Atomwaffen können abgeschafft werden! | Veranstaltungen in vielen Städten am 75. Jahrestag der Vernichtung von Hiroshima

Atomwaffen können abgeschafft werden! | Veranstaltungen in vielen Städten am 75. Jahrestag der Vernichtung von Hiroshima

Am Donnerstag, 6. August jährte sich zum 75-sten Mal die Vernichtung der japanischen Stadt Hiroshima, am 9. August 1945 wurde Nagasaki dem Erdboden gleich gemacht. Auch in diesem Jahr organisierten in vielen Städten Friedens-Initiativen und die Anti-Atom-Gruppen zusammen Info-Stände, Plakat-Ausstellungen und Straßen-Theater. Das zentrale Anliegen aller beteiligten Gruppen war, Unterschriften für die Unterzeichnung des UN-Atomwaffen-Verbotsvertrags durch Deutschland zu sammeln.

Vor einem Monat brachte eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Umfrage zu Tage, daß 92 Prozent der Deutschen eine Unterzeichnung des Atomwaffen-Verbotsvertrags durch die Bundesregierung befürworten. Offenbar ist mittlerweile weiten Teilen der Öffentlichkeit klar geworden, daß der 1968 abgeschlossene Atomwaffen-Sperrvertrag wirkungslos geblieben ist. Zum einen konnte die Weiterverbreitung der Kenntnisse über den Bau der Atombombe nicht verhindert werden. Mit Indien (1974), Pakistan (1981) und Nordkorea (2006) gehören jetzt insgesamt neun Staaten zu den sogenannten Atommächten. Zum anderen blieb die vertragliche Verpflichtung, Verhandlungen über die vollständige Abrüstung aller Atomwaffen zu führen, ohne bleibenden Erfolg. Es kam zwar nach dem Abschluß des INF-Vertrages, den Michail Gorbatschow und Ronald Reagan 1987 unterzeichnet hatten, zu einer rund neun Jahre währenden Phase der atomaren Abrüstung. Diese wurde aber 1996 - in der Amtszeit von US-Präsident William Clinton - durch neue atomare Aufrüstung beendet. Heute reicht das Zerstörungs-Potential der weltweit über 15.000 einsatzbereiten Atomwaffen dazu aus, alles Leben auf diesem Planeten 70 Mal zu vernichten. 1981 fragte Uta Ranke-Heinemann In einer Rede, wo denn die 100 Milliarden Menschen seien, die per "Overkill" durch die damals verfügbaren Atomwaffen getötet werden könnten. Es bestehe ja kein Mangel an Waffen mehr, vielmehr reichten die Menschen, die durch Atomwaffen vernichtet werden könnten, nicht mehr aus.

Schon 1964 schrieb der Psychoanalytiker und Sozialphilosoph Erich Fromm: "Wir finden diese Merkmale einer nekrophilen Orientierung in sämtlichen modernen Industriegesellschaften ohne Rücksicht auf ihre jeweilige politische Struktur. Die Gemeinsamkeiten des russischen Staatskapitalismus mit dem korporativen Kapitalismus sind größer als die Unterschiede. Beiden gemeinsam sind ihre bürokratisch-mechanischen Methoden und ihre Vorbereitung der totalen Destruktion." Und wie kaum anders zu erwarten haben die neun Atomwaffen-Staaten, die USA, Rußland, Großbritannien, Frankreich, China, Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea in den vergangenen zwanzig Jahren die Abrüstungs-Verpflichtung aus dem Vertrag von 1968 einträchtig sabotiert.

Im Jahr 2017 wurde nun ein neuer Anlauf unternommen, um internationalen Druck auf die neun "Atommächte" aufzubauen. Der UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen wurde am 7. Juli 2017 mit den Stimmen von 122 von insgesamt 193 Staaten angenommen. Deutschland hat diesen Vertrag bisher nicht unterzeichnet. ICAN, die Internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen, erhielt am 11. Dezember 2017 in Oslo den Friedensnobelpreis für "ihre Arbeit, Aufmerksamkeit auf die katastrophalen humanitären Konsequenzen von Atomwaffen zu lenken und für ihre bahnbrechenden Bemühungen, ein vertragliches Verbot solcher Waffen zu erreichen".

Um den Druck auf die deutsche Bundesregierung zu erhöhen, initiierte ICAN den Städte-Appell (https://www.icanw.de/ican-staedteappell). Darin geht es darum, daß deutsche Städte und Gemeinden den neuen UN-Atomwaffen-Verbotsvertrag unterstützen und die Bundesregierung auffordern, den Vertrag endlich zu unterzeichnen. Mittlerweile haben sich 96 Städte dem Appell angeschlossen - von Monat zu Monat werden es mehr. Hinzugekommen sind inzwischen auch fünf Landkreise und Regionen sowie die vier Bundesländer Bremen, Berlin, Rheinland-Pfalz und Hamburg.

Am 3. Mai 2020 sagte nun Rolf Mützenich, Fraktions-Chef der SPD im Bundestag in einem Interview mit dem 'Berliner Tagesspiegel': "Atomwaffen auf deutschem Gebiet erhöhen unsere Sicherheit nicht, im Gegenteil. Es wird Zeit, daß Deutschland die Stationierung zukünftig ausschließt." Diese Äußerung verursachte nicht nur Streit in der großen Koalition, sondern auch innerhalb der SPD. Dabei war vor zehn Jahren eigentlich alles geklärt: Am 26. März 2010 forderte der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit in einer Entschließung den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland. Auch fast alle Unions-Abgeordneten stimmten dafür. Dennoch sind bis heute immer noch US-amerikanische Atomwaffen im Fliegerhort Büchel in der Eifel stationiert.

Nur einen Tag darauf stellte sich Außenminister Heiko Maas (SPD) öffentlich dem Ansinnen Mützenichs entgegen. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik dürfe kein "Sonderweg" sein - ansonsten würde die NATO geschwächt. Ähnlich argumentierten Hardliner vor 50 Jahren gegen die "Neue Ostpolitik" des damaligen SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt. Im Jahr 1971 erhielt Brandt den Friedensnobelpreis.

Durch die SPD geht beim Thema Frieden ein tiefer Riß. Dieser Riß geht durch alle Parteien und er verläuft ganz offensichtlich zwischen einer kleinen Minderheit in den Führungs-Positionen und der Mehrheit der Mitglieder an der Basis der Parteien. Dies zeigt auch die Anfang Juli von Greenpeace veröffentlichte Umfrage zu Atomwaffen: Insgesamt lehnen 78 Prozent der Befragten auch den Kauf von Kampfflugzeugen als Atomwaffenträger ab. 74 Prozent der SPD-AnhängerInnen sprechen sich dagegen aus - bei den Unions-AnhängerInnen sind es 80 Prozent. Sowohl 89 Prozent der UnterstützerInnen der Pseudo-Grünen als auch der Linkspartei sind gegen die Anschaffung. Unter den AnhängerInnen der FDP sind es hingegen nur 65 Prozent. Sogar unter den Befragten, die sich politisch der AfD zuordnen, sprechen sich 74 Prozent gegen den Kauf aus.

Wenn es jedoch um die Unterstützung des Atomwaffen-Verbotsvertrags geht, ist an Info-Ständen leider oft zu hören: "Das bringt doch nichts!" oder "Die machen ja doch, was sie wollen!" Dabei gab es im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder auch positive Beispiele. Diese zeigen, daß sich eine Mehrheit mit einer klaren Vorstellung, was recht ist, gegen jene mächtigen Minderheiten immer wieder durchsetzen konnte. So gilt es heute nahezu als selbstverständlich, daß international die Sklaverei geächtet ist. Und durch internationale Verträge konnten bereits B- und C-Waffen verboten werden. Die Konvention über das Verbot biologischer Waffen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der am 16. Dezember 1971 von der UN-Vollversammlung angenommen wurde und am 26. März 1975 in Kraft trat. Das entsprechende internationale Verbot chemischer Waffen wurde am 3. September 1992 von den Mitgliedstaaten der Genfer Abrüstungskonferenz verabschiedet und trat am 29. April 1997 in Kraft.

Dies zeigt: Auch Atomwaffen können abgeschafft werden!