurde zwar in verschiedenen Versionen vom staatlichen französischen Energie-Konzern und AKW-Betreiber EdF vorgelegt - zunächst im Jahr 2019 mit 59 Seiten, im Jahr 2020 mit 112 Seiten... Wesentliche Informationen werden der Öffentlichkeit jedoch vorenthalten. Aus vorliegenden Unterlagen geht allerdings deutlich hervor, daß ein Billig-Abriß geplant ist. Beispielsweise soll das Fundament des AKW Fessenheim im Boden verbleiben - und daraus folgt zwingend, daß auch nicht geplant ist, das radioaktiv kontaminierte Erdreich unter dem AKW auszubaggern.
Im Zuge der gesetzlich vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung fand eine grenzüberschreitende Anhörung zwischen dem 25. März und dem 31. April dieses Jahres statt. Die Anti-Atom-Gruppe Freiburg hatte ihre sechs Forderungen hinsichtlich des Abrisses des AKW Fessenheim an die in Frankreich zuständige Behörde eingereicht:
‣ Es dürfen keine radioaktiv belasteten Flüssigkeiten in den
Rheinseitenkanal und/oder den Rhein eingeleitet werden.
‣ Es dürfen keine radioaktiven Gase in die Atmosphäre abgegeben
werden.
‣ Das Fundament des AKW Fessenheim muß restlos entfernt werden.
‣ Das mit Tritium belastete Erdreich unter dem AKW Fessenheim
muß ausgebaggert wird.
‣ Kein radioaktiv belastetes Metall aus dem Abriß des AKW Fessenheim
darf ins Metall-Recycling gelangen.
‣ Das gesamte nicht-metallene Abriß-Material muß gesondert gelagert
werden, darf nicht auf Hausmüll-Deponien verbracht werden und dessen
weiterer Verbleib muß umfassend und ausnahmslos öffentlich
dokumentiert werden.
(Siehe hierzu unseren <a href="akwfes240430a.html" target=_blank>Artikel v. 30.04.24</a>.)
Von der französischen Untersuchungskommission heißt es nun, die Forderungen aus dem benachbarten Deutschland seien berücksichtigt worden. Aus dem 140-seitigen Bericht geht allerdings hervor, daß keine der sechs Forderungen "Gehör" fand. Seltsamer Weise ist jedoch in einer am 15.08. veröffentlichten dpa-Meldung zu lesen: "Deutsche Einwände zu AKW Fessenheim finden Gehör".
In der offiziellen französischen Stellungnahme wird positiv hervorgehoben, daß im Zuge des Abrisses die Wasserqualität zukünftig auch auf der deutschen Rheinseite kontrolliert werden soll. Um dies zu überwachen, sollen zusätzliche "Kontrolleinrichtungen" geschaffen werden. Nach Ansicht der Anti-Atom-Gruppe Freiburg ist dies lediglich "Augenauswischerei". Die Anti-Atom-Gruppe erinnert daran, daß das Einleiten von etlichen Tonnen radioaktiv kontaminiertem Bor in den Jahren zwischen 2020 und 2022 seitens deutscher Behörden stillschweigend geduldet wurde.
Die baden-württembergische pseudo-grüne "Umwelt"-Ministerin Thekla Walker zeigte sich allerdings damit zufrieden und erklärte öffentlich: "Die von Baden-Württemberg vorgebrachten Punkte sind insgesamt gut aufgenommen worden." Wer sich an die wenig vorbildliche Praxis beim Abriß baden-württembergischer Atomkraftwerke erinnert, dürfte darüber wenig überrascht sein. Beispielsweise wurde beim Abriß des AKW Obrigkeim am 27. November 2014 der radioaktiv kontaminierte Deckel des Reaktordruckbehälters heimlich in die USA transportiert. Dies kam erst im Jahr 2020 zu Tage. Und der als ungefährlich deklarierte radioaktive Beton-Schutt aus dem Abriß baden-württembergischer Atomkraftwerke soll auf Hausmüll-Deponien abgeladen werden. Wenn sich dagegen ein Landrat zur Wehr setzt - wie im Neckar-Odenwald-Kreis der Fall - wird er von Stuttgart unter Druck gesetzt und gefügig gemacht.
Auch wenn aus der Sicht der Atomkraft-GegnerInnen wenig Aussicht besteht, daß deutsche Behörden oder etwa die "grün-schwarze" Landesregierung sich für einen möglichst umweltverträglichen Abriß des AKW Fessenheim engagieren werden, sehen sie dennoch Chancen, ihre Forderungen durchzusetzen. Schon 2019 haben die Anti-Atom-Gruppe Freiburg, der BUND, die Ärztinnen- und Ärzte-Organisation IPPNW, der elsässischen CSFR und weitere Organisationen eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegründet. Die Chancen, auf den Abriß des AKW Fessenheim Einfluß zu nehmen und einen Billig-Abriß zu verhindern, wachsen, je mehr Druck aus der Bevölkerung entsteht. Die Arbeitsgruppe sieht daher ihre oberste Priorität in der Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus wurden und werden Gespräche mit dem Regierungspräsidium Freiburg geführt und Gutachten von unabhängigen WissenschaftlerInnen eingeholt. Das Motto: "Wir kämpfen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gewaltfrei gegen einen Billig-Abriß des AKW Fessenheim."
In der Vergangenheit hat die Anti-Atom-Bewegung in Dreyeckland beachtliche Erfolge vorzuweisen. Das AKW-Projekt Wyhl konnte verhindert werden, weil sich lokal und grenzüberschreitend eine Mehrheit der Bevölkerung aktiv zur Wehr setzte - gegen die baden-württembergische Landesregierung.
Nicht zu unterschätzen ist allerdings, daß sich die Anti-Atom-Bewegung derzeit in einer schwierigen Lage befindet. In Deutschland ist die Meinung weit verbreitet, das Thema Antiatom sei "eigentlich durch". Vielfach ist die Rede vom "deutschen Atomausstieg". Daß nun alle kommerziellen deutschen Atomkraftwerke stillgelegt wurden, ist unbestreitbar ein großer Erfolg der Anti-Atom-Bewegung. Doch damit ist der Atomausstieg noch lange nicht in Deutschland durchgesetzt - auch wenn dies fälschlich immer wieder kolportiert wird. Nach wie vor haben sowohl die deutsche Brennelemente-Fabrik in Lingen als auch die Urananreicherungs-Anlage in Gronau unbefristete Betriebsgenehmigungen und versorgen hunderte von Atom-Reaktoren weltweit. Eine große Anzahl deutscher Konzerne macht weiterhin profitable Geschäfte mit der Atomenergie (Siehe hierzu: "Ein deutscher Atomausstieg? Die Fakten... " https://antiatomfreiburg.de/akwaus230520a.html)
Das Aus für die kommerziellen deutschen Atomkraftwerke ist mit einer Schwächung der Anti-Atom-Bewegung verbunden. Laut Umfragen ist erstmals seit 1979 wieder eine Mehrheit der Deutschen für Atomenergie. Dies macht es für die Anti-Atom-Bewegung sicherlich nicht leichter. Die Anti-Atom-Gruppe Freiburg hofft, daß es nicht zu einem weiteren Super-GAU kommen muß, bevor der Atomausstieg weltweit realisiert werden kann. Sie verweist auf die Statistik, wonach die Zahl der Atom-Reaktoren weltweit seit dem Jahr 1989 bei knapp über 400 stagniert und daß trotz aller weltweiter Propaganda und trotz hunderter Milliarden US-Dollar an Subventionen die immer wieder verkündete "Renaissance der Kernenergie" ausgeblieben ist. Es bleibe allerdings noch viel zu tun - nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland.