Berlinale: My Name is Khan

Forrest
goes to Bollywood

Aus Berlin: Martin Koch

Sein Name ist Khan, Sha Rukh Khan. Im
Film: Rizvan Khan. Und, wenn man es auf Hollywood übertragen will:
eher Forrest, Forrest Gump als Bond, James Bond. Verwirrend? Dann
jetzt ein etwas einfacherer Einstieg: in „My Name is Khan“ geht
es um Liebe, die religiöse, gesellschaftliche und kulturelle Grenzen
überwindet.

Berlinale: My Name is Khan

Forrest
goes to Bollywood

Aus Berlin: Martin Koch

Sein Name ist Khan, Sha Rukh Khan. Im
Film: Rizvan Khan. Und, wenn man es auf Hollywood übertragen will:
eher Forrest, Forrest Gump als Bond, James Bond. Verwirrend? Dann
jetzt ein etwas einfacherer Einstieg: in „My Name is Khan“ geht
es um Liebe, die religiöse, gesellschaftliche und kulturelle Grenzen
überwindet.

Dieser Film kommt aus Bollywood und
diese indische Traumfabrik kann mit ihrer Form des Kinos so manchen
Filmkritiker zum Verzweifeln bringen, weil sie sich den bei neueren
Hollywoodfilmen mittlerweile üblich gewordenen Grenzen zwischen
Kitsch und Selbstironie entzieht. Man könnte auch sagen: es sind
Filme, die sich trauen, überschwänglich und emotional zu sein, auch
um den Preis, dass Logik und Plausibilität dabei auf der Strecke
bleiben dürfen. Denn diese Geschichten werden von ihren Fans als
Märchen, die sich dem Realismus sehr weitgehend entziehen dürfen,
akzeptiert.

Um auszuloten, wie weit die Mumbaier
Filmemacher bei ihren beschwingten Märchenerzählungen gehen können,
eignet sich „My Name ist Khan“ vorzüglich. Denn in dieses nach
allen Regeln des Bollywood-Kinos gedrehte Melodram bricht gleich in
zweierlei Hinsicht die Realität ein: erstens leidet die Hauptfigur
an Autismus und zweitens wird der amerikanische Rechtsruck infolge
des 11. September so deutlich thematisiert wie kaum zuvor in einem
Familien-Unterhaltungsfilm.

Hauptfigur ist der unter einer
Asperger-Störung leidende Rizvan Khan (Bollywood-Überflieger Shah
Rukh Khan), der in die USA auswandert. In San Francisco lernt er die
wunderschöne Mandira (Bollywoods weiblicher Superstar Kajol) kennen,
verliebt sich in sie und heiratet sie schließlich – obwohl sie
Hindu ist und er Muslim. Als die Ereignisse des 11. Septembers die
Vereinigten Staaten erschüttern kommt Mandiras Sohn Sam bei einer
rassistisch motivierten Gewalttat ums Leben. Mandira und Rizvan
zerstreiten sich und Rizvan beginnt eine Reise durch die USA, mit
dem Ziel den Präsidenten zu treffen, um ihm zu sagen, dass er kein
Terrorist ist.

Die liebenswerte Art der emotional
gestörten Hauptfigur verkörpert Sha Rukh Khan mit bewundernswerter
Präzision. Den Blick konstant zu Boden gesenkt mit oft seltsam
wirkender Körperhaltung tritt er seinen Mitmenschen gegenüber. Doch
hinter seinen schwer zugänglichen Äußerungen, in denen er Unmengen
von Sachinformationen zu seltsamen und unzugänglichen
Satzkonstrukten verkettet, kommt auch seine große Neugier auf seine
Mitmenschen und sein Wunsch, ihnen zu helfen, zum Vorschein. Ins
Reich des unglaubwürdigen Kitsches ist dennoch seine
Liebesgeschichte mit der bildhübschen Mandira, die in einem
Modegeschäft arbeitet, zu verweisen. Denn um bei ihr mehr als
Hilfsbereitschaft hervorzurufen hätte er dann doch wohl – wie der
Film in Berlin – außer Konkurrenz antreten müssen. Ebenso wenig
glaubwürdig inszeniert ist der Tod von Rizvans Stiefson Sam, der von
seinen Klassenkameraden verprügelt wird und infolge einer Verkettung
von Provokationen umkommt. Auch diese Szene ist als äußerst
reißerisch und völlig übertrieben zu bezeichnen. Übrigens im
Gegensatz zu einigen anderen Szenen, in denen die Post-9/11-Zeit
thematisiert wird.

Unter dem Strich stehen mit der
Liebesgeschichte und dem Tod des Sohnes dennoch zwei zentrale
Handlungselemente im Mittelpunkt, denen jede Glaubwürdigkeit
abgesprochen werden kann. Dadurch werden die ernsten Untertöne der
Story, die sich um den Umgang mit Behinderungen und der
Diskriminierung von Muslimen in den Vereinigten Staaten dreht,
abgeschwächt. Auch bei den Fans des traditionellen
Bollywood-Unterhaltungskinos setzt sich diese gewagte Mischung aus
genretypisch inszenierten Tanz – und Gesangsszenen, soap-artigen
Familiengeschichten und deutlicher Gesellschaftkritik eher zwischen
die Stühle. Dennoch gewinnt „My Name is Khan“ dem Bollywoodkino
eine neue Facette ab und integriert Elemente, die seinerzeit durch
Filme wie „Rain Man“ oder „Forrest Gump“ in Hollywood ankamen
in seine Erzähltraditionen. Wer Bollywoodfilme mag und offen für
epische Rundumschläge ist, dem könnte auch oder vielleicht gerade
der neueste Streich der Mumbaier Traumfabrik zusagen.